Airbnb, Wimdu und Co. in Mitteldeutschland Airbnb, Wimdu und 9flats in Leipzig, Halle und Sachsen-Anhalt

Leipzig - In der Wohnung von Lena Koch herrscht Durchgangsverkehr. Im Flur der WG im Osten Leipzigs packen gerade zwei Cousinen ihre Taschen, während in der Küche Hannes Schreiter und Sandra Grünberg an ihren Kaffeetassen nippen.
Die beiden 20-Jährigen Studenten, die vor wenigen Minuten erst angekommen sind, übernachten an diesem Freitag bei Lena Koch. Die Flur-Frauen hingegen reisen gerade ab. Sie sind die Übernachtungsgäste vom Vortag. Was alle gemeinsam haben: Sie sind für Gastgeberin Lena Koch Fremde.
Denn die Politik-Studentin, die eigentlich anders heißt, ist gerade eine Mischung aus Hotelmanagerin, Zimmermädchen und Gästebetreuerin. Und das nicht ganz freiwillig: „Meine Mitbewohnerin ist für vier Wochen nach Thailand geflogen“, erzählt Koch. Zum Abschied habe sie einen Zettel hinterlassen. „Auf dem stand, dass sie ihr Zimmer bei Airbnb reingestellt hat - und dann kamen die ersten Leute bereits.“
So vermieten Privatpersonen ihre Wohnungen in Leipzig oder Halle bei Airbnb, Wimdu und 9flats
Airbnb ist eine Online-Plattform auf der Privatpersonen ihre Wohnung oder Teile davon vermieten können. Das Unternehmen kassiert dafür eine Gebühr, derzeit drei Prozent des Nettomietpreises. Auch andere Anbieter wie 9flats oder Wimdu funktionieren nach diesem Prinzip.
Und sie sind deswegen gleichsam beliebt wie gefürchtet. Touristen schätzen sie als Alternative zu konventionellen Übernachtungsangeboten. Hoteliers wiederum sehen ihr Geschäft bedroht. Und Kommunen machen die Unterkunftsvermittler für die Verknappung des Wohnraums in den Städten verantwortlich.
Airbnb bietet drei Millionen Schlafplätze online, auch viele in Leipzig, Halle oder Sachsen-Anhalt
In der Kritik steht dabei immer wieder Marktführer Airbnb. 2008 wurde das amerikanische Unternehmen in San Francisco, der Brutstätte schon zahlreicher Internet-Revolutionen, gegründet. Anfangs hieß das Portal noch Airbedandbreakfast, was schon andeutet, worum es geht: „Airbed“ steht für Luftmatratze und „Breakfast“ für Frühstück. 2009 wurde der Name dann eingekürzt.
Mittlerweile bietet Airbnb in 191 Ländern mehr als drei Millionen Unterkünfte an. Seit seiner Gründung haben über das Internetportal bereits 150 Millionen Menschen einen Schlafplatz gefunden.
Und auch in Deutschland boomt das Geschäft. Eine Studie, die 2016 vom Hotel- und Projektentwickler GBI veröffentlicht wurde, kam zu dem Ergebnis, dass hierzulande pro Jahr 14,5 Millionen Übernachtungen über Airbnb oder ähnliche Portale gebucht werden. Tendenz steigend.
Im südlichen Sachsen-Anhalt sind derzeit etwa 400 Angebote auf Airbnb gelistet. Besonders stark wächst die Zahl der Angebote in urbanen Gegenden. In Halle etwa wurden 2013 bei Airbnb nur drei Unterkünfte gelistet. 2017 sind es bisher schon 125.
Noch spürbarer ist der Boom in Städten mit mehr als 500 000 Einwohnern. Laut GBI-Studie schläft bereits jeder siebte Gast Leipzigs im Bett einer Privatperson, das er online gefunden hat. Nur Berlin liegt in dieser Statistik vor der Messestadt.
Wer die Formel hinter diesem enormen Wachstum finden will, muss nur in die WG-Küche von Lena Koch schauen. Dort unterhält sie sich gerade mit Hannes Schreiter und Sandra Grünberg über Leipzig. Auf dem Tisch stehen eine Schale Orangen und ein Bier, Marke Sternburg Export. Daneben liegt eine dicke Wochenzeitung. Es ist dieses studentische Milieu, in das Airbnb perfekt passt.
