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"Wir müssen umdenken" Fachkräftemangel im Burgenlandkreis: "Wir müssen umdenken" - Mitarbeiter aus dem Ausland oft längst die letzte Hoffnung

Von Alexander Kempf 22.09.2018, 06:00
Diese vier Frauen eint ein Problem. Kathrin Unholzer (Bauer-Mayer-Logistik, Zorbau), Kathrin Vöckler (Kaufland-Fleischwaren, Osterland), Sandra Löffler (Kaufland-Logistik, Osterfeld) und Jana Karwarth (Bauer-Mayer-Logistik) fragen sich, wo sie die Fachkräfte für morgen und übermorgen finden.
Diese vier Frauen eint ein Problem. Kathrin Unholzer (Bauer-Mayer-Logistik, Zorbau), Kathrin Vöckler (Kaufland-Fleischwaren, Osterland), Sandra Löffler (Kaufland-Logistik, Osterfeld) und Jana Karwarth (Bauer-Mayer-Logistik) fragen sich, wo sie die Fachkräfte für morgen und übermorgen finden. Peter Lisker

Weißenfels - Die Auswirkungen des Fachkräftemangels spürt Lars Franke vom Weißenfelser Speditionsunternehmen Helo in seiner Branche täglich. „Die Firmen stagnieren“, sagt er. Sie würden gerne wachsen, doch sie finden nicht schnell genug Personal. Neuansiedlungen seien schon jetzt schwer. Gut möglich, dass der Fachkräftemangel sogar zum Abwandern oder dem Aus von Firmen führen könnte. „Ich male mal schwarz“, sagt der Geschäftsführer, „in zehn Jahren steht nicht mehr alles zur Verfügung.“

Die Probleme, die Lars Franke schon heute beschäftigen, kann die Agentur für Arbeit mit Zahlen unterlegen. Allein im Burgenlandkreis wird es bald mehr als 2.000 unbesetzte Stellen geben, erklärt Chef Stefan Scholz. Trotz etwa 6.000 Arbeitslosen im Landkreis können die Stellen oft nicht besetzt werden, da Fachkräfte fehlen. In Sachsen-Anhalt dauert es im Schnitt mittlerweile schon mehr als 100 Tage bis eine Stelle besetzt werden kann. Und die Probleme dürften sich weiter verschärfen.

Demografie gibt landesweit Anlass zur Sorge

Denn die Demografie gibt landesweit Anlass zur Sorge. Bis zum Jahr 2030 soll die Zahl der Menschen im arbeitsfähigen Alter, also zwischen 15 und 67 Jahren, um 306.000 Personen sinken. Das ist ein Minus von 21 Prozent. Für Flächenlandkreise wie der Burgenlandkreis wird sogar ein Rückgang zwischen 25 und 30 Prozent prognostiziert. Wer also soll künftig Ältere pflegen, Heizungen reparieren oder beim Weißenfelser Speditionsunternehmen Helo die Lkw fahren?

Markus Behrens von der Regionaldirektion Sachsen-Anhalt und Thüringen hofft auf Zuzug aus dem Ausland. Das Werben um Fachkräfte aus anderen europäischen Ländern soll künftig noch intensiviert werden. „Wir müssen uns um das Thema langfristig kümmern. Sonst kriegen wir es nicht gelöst“, sagt er. Zumal Sachsen-Anhalt im Wettbewerb mit anderen deutschen Bundesländern noch immer vergleichsweise niedrige Durchschnittslöhne aufweist. „Das ist ein Begrenzer“, räumt Arbeitsagentur-Chef Stefan Scholz ein. Denn wer aus Polen, Spanien oder Bulgarien nach Deutschland kommt, der vergleicht natürlich die Löhne.

Unternehmer Lars Franke sieht im Burgenlandkreis aber auch Standortvorteile

Unternehmer Lars Franke sieht im Burgenlandkreis aber auch Standortvorteile. Etwa die günstigen Lebenshaltungskosten. Er wirbt dafür, Fachkräfte aus Osteuropa langfristig an die Region zu binden. „Auch ausländischen Mitarbeitern muss es möglich sein“, sagt er, „sich hier ein gutes Leben aufzubauen.“ Polnische oder tschechische Gastarbeiter immer nur für wenige Wochen herzuholen, das sei auf Dauer keine Lösung. „Wir müssen als Unternehmen umdenken“, sagt er. Faire Arbeitsbedingungen, finanzielle Anreize und eine attraktive Region hält er für mögliche Schlüssel zum Erfolg.

Die Weißenfelser Agentur für Arbeit möchte Unternehmen dabei noch stärker unterstützen. Am Donnerstagnachmittag erst hat sie mehrere Arbeitgeber zu einer Informationsveranstaltung eingeladen und Themen wie Arbeitszulassungen erläutert.

Fürchtet die Wirtschaft, dass ausländerfeindliche Kundgebungen wie zuletzt in Köthen oder Chemnitz dazu führen, dass ausländische Fachkräfte Ostdeutschland meiden? „Sachsen-Anhalt ist ein sehr offenes Land“, sagt Markus Behrens. Ein Beleg dafür sei, dass Ausländer schon heute viele der offenen Stellen besetzen. Auch Unternehmer Lars Franke ist nicht der Meinung, dass die Vorfälle dem Osten zum Nachteil reichen. In anderen Regionen gebe es wieder andere Probleme. Neben Zuzug von ausländischen Fachkräften liegen seine Hoffnungen für die Zukunft auch auf Rückkehrern aus den alten Bundesländern. (mz)