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Debüt eines Naumburgers Debüt eines Naumburgers: "Fünfzehn Jahre Sibirien"

Von Albrecht Günther 18.02.2019, 08:42
Der Naumburger Rolf Völkel hat sein erstes Buch veröffentlicht: „Fünfzehn Jahre Sibirien“, in dem er die Erlebnisse eines Freundes verarbeitet.
Der Naumburger Rolf Völkel hat sein erstes Buch veröffentlicht: „Fünfzehn Jahre Sibirien“, in dem er die Erlebnisse eines Freundes verarbeitet. Torsten Biel

Naumburg - Wie lange wird der Krieg noch dauern? Und was folgt danach? Es ist der 9. Oktober 1944 in einem Dorf an der Saale. An diesem Tag ist Willi Nagel 16 Jahre alt geworden. Ein Jugendlicher, dessen Vater an der Front ist, dessen Mutter einen Hof bewirtschaftet und für den an diesem Herbsttag ein Schicksal beginnt, das ebenso grauenvoll und beinahe todbringend ist wie es andererseits beglückende Erfahrungen bereithält. Ein Schicksal, das Willi mit vielen anderen Deutschen seiner Generation teilt - und das dennoch ein ganz besonderes ist. Als Willi Nagel am 10. August 1961 in Berlin-Schönefeld gemeinsam mit seiner Tochter Natascha aus dem Flugzeug steigt, liegen hinter ihm „Fünfzehn Jahre Sibirien“.

Unter diesem Titel hat der Naumburger Rolf Völkel soeben sein erstes Buch veröffentlicht. Erschienen ist es im Hamburger Tredition-Verlag. „Ein Bekannter aus meinem Freundeskreis litt immer wieder unter Hungeranfällen - und lange Zeit wussten wir nicht, weshalb. Dann hat er von seiner Zeit in sowjetischer Gefangenschaft erzählt, damit wurde vieles verständlich“, berichtet der Autor. Noch zu Lebzeiten des Freundes entschloss er sich, dessen Geschichte aufzuschreiben.

Dabei hatte Völkel, der 1938 in Naumburg geboren wurde, beruflich einen ganz anderen Weg eingeschlagen. Nach dem Abschluss der Schule absolvierte er eine Lehre in einem Metallberuf, machte später seinen Meister für Gas-, Wasser- und Heizungsinstallation und war über 30 Jahre Inhaber einer Firma. Außerdem wirkte er als Lehrausbilder an einer Berufsschule. Nach der Wende hatte die Firma ihren Sitz neben der Naumburger Marienschule. Nun jedoch ist Rolf Völkel im Ruhestand. So hat er im Jahr 2000 seine Liebe zum Schreiben entdeckt. Oder wiederentdeckt. „Denn mitunter habe ich früher Schulaufsätze für meine Tochter geschrieben“, sagt er mit einem Schmunzeln. „Ich schreibe gern und es macht mir auch Spaß, denn mein Ideenreichtum scheint unerschöpflich.“ Zwei Jahre Arbeit stecken in seinem ersten Buch, in dem er nicht nur das Schicksal des Freundes - teils nach dessen Aufzeichnungen - erzählt, sondern mit dem er auch seine eigene Anteilnahme an diesen Erlebnissen aufgearbeitet hat. „Ich schreibe nicht, um mir den Frust von der Seele zu nehmen, aber die Last, die ich durch schreckliche Erlebnisse trage.“

Flucht von der Oder

Wie andere Hitlerjungen wird auch Willi Nagel zunächst in die Wirren der letzten Monate des Zweiten Weltkrieges hineingezogen. Er verrichtet seinen Dienst als Flakhelfer, wird an die Oder gebracht, wo er mit anderen die sowjetische Armee aufhalten soll. Als die Bedrohung jedoch immer größer wird, flieht er. Hungernd und stets in Gefahr, von sogenannten Kettenhunden aufgespürt zu werden, gelingt es ihm, sein Heimatdorf zu erreichen.

Der tödliche Schuss

Dort hat sich seine Mutter in einen polnischen Zwangsarbeiter verliebt, ist schwanger. Gemeinsam mit dem Ortsgruppenleiter der NSDAP muss er im Dorf auf Wache gehen, weil Lebensmittel gestohlen werden. Sie bemerken einen russischen Zwangsarbeiter. Der NS-Mann befiehlt, Willi erschießt ihn. Als nach Kriegsende zunächst die Amerikaner und danach die Sowjets einmarschieren, muss Willi Nagel mit anpacken, um an der Bahnlinie Halle-Erfurt Schienen und Masten zu demontieren: Reparationsleistungen für die deutschen Zerstörungen.

Dabei wird er verhaftet. Offenbar, so vermutet Willi, hat ihn der Nazi, um seine eigene Haut zu retten, an die Sowjets verraten, als es um die Aufklärung des Todes des Kriegsgefangenen ging. Ein sowjetisches Tribunal verurteilt ihn zum Tod. Durch einen glücklichen Umstand wird er zu 15-jähriger Zwangsarbeit in einem sibirischen Straflager begnadigt. Dort herrschen katastrophale Zustände: Typhus und kaum medizinische Behandlung, die kräftezehrende Arbeit im Straßenbau und ewiger Hunger. „Jeder will sich am Fang beteiligen, denn man erhofft sich, einmal ein Stück gebratenes Rattenfleisch zwischen die Zähne zu bekommen.“ Kaum besser ist es im Bergwerk, in das er nach zehn Jahren gebracht wird. Dort erfährt er vom Grab seines Vaters, erlebt aber auch großes Glück. Nachdem er im Schacht schwer verletzt wird, kommt er in die Krankenstation, wo ihn eine Schwester aus Georgien pflegt und sich in ihn verliebt.

Rückkehr mit Tochter

Als Irina schwanger ist, muss sie zurück nach Georgien. Von dort erreicht Will später die Nachricht von der Geburt seiner Tochter Natascha, wenig später vom Tod Irinas. Endlich, nach 15 Jahren, ist er in Freiheit. Doch nicht nach Deutschland, sondern nach Georgien führt ihn sein Weg. Er arbeitet in einem Kolchos - und nach über einem Jahr kann er mit seiner Tochter in seine Heimat zurückkehren. Durfte in der DDR über solche Schicksale wie jenem des Willi Nagel nur unter der Hand gesprochen werden, holt Rolf Völkel mit seinem Buch nun etwas nach, was ihm lange am Herzen gelegen hat.

Nach seinem ersten Buch arbeitet Rolf Völkel bereits am zweiten. In „Geschunden und missbraucht“ wird es um häusliche Gewalt gehen. Der Band „Fünfzehn Jahre Sibirien“ umfasst 284 Seiten. Er ist als Paperback, Hardcover und E-Book im Tredition-Verlag Hamburg erschienen. Die Paperback-Variante kostet 13.99 Euro und ist im Buchhandel erhältlich unter ISBN 978-3-7469-6689-2. Wer ein Exemplar des Buches gewinnen möchte, schreibt an [email protected]

Kontakt zu Rolf Völkel: [email protected]