Koch beunruhigt es nämlich kaum, dass sie Fremde in ihre vier Wände lässt. „Bedenken, dass etwas passieren könnte, habe ich eher nicht“, sagt sie. Und dass sie im Bett einer Fremden schlafen werden, stört ihre Gäste ebenso wenig. „Warum sollte es“, fragt Schreiter.
Ein anderer Faktor ist für ihn viel wichtiger. „Das Zimmer hier war einfach am preiswertesten“, sagt der Student. 20 Euro kostet es für beide pro Nacht. Das nächstbeste Angebote in einem Hostel sei zehn Euro teurer gewesen.
Es ist auch diese Generation, die Airbnb und Co. groß gemacht hat. Junge, mobile und weltgewandte Stadtmenschen, die Privatheit hinten anstellen, solange der Preis stimmt und auf dem Nachttisch ein Zettel mit dem Wlan-Passwort liegt.
Und Airbnb bedient diese Zielgruppe. Auf der Website werden alle mit „Du“ angesprochen, es ist viel von „Entdecken“ und „Kennenlernen“ die Rede. Wer eine Wohnung oder ein Zimmer anbietet, ist kein Vermieter, sondern „Gastgeber“. Und das ganze Konzept wird Homesharing genannt und so in den weltweiten Trend der Sharing-Economy eingereiht. Man teilt also sein Zuhause wie sein Auto und sein Werkzeug.
Es ist diese Sicht, die bei den Onlineportalen betont wird. Allerdings ist aus dem Teilen von Wohnraum auch ein Geschäft geworden. So bekommt man in Leipzig das 20-Euro-Studentenzimmer ebenso wie das Apartment für 10 Personen und 300 Euro die Nacht. Eine Angebotspalette, die der etablierten Übernachtungswirtschaft zunehmend Konkurrenz macht. In Dresden etwa warnte der Tourismusverband im vergangenen Jahr vor den Onlineportalen und forderte ein Verbot. Ähnliche Initiativen gibt es in vielen Reiseregionen in ganz Europa.
Kritik an Zimmerbörsen wie Airbnb, Wimdu und 9flats
Und immer mehr Kommunen reagieren - wenn auch aus einem anderen Grund. Denn besonders in den Großstädten wird der Onlinehandel für die Verknappung des Wohnraums mitverantwortlich gemacht. Die Annahme: Wohnungen werden nur angemietet, um sie online zu vermieten. Wer wirklich darin wohnen möchte, hat das Nachsehen.
Nahrung für diese Annahme geben Analysen, wie sie mit Websites wie Airdna.co gemacht werden können. Dort zeigt sich, dass in Berlin 871 Anbieter mehr als eine Unterkunft in ihrem Portfolio haben. 73 davon sogar mehr als fünf. Auch in Leipzig gibt es 137 Mehrfachanbieter.
Berlin und zahlreiche andere Städte haben inzwischen gegengesteuert und sogenannte Zweckentfremdungsverbote erlassen. Wer in der Hauptstadt seine komplette Wohnung auf Webportalen zur kurzfristigen Miete anbietet, dem droht nun ein Bußgeld von bis zu 100 000 Euro. Allerdings gilt der anfängliche Abschreckungseffekt als mittlerweile verpufft. Auch weil das Personal zur Kontrolle der Anbieter fehlt.
In Leipzig gibt es ein solches Verbot bisher noch nicht. Das Zimmer in der WG von Lena Koch hätte es auch gar nicht betroffen. Dort sind Hannes Schreiter und Sandra Grünberg die vorerst letzten Mieter. Das Inserat auf Airbnb hat sich für Kochs Mitbewohnerin durchaus gelohnt. 14 Übernachtungen sind zusammengekommen. Macht 280 Euro abzüglich der Gebühren. Das ist mehr, als das Zimmer im Monat kostet.
Und auch Lena Koch ist durchaus angetan. „Ich kam zwar fast nicht mit dem Bettwäsche-Waschen hinterher, aber dafür waren die Leute interessant“, sagt sie und erzählt von zwei Ungarn, die extra für ein Mittelalterfestival anreisten. „Die waren schon sehr schräg, aber trotzdem lustig“, sagt Koch. Einen zweiten Ausflug in die Homesharing-Welt kann sie sich durchaus vorstellen. (mz)
