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Fleischerei in Gleina Fleischerei in Gleina: 22 Jahre "Anlauf" für Beruf

Von Andreas Löffler 18.06.2020, 08:24
Marcel Lämmerzahl (v.l.), Berthold Knie, Chef Arno Weise und Matthias Siembeck in der Wurstküche des Unternehmens.
Marcel Lämmerzahl (v.l.), Berthold Knie, Chef Arno Weise und Matthias Siembeck in der Wurstküche des Unternehmens. Löffler

Gleina - Nicht nur die neckische Tierfigurengruppe aus Plastik in seinem Büro legt es nah: Arno Weise hat in seinem (Berufs-)Leben wortwörtlich Schwein gehabt. Mit Ende 30, also in einem Alter, in dem bei anderen jobmäßig alles längst klar ist, hat sich der Gleinaer beruflich noch einmal komplett neu erfunden - und dabei witzigerweise dennoch an seine einst ersten Schritte in die Arbeitswelt angeknüpft. Wie das zusammenpasst?

„Ich entstamme einer Schäferfamilie; und da mein jüngerer Bruder dazu auserkoren wurde, diese Tradition fortzusetzen, habe ich mein Interesse auf den Beruf des Kochs gelenkt - und den des Fleischers“, berichtet Arno Weise. Die Lust und die Freude an Geschmack und sinnlichem Genuss begleiten ihn, der neben einem schönen Stück frischer Rotwurst oder einem Gehacktesbrötchen „durchaus auch Süßes wie etwa Milchreis sehr zu schätzen weiß“, also bereits seit seiner frühen Jugend. Da es sich mit der Koch-Lehrstelle im Ratskeller Naumburg letztlich noch zerschlug, erlernte Arno Weise in der Domstadt in einem Privatbetrieb das Fleischerhandwerk.

Erst 22 Jahre bei der LPG

„Wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten bin ich nach meinem Lehrabschluss letztlich aber doch direkt zu meinem Vater in die LPG, wo ich 22 Jahre lang gearbeitet und die Lehre als Schäfer ,nachgeholt“ sowie ein landwirtschaftliches Fachschuldiplom erworben habe“, schildert er.

Doch als die Wende kam und seine gelegentlichen Einsätze als „Mann vom Fach“ bei Hausschlachte-Terminen im privaten Rahmen zahlenmäßig „nach oben durch die Decke schossen“, habe er sich überlegt, sich dann doch mit einem eigenen Fleischerei-Betrieb und -Laden selbstständig zu machen. Die Anfänge erinnerten buchstäblich an eine „Garagenfirma“, siedelte Weise seine Produktion doch in dem ehemaligen Stall-, Werkstatt- und Garagenkomplex direkt hinter seinem Wohnhaus in Gleinas Neuer Siedlung an, welcher später noch einen Anbau erhielt.

Imbiss und Mittagstisch

Auch die Zahl seiner Mitarbeiter ist gewachsen. Vier Gesellen unterstützen den Meister in der Produktion, und seine neun Frauen, wie Arno Weise augenzwinkernd sagt, würden das Imbiss- und Mittagstisch-Angebot plus die Bedientheke im Ladengeschäft in Gleinas Ortsmitte sowie die beiden zwischen Braunsbedra, Mücheln, Nebra und Freyburg eingesetzten „rollenden Verkaufsstände“ managen.

Warum sich selbst aus Halle und Leipzig Kunden auf den Weg nach Gleina machen und weshalb Ladenbesucher aus noch ferneren Gegenden gern auch schnell mal schnell Großeinkäufe „auf Vorrat“ für 150 Euro und mehr tätigen? „Ich glaube schon, dass das an unserem Hausschlachte-Sortiment liegt - Leber- und Blutwurst, Sülze und Gehacktes mit dem urwüchsigen Geschmack von früher“, meint Arno Weise, der im Grunde bereits seit seinem ersten Lehrjahr ein besonderes Faible und Geschick für hausschlachtene Spezialitäten besitzt. „Das habe ich allerdings nicht von meinem Naumburger Lehrmeister vermittelt bekommen, sondern mir bei meinem Großonkel, der Fleischer war, sowie einem weiteren Hausschlachter in Gleina buchstäblich abgeguckt: Was man mit den eigenen Augen ,stiebitzt‘, vergisst man nicht“, betont der Fleischerei-Profi. Statt exakt abgewogener Mengen gehe es beim Hausschlachten vor allem um Erfahrungswerte, Gespür und auch um ein gewisses Improvisationsvermögen.

Wohl nicht von ungefähr hat es Arno Weise bei seinen Urlaubsreisen wiederholt in Länder gezogen, in denen Zusammengehörigkeitsgefühl und die auch hierzulande aus DDR-Zeiten bekannte „Was nicht passt, wird passend gemacht“-Mentalität in starkem Maße anzutreffen sind - Kuba und Russland beispielsweise.

In Kuba und am Baikalsee

„In Kuba bin ich mal spontan einem Branchenkollegen in dessen Wurstküche zur Hand gegangen“, erinnert sich der Gleinaer. Und von der in der Tat legendären Gastfreundlichkeit der Russen könnte er geradezu stundenlang schwärmen. „Mit drei Freunden war ich schon am Baikalsee sowie zum Lachsfischen am Amur, wo wir in einem Dorf mit 16 Bewohnern landeten. Mit dem, was die da zu unseren Ehren an Essen aufgetischt haben, hättest du eine ganze Kompanie verpflegen können. Und in der Transsib, wo wir wegen des unangekündigten Fehlens des Speisewagens mal 48 Stunden ohne jeden Proviant dazustehen drohten, hat eine Mitpassagierin per Telefon kurzerhand ihren Mann zum nächsten Zwischenhalt heranzitiert, der uns unter anderem Speck, Butter und die unvermeidliche Flasche Wodka brachte“, erzählt Arno Weise lachend.

Unvermeidlich ist freilich auch, dass sich der inzwischen 68-Jährige mit dem Thema Ruhestand beschäftigt. „Aus meiner Familie und auch von meinen Gesellen will leider keiner den Betrieb übernehmen und fortführen“, bedauert er. „Wenn mich nichts umhaut, mache ich also noch ein bisschen weiter, auch, weil ich so ein bisschen sozial denke: Die Mehrzahl meiner Beschäftigten ist jetzt gleichfalls Ende 50, Anfang 60. Eine Idee wäre, gemeinsam aufzuhören.“

Martina Beyer betreut die Verkaufstheke im Ladengeschäft in Gleina.
Martina Beyer betreut die Verkaufstheke im Ladengeschäft in Gleina.
Löffler
Marion Edel (vorn) und Janita Scheer kümmern sich um das Angebot für Mittagstisch und Imbiss.
Marion Edel (vorn) und Janita Scheer kümmern sich um das Angebot für Mittagstisch und Imbiss.
Löffler