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Trauer um Zeitzer Pilzexperte Trauer um Zeitzer Pilzexperte: Wolfgang Schindler ist im Alter von 84 Jahren gestorben

30.04.2020, 12:00
Ein Foto aus dem Sommer des Jahres 2010: Das Leben von Wolfgang Schindler war untrennbar mit der Pilzkunde verbunden.„Auf gut Glück zu handeln, ist fahrlässig“, sagte er.
Ein Foto aus dem Sommer des Jahres 2010: Das Leben von Wolfgang Schindler war untrennbar mit der Pilzkunde verbunden.„Auf gut Glück zu handeln, ist fahrlässig“, sagte er. Hartmut Krimmer

Zeitz - Als passionierter Mykologe prägte Wolfgang Schindler die Pilzkunde vor allem im einstigen Landkreis Zeitz. Wolfgang Schindler war Lehrer und Naturfreund. Am 9. April ist er kurz vor Vollendung seines 85. Geburtstages gestorben. Rainer Patzer und Michael Unruh, Freund und Kollege, sind die Autoren des Beitrags. Sie erinnern an ihn.

Zeitzer prägte Pilzkunde in der Region wie kein anderer

Wolfgang Schindler (18. August 1935 - 9. April 2020) prägte die Pilzkunde unseres Kreises und als hoch geschätzter sowie beliebter Lehrer für Biologie die Bildung und Erziehung viele Schülergenerationen am Zeitzer Geschwister-Scholl-Gymnasium.

Seiner unermüdlichen Tätigkeit als Pilzkenner und staatlich bestelltem Pilzberater ist es wesentlich zu verdanken, dass die Kenntnisse über die in der näheren Umgebung von Zeitz vorkommenden Pilze umfassend erweitert worden sind. Ungleich gewichtiger aber sind seine Verdienste um Aufklärung und Gesundheit.

Wolfgang Schindler hatte viele Ratsuchende

Ein großer Teil der Bevölkerung des Landkreises und der Stadt Zeitz wandten sich ratsuchend an ihn, wenn es darum ging, den Inhalt eines Pilzkorbes zu begutachten. Unvorstellbar ist die Bilanz dieser Beratungen, die den Pilzunkundigen mit dem Wissen um die Schwierigkeit korrekter Bestimmung entließen: 10.000 individuelle Beratungen und 70.000 Bestimmungen von Pilzen sind aus seiner aktiven Pilzberatertätigkeit belegt; davon war ein nicht unbeträchtlicher Anteil lebensrettend oder vermied durch Pilzvergiftungen ausgelöste Leiden.

Beratung und Aufklärung der Bevölkerung nahmen einen Teil seiner umfassenden ehrenamtlichen Aufgaben in Anspruch; Pilzausstellungen für eine interessierte Öffentlichkeit waren darüber hinaus in aller Munde und Höhepunkte im Jahr. Die Geschichte dieser Ausstellungen reicht bis in die 1970er Jahre zurück.

Zeitzer Mykologen um Wolfgang Schindler versetzten die zahlreichen Besucher in Staunen

Ob das einstige Gesundheitsamt am Nicolaiplatz, das bis zum Brand 1991 bestehende Haus der Pioniere, der Kulturraum der Firma Autrak oder ab 1992 der Saal im Seniorenheim am Schützenplatz und schließlich das Rathaus der Stadt Zeitz - die Zeitzer Mykologen um Wolfgang Schindler versetzten die zahlreichen Besucher in Staunen ob der Artenvielfalt großer oder winziger Pilze in den heimischen Wäldern.

Man kann sich gut vorstellen, dass viele Besucher unter dem Eindruck der Reichhaltigkeit an Arten, ihrer Schönheit und auch ihrer Verwendung als Nahrungsmittel Freunde der Pilze auf Lebenszeit wurden, mindestens aber blieben unvergessliche Eindrücke zurück.

