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Kandidaten im Gespräch Bundestagswahl 2017 - Kandidaten im Gespräch - Hans-Jürgen Schmidt (SPD)

08.09.2017, 13:19
Seine Druckerei will Hans-Jürgen Schmidt gern gegen einen Sitz im Bundestag tauschen.
Seine Druckerei will Hans-Jürgen Schmidt gern gegen einen Sitz im Bundestag tauschen. Torsten Biel

Naumburg - Als gelernter Buchdrucker durfte sich Hans-Jürgen Schmidt selbst um seine Wahlwerbung kümmern. Auch im Gespräch mit Robert Briest bezieht der SPD-Kandidat im Wahlkreis 73 eigene Positionen.

Sie werden im Dezember 67. Statt in den Ruhestand wollen Sie in den Bundestag. Warum?
Schmidt: Im November bei der Nominierung hat sich niemand weiter getraut. Die SPD hatte damals 20 Prozent, das Erringen des Mandats war fast aussichtslos. Ich habe gesagt, ich mache es, auch wenn ich das Gefühl hatte: Das wird ein schwieriger Gang.

Würden Sie die Druckerei bei einem Wahlerfolg weiterführen?
Schmidt: Nein. Das ist einfach nicht schaffbar, einen Fulltime-Job und seine Aufgaben als Abgeordneter voll zu erledigen. Ich würde mich daher aus dem Gewerbe zurückziehen und die Verantwortung in familiäre Hände legen.

Sie kritisieren, dass die Politik kleinere Unternehmen benachteiligt. Inwiefern?
Schmidt: Es fehlt eine Lobby für die kleinen und mittelständischen Firmen. Sie haben in Krisensituation niemanden außer ihrer Bank, mit dem sie sprechen können. In der Autoindustrie, bei insolventen Fluglinien oder auch bei Mifa werden ganze Heerscharen in Bewegung gesetzt, um Firmen und Arbeitsplätze zu erhalten. Das fehlt beim Mittelstand. Es fehlt ein Bindeglied, an den sich die Unternehmen in der Situation wenden können. Diese Rolle will ich einnehmen.

Ist es staatliche Aufgabe, unrentablen Unternehmen unter die Arme zu greifen?
Schmidt: Es kommt ja nicht jeden Tag ein Unternehmer, der in Schwierigkeiten steckt, zum Abgeordneten. Aber wenn jemand zu mir kommt, dann wäre es meine Pflicht als Abgeordneter, ihm zu helfen. Ebenso wie bei anderen Problemen von Bürgern, denn die Wahlkreisarbeit ist wichtigstes Arbeitsumfeld zum Bürger.

Hans-Jürgen Schmidt ist 1950 in Halle geboren. Seit 1976 betreibt er mit seiner Frau eine kleine Druckerei in Naumburg. Sein Engagement in der SPD begann in der Wendezeit. Bisher bewegte er sich als langjähriger Gemeinderat in Naumburg jedoch auf kommunaler Ebene. Politisch sieht er sowohl Anknüpfungspunkte zur Parteilinken wie zum Seeheimer Kreis. Die Agenda 2010 bereitete ihm Bauchschmerzen. Er steht auf Platz acht der SPD-Landesliste.

Stichwort Dieselskandal: Was bevorzugen Sie: Fahrverbot für Diesel oder technische Umrüstung auf Herstellerkosten?
Schmidt: Wir müssen die Autoindustrie zwingen, die Autos so umzurüsten, dass die Besitzer beruhigt in jede Umweltzone fahren können. Es kann nicht sein, dass der Diesel verboten wird. Viele Pendler sind täglich auf ihn angewiesen. Die können wir nicht für die durch die Industrie verursachte Krise bestrafen.

Wie lässt sich der akute Lehrermangel lösen?
Schmidt: Im Moment kann der Bund aufgrund der Kompetenztrennung da nichts machen. Angesichts des Ist-Zustands an den Schulen muss der Bund aber mehr Kompetenz in der Bildungspolitik bekommen. Ich bin dafür, ein einheitliches Bildungssystem in Deutschland zu schaffen. Als erster Schritt sollte sich der Bund an der Finanzierung von Schulen beteiligen können.

Geld aus Berlin nehmen sie sicherlich gern, aber glauben Sie, dass die Länder freiwillig eine Kernkompetenz abgeben?
Schmidt: Es ist kaum abwendbar, dass Bund und Ländern gemeinsam die Schulentwicklung planen.

Für die Kranken- und Pflegeversorgung fordern Sie eine Bürgerversicherung. Wie wollen Sie die denn in einer Koalition mit der Union umsetzen?
Schmidt: Tja. Als kleiner Partner müssten wir genauso bohren wie beim Mindestlohn. Wobei ich davon ausgehe, dass es die nächsten vier Jahre keine GroKo geben wird.

Wollen Sie lieber Opposition sein?
Schmidt: Ja. Wenn es vom Wähler so gewollt ist, täte uns eine Oppositionsrolle gut, um zu unseren Wurzeln und Ideen zurückzukehren.

Im Erfolgsfall wollen Sie in den Auswärtigen Ausschuss. Wie soll die BRD mit Russland und der Krim umgehen?
Schmidt: Es sollte ein normales politisches Verhältnis zu Russland und wieder laufende Konsultationen der Regierungen geben, damit man immer im Gespräch ist. Die tödliche Auseinandersetzung in dem Konflikt muss aufhören. Sanktionen helfen nicht bei jedem Konfliktfall.

Sie plädieren also eher für eine Appeasement-Politik. Soll Deutschland dafür die Annexion der Krim akzeptieren?
Schmidt: Die Situation ist momentan de facto so. Wir als Deutschland können daran kaum etwas ändern, sondern nur unsere diplomatischen Einflüsse geltend machen, um eine Lösung zu ermöglichen, die den Menschen im russisch-ukrainischen Grenzgebiet wieder ein normales Leben erlaubt.

Das Thema Flüchtlinge ist eng mit der Außenpolitik verknüpft. Wie stehen Sie zur Forderung einer Obergrenze?
Schmidt: Asyl für Verfolgte, die an Leib und Leben bedroht sind und hier Schutz suchen, ist ein Grundrecht, das wir nicht negieren wollen. Deswegen können wir die Tore nicht einfach dicht machen. Obergrenzen gehören nicht zu meinem Sprachgebrauch bei diesem Thema.

BRD und EU versuchen derzeit diese Tore nach Süden zu verschieben. Helfen Abkommen mit afrikanischen Staaten wie Tschad oder Mali?
Schmidt: Nein. Es gibt nur eine Hilfe: Die Gelder, die hier verbraucht werden, in den Herkunftsländern systematisch für Dinge auszugeben, die den Menschen zu Gute kommen: Wohnungen, Schulen, Brunnen für sauberes Wasser.

Setzen solche innenpolitischen Eingriffe in Afrika nicht die europäische Hegemonie der letzten Jahrhunderte fort?
Schmidt: Nein. Wir wollen ja keine Kolonien gründen, sondern den Ländern Hilfe zur Selbsthilfe geben.

(mz)