Zeitz Zeitz: Ekatarina Kolitscher begleitet sehbehinderte Menschen

Zeitz/MZ - Forsch und selbstsicher tastet sich Matthias Weise mit seinem Blindenstock voran. Seit zwei Monaten hat der dieses neue Hilfsmittel im Einsatz. Ekatarina Kolitscher steht ihm dabei zur Seite. Die Rehabilitations- und Sportlehrerin aus Halle übt mit ihm den Umgang mit dem Stock, nimmt ihm Hemmungen und Ängste. Einmal die Woche trainieren sie gemeinsam. „Wir laufen Wege des Alltags ab, gehen einkaufen, zum Arzt, in die Apotheke oder in den Garten“, erzählt die junge Frau.
Der sogenannte Langstock ist sehr leicht und hat am unteren Ende eine Kugel. Bewusst und doch ein wenig zögerlich lässt Matthias Weise den Blindenstock vor sich im Halbkreis hin und her pendeln. Dabei ist der Langstock stets einen Schritt voraus und zeigt somit Gefahren oder Orientierungspunkte rechtzeitig an, das können zum Beispiel Bordsteinkanten, Treppen, Geländer oder Ampelpfosten sein. Parallel dazu setzt der 59-Jährige einen Fuß vor den anderen. Es braucht ein paar Schritte, bevor er wieder seinen richtigen Rhythmus, das Zusammenspiel von Tasten und Gehen findet. „Mal ehrlich gesagt, ich habe es mir nicht so kompliziert vorgestellt und bin froh, dass mir bei den ersten Gehversuchen jemand zur Seite steht“, sagt er.
Matthias Weise wird als Folge von Diabetes schrittweise sein Augenlicht verlieren. Der Fachmann spricht von diabetischen Retinopathie, dabei kommt es zu Veränderungen der kleinen Blutgefäße der Augennetzhaut. Schon heute kann Weise nicht mehr sehen, sondern nur Umrisse schemenhaft erkennen. Doch der Prozess der Netzhautablösung setzt sich weiter fort. „Meine Augenärztin empfahl mir daher den Blindenstock und vermittelte mir auf Rezept diesen Unterricht. Dafür bin ich Frau Fachmann sehr dankbar.“
In Zeitz hat Ekatarina Kolitscher noch eine weitere Patientin. Andere wohnen in Halle, Wittenberg, Stendal und Bitterfeld. An diesem Tag üben die beiden das Einsteigen in den Bus. „Die Haltestellen in Zeitz sind nicht behindertenfreundlich. Normalerweise gibt es für Sehschwache an der Haltestelle ein gekennzeichnetes Viereck, damit sie wissen, wo sie warten und einsteigen sollen“, sagt die Fachfrau. Auch Fußwege und Straßenüberquerungen sind in der Stadt selten behindertenfreundlich gestaltet. Umso wichtiger sei es, regelmäßige Wege zu üben. Doch mit dem markanten Gehstock in der Hand und der markanten Armbinde wird auch der Busfahrer sofort auf den Sehbehinderten aufmerksam.
Ob Matthias Weise zum Beispiel die Schritte von seinem Neubaublock bis zur Bushaltestelle zählt? „Nein“, sagt er und lacht. „Da müsste ich ja Einstein sein, um mir die vielen Wege als Zahlenkombination zu merken.“ Doch die Stufen zu seiner Wohnung zählt er. „Achtmal muss ich bis zu meiner Wohnungstür Stufen steigen.“
Von Schritte zählen hält Ekatarina Kolitscher überhaupt nichts. „Da würde sich Herr Weise viel zu sehr auf das Zählen konzentrieren und nicht auf seine Umwelt achten“, sagt sie. Ihr Wissen hat sie aus eigenem Erleben. Seit 2001 lebt die geborene Russin in Halle und ist seit dieser Zeit mit ihrem Mann verheiratet, der 2005 erblindete. Sie kennt daher viele Probleme aus ihrem eigenen Alltag. Doch sie kennt auch die enorme Willenskraft von Behinderten, denn ihr eigener Mann gewann bei den Paralympics in London eine Silbermedaille. „Der Umgang mit dem Gehstock bringt Sehschwachen wieder eine neue Lebensqualität, denn sie sind mobiler und igeln sich nicht zu Hause ein“, sagt die Trainerin.
Mehr Informationen unter www.blindenhilfe-Halle.de