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Strukturwandel im Burgenlandkreis Uni-Außenstelle in Zeitz: Wie die Martin-Luther-Universität den Strukturwandel im Burgenlandkreis begleiten will

Was passiert, wenn Forschung direkt vor Ort stattfindet? Wie können Schüler, Unternehmen und Bürger profitieren? Jetzt den vollständigen Artikel lesen!

Von Martin Walter Aktualisiert: 10.12.2024, 09:54
Mathias Stein (links)  von der Professur für Bodenkunde und Bodenschutz der Uni Halle brachte interessierten Schüler näher, wie Böden und Pflanzen Kohlenstoffdioxid speichern.
Mathias Stein (links) von der Professur für Bodenkunde und Bodenschutz der Uni Halle brachte interessierten Schüler näher, wie Böden und Pflanzen Kohlenstoffdioxid speichern. Foto: René Weimer

Zeitz/MZ. - Der Burgenlandkreis verfügt weder über eine Universität noch über andere Hochschulen. Doch immerhin soll er im kommenden Jahr eine Außenstelle erhalten. Denn die Martin-Luther-Universität (MLU) in Halle möchte sowohl im hiesigen Landkreis, konkret am Zeitzer Neumarkt, als auch in den drei anderen vom Kohleausstieg betroffenen Kreisen Sachsen-Anhalts – Mansfeld-Südharz, Anhalt-Bitterfeld, Saalekreis – Büros eröffnen. Deren vorrangigstes Ziel soll die wissenschaftliche Begleitung dieses Strukturwandels sein.

Dafür wurde für jeden dieser Kreise eine Stelle eines „Revierscouts“ als verbindendes Element geschaffen. Im Burgenlandkreis übt die Zeitzerin Katja Wendland diesen Beruf aus. Sie war zuvor in der Stabsstelle für Strukturwandel des Burgenlandkreises tätig und besitzt daher schon Expertise in diesem Bereich. Ihren Angaben zufolge soll ihr neuer Arbeitsplatz am Zeitzer Neumarkt voraussichtlich im Februar bezogen werden können. Dort solle zudem das Projektteam „Agentur für Aufbruch“ der MLU untergebracht werden.

Emotionen der Menschen sind gefragt

Unter dem Motto „Forschung trifft Region“ fand zu den geplanten Uni-Außenstellen jüngst eine Auftaktveranstaltung in den Zeitzer Klinkerhallen statt. Sie wurde von der Abteilung mit dem sperrigen englischen Namen „European Center of Just Transition Research and Impact-Driven Transfer“ (JTC) organisiert, das heißt auf Deutsch etwa: Europäisches Zentrum für Forschung zur gerechten Transformation und wirkungsorientiertem Transfer. Die JTC ist dem Institut für Strukturwandel und Nachhaltigkeit der MLU angegliedert. Es besteht aus 17 sogenannten Innovationsteams, die sich mit unterschiedlichen Fachbereichen befassen und von denen sich drei in den Klinkerhallen vorstellten.

Bei einer Podiumsdiskussion besprachen die Strukturwandelbeauftragten wie André Zschuckelt (5.v.r.) für den Burgenlandkreis mit den Mitarbeitern der Uni Halle, wie sie voneinander profitieren können.
Bei einer Podiumsdiskussion besprachen die Strukturwandelbeauftragten wie André Zschuckelt (5.v.r.) für den Burgenlandkreis mit den Mitarbeitern der Uni Halle, wie sie voneinander profitieren können.
(Foto: Martin Walter)

Denn „der Wandel findet nicht nur in bestimmten Sektoren statt, sondern ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, wie Jan Winkler sagte, der das Team für „Strukturwandel und Partizipation“ leitet. Seine sozial- und geisteswissenschaftliche Gruppe wolle insbesondere mehr über die „emotionalen Erfahrungen“ lernen, die Menschen mit dem Strukturwandel verbinden. „Was ist Wandlungsdruck? Was sind Transformationsschmerzen? Und wie äußert sich das?“, nannte er Fragestellungen, denen sein Team auf den Grund gehen wolle. Des Weiteren seien „Geschlechterunterschiede beim Strukturwandel noch total untererforscht“, nannte er einen weiteren Punkt. Er sprach auch die Wichtigkeit von Beteiligungsformaten, beispielsweise „vor der Gründung von neuen Gewerbegebieten“, an, um die Menschen bei den Projekten mitzunehmen.

„Da sehe ich Anknüpfungspunkte“, sagte Andre Zschuckelt, der die Stabsstelle für Strukturwandel im Burgenlandkreis leitet, bei der darauffolgenden Podiumsdiskussion. Konkret sprach er das geplante Interkommunale Industrie- und Gewerbegebiet an, welches an der Autobahn 9 und Bundesstraße 91 bei Weißenfels entstehen soll und das „sehr kontrovers diskutiert“ werde. Auch er findet die „sozialwissenschaftliche Begleitung sehr wichtig“ und wolle damit herausfinden: „Wie können wir uns mehr annähern?“

Was Miesmuscheln mit Kleber verbindet

Auch mit einem weiteren „Innovationsteam“ könne sich Andre Zschuckelt eine sinnvolle Zusammenarbeit, auch mit dem Klebstoffhersteller Jowat, der unter anderem im Chemie- und Industriepark Zeitz produziert, vorstellen. Denn zuvor hatte Constanze Zwies „Designer-Proteine als biobasiertes Bindemittel“ vorgestellt, woran die Leiterin mit ihrem Team forscht. Beispielhaft nannte sie Stoffe, die Miesmuscheln aussondern, um sich damit an Steine und andere Dinge zu haften.

Das dritte Team befasst sich mit „Nachhaltigkeit und Normung“. Beim Vortrag von Teamleiter Martin Häuer wurde es für Außenstehende aber sehr speziell, als es um Dinge wie „Open-Source-Hardware“, was er am Beispiel von 3D-Druckern erläuterte, sowie die „Klassifizierung von Kunststoff-Rezyklaten“ ging. Doch auch diese Dinge werden zunehmend wichtiger, wie der Zeitzer Oberbürgermeister Christian Thieme (CDU) anmerkte. Er fand, dass während der Veranstaltung „interessante Fragen aufgeworfen wurden, die man sich im Alltag des Strukturwandels gar nicht so stellt“.

Junge Talente im Fokus: Forschung hautnah erleben

Mehrmals wurde dort auch betont, wie wichtig es sei, den jungen Menschen die Forschung nahe zu bringen. Dazu gab es bei der Auftaktveranstaltung bereits Gelegenheit. An mehreren Ständen konnten sich Schüler der Berufsbildenden Schulen (BbS) in Zeitz einen Überblick über das breite Thema verschaffen, wie Kohlenstoffdioxid-Emissionen am besten reduziert werden können.

Torsten Hölscher vom Physik-Institut der MLU zeigte ihnen beispielsweise die Wirkungsweise von Solarzellen und wie sich die unterschiedlichen Wellenlängen vom infraroten über den sichtbaren Bereich bis hin zu ultraviolettem Licht darauf auswirken. Mit der Solarzelle wurde eine Kaffeetasse erwärmt. „Sowas machen wir auch manchmal im Labor“, sagte Torsten Hölscher grinsend.

Der Schüler Jannik Munkelt, der in Hohenmölsen wohnt, zeigte sich von dem Experiment angetan: „Ich finde es interessant, wie Solarzellen funktionieren. Und es ist erstaunlich, wie viel Energie Licht abgibt und wie das mit der Wellenlänge zusammenhängt“, so der 17-Jährige.