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Trotz Leerstand und Verfall Zeitz: Dom- und Residenzstadt im Burgenlandkreis ist ein wunderschöne Stadt

Von Andreas Montag 16.07.2019, 06:00
Zeitz von oben. Die Luftaufnahme entstand im Jahr 2018.
Zeitz von oben. Die Luftaufnahme entstand im Jahr 2018. Andreas Stedtler

Zeitz - Was für eine wunderschöne Stadt! Wer dies über Zeitz sagt, wird von manchem, der den Ort im Dreiländereck Sachsen-Anhalts, Sachsens und Thüringens nur aus der Durchreise-Perspektive kennt, vielleicht für einen Fantasten gehalten. Oder für verrückt.

Wer aber genauer hinschaut, wird neben Zeugnissen des Niedergangs und baulichen Verfalls sowie schmerzlichen Lücken in der barocken Altstadt auch Zeichen des Aufbruchs erkennen können.

Zeitz: Bedeutende Geschichte als Industriestadt

Christian Thieme, der Oberbürgermeister von Zeitz, verwendet denn auch das beliebte Bild vom Glas, das man halbleer oder halbvoll finden kann. Als erster Bürger seiner Stadt hält er natürlich die letztgenannte Sicht für die richtige. 

Dass Thieme nicht wüsste, was die Stunde geschlagen hat, kann man jedenfalls nicht sagen - eine schöne Standuhr in der Ecke seines Amtszimmers erinnert mit sonorem Klang an die Vergänglichkeit der Zeit.

Zeitz, im mitteldeutschen Braunkohlerevier gelegen, hat eine bedeutende Geschichte als Residenz- und Industriestadt aufzuweisen. Ein bisschen ist von beidem geblieben. Das verflossene Herzogtum Sachsen-Zeitz hinterließ barocke Pracht, die allerdings teils baufällig ist.

Etliche der Häuser sind inzwischen abgerissen worden. Alten Zeitzern und Denkmalfreunden blutet das Herz deswegen. Und auch die meisten Zeugnisse der Industriekultur sind hilfsbedürftig.

Stadtentwicklungskonzept für Zeitz in Arbeit

Christian Thieme ist sich der Lage bewusst, eben wird ein Stadtentwicklungskonzept bis zum Jahr 2035 auf den Weg gebracht, dessen Kernbotschaft man kurz so fassen kann: Retten, was zu retten ist. Die Stadt, deren Bevölkerungszahl sich bei einstweilen weiter fallender Tendenz mit aktuell rund 28.000 Bürgern seit der Zeitenwende von 1989/90 halbiert hat, soll ihre verbliebene Schönheit behalten und damit attraktiver für die Einheimischen und auch für die erhofften neuen Bewohner von außerhalb werden.

Ist hier vor allem der Wunsch Vater des Gedankens? Nein, so gänzlich aus der Luft gegriffen ist der Plan nicht. Tatsächlich rechnen Soziologen damit, dass der Ballungsraum um die nahe gelegenen Städte Leipzig, Halle und Jena infolge dortiger Wohnungsknappheit und deshalb weiter steigender Miet- wie Immobilienpreise in den kommenden 20 Jahren eine zunehmend interessante Alternative bieten wird.

Voraussetzung für ein solches Szenario, von dem auch Zeitz maßgeblich profitieren könnte, ist neben einer intakten Stadt mit hoher Lebensqualität an vorderer Stelle allerdings auch eine funktionale Verkehrsinfrastruktur im mitteldeutschen Herzen. Hier hapert es erheblich.

Anschluss für Zeitz über Ausbau des S-Bahn-Netzes

Oberbürgermeister Thieme träumt vom Ausbau des S-Bahn-Netzes. Von Gera und Jena nach Halle und Leipzig führen theoretisch alle Wege über Zeitz. Nach Leipzig geht es immerhin schon direkt, 40 Minuten dauert die Fahrt. Aber nach oben, wie es so schön heißt, ist noch viel Luft.

Nicht anders sieht es beim Erhalt und Ausbau der Altstadt selbst aus. Am Brühl etwa rotten einstige Perlen mürbe vor sich hin.

„Es gibt Menschen in der Stadt, die dem Verfall in Schönheit offenbar gern zusehen“, sagt Thieme. Mit Kaufangeboten und äußersten Falles auch Zwangsversteigerungen will er gegensteuern. Und verweist zugleich auf das, was erreicht worden ist.

Der Bahnhof und das umliegende Revier sind auf Vordermann gebracht worden. In einem ruinösen Komplex des früheren Kinderwagenherstellers Zekiwa wird ein Stadtquartier mit Lofts und Geschäften entstehen. Einige der verwaisten Altbauten sind verkauft und werden saniert. „Es wird Jahre dauern, das Tief zu überwinden“, sagt Thieme. Die Standuhr schlägt den Takt dazu. (mz)

Aus diesem ehrwürdigen Haus am Brühl kann wieder etwas Schönes werden, das die historische Altstadt von Zeitz schmückt.
Aus diesem ehrwürdigen Haus am Brühl kann wieder etwas Schönes werden, das die historische Altstadt von Zeitz schmückt.
Andreas Montag