Unterrichtsstunden und Exkursionen des Pilzexperten blieben Schülern unvergessen

Dieses Anliegen der lehrreichen Vermittlung und Interesse weckender Anregung prägten auch sein berufliches Wirken als Pädagoge. Wolfgang Schindler war ein herausragender Fachlehrer, seine Unterrichtsstunden und Exkursionen blieben vielen ehemaligen Schülern unvergessen. Das dabei vermittelte Wissen war nie Selbstzweck, sondern fand stets Einbindung in die heimatliche Natur, in Landschaft, Geologie und Geschichte.

Es gab und gibt wohl nur wenige, die als Lehrer mit ebensolcher Sachkenntnis die Inhalte und Zusammenhänge der Biologie vermitteln und nahebringen konnten wie er. In seinen Ausführungen und Vorträgen ging von Wolfgang Schindler eine einnehmende und sich übertragende Ruhe aus – auch von ihm als Mensch. Er stand und argumentierte stets ruhig – und schaute auf die Welt der Natur, die sich stets wandelt, verändert, bewegt.

Unterstützung durch eine kleine Schar Zeitzer Mykologen

Von seinen Kollegen und Kooperationspartnern wurde Wolfgang für seine strukturierte Arbeitsweise, das klare Urteilsvermögen, die Gewissenhaftigkeit sowie sein stets überlegtes Auftreten sehr geschätzt. Wolfgang Schindler hatte als junger Absolvent der Pädagogischen Hochschule natürlich Vorbilder und Lehrer, auf deren Schultern er sich sein Wissen aneignen konnte.

Dazu gehört die alte Naturforschergeneration, die mit den Namen Richard Leißling, Gerhard Großmann (Droyßig), Erich und Giselher Künstler (Zeitz) verbunden sind. Wolfgang Schindler erfuhr in den Jahrzehnten seiner unermüdlichen Hingabe an die Vermittlung von Wissen vor allem durch seine Frau Ursula - sie war Wolfgang als ebenfalls staatlich anerkannte Pilzberaterin immer eine große Hilfe und auf diesem Gebiet ihm ebenbürtig - sowie durch eine kleine Schar Zeitzer Mykologen vielfältige Unterstützung.

Zahlreiche Veröffentlichungen

Unerwähnt blieb bisher seine publizistische Aktivität, die in ungezählten Beiträgen zu einzelnen Pilzarten im Jahresverlauf eines „Pilzjahres“ zu Buche schlug. Vor allem zwischen den Jahrhunderten- so etwa von 1991 bis 2003, widmete er sich seinen Lieblingen mit Artikeln, die an Lebendigkeit, Informationen und detaillierten Schilderungen kaum zu übertreffen sind. Diese noch heute lesenswerten Beiträge sind eine Fundgrube an Kenntnissen über Biologie und Nutzung meist auffälliger und imposanter Arten, nicht ohne eine Spur von Humor und Kurzweil geschrieben.

Die Beiträge waren immer getragen von einer klaren Sprache, er war nie ein Autor, der dem Leser nur ein paar schmackhafte Worthülsen anzubieten hatte. Er redete und schrieb in seinen vielen Beiträgen für die Öffentlichkeit nicht über Probleme, sondern über Phänomene und bot fundierte Erklärungen und Interpretationen. In der Bibliothek des Museums Schloss Moritzburg Zeitz sind diese Beiträge aufbewahrt.

Nur wer selbst brennt, kann andere entflammen. So kann man Wolfgang Schindlers Umtriebigkeit in Schule und Ehrenamt kurz in Worte fassen. Wolfgang Schindler hat sicher mit seinem Lebenswerk ein großes Stück dazu beigetragen, dass Generationen von Schülern mit dem Wissen um die Verletzlichkeit der Natur in das Erwachsenleben entlassen wurden.

Er verstand es, mit einer Prise Humor und einer nicht hoch genug zu schätzenden Eigenschaft, die mehr und mehr verloren zu gehen scheint – Bescheidenheit - die Zusammenhänge von Pflanze und Umwelt, die Bedingtheit von Natur und Kultur, auf eine unübertroffene Art und Weise zu vermitteln. Ob in Schule, im Umkreis von Familie, Kollegen und Freundeskreis waren seine Worte mit der Hoffnung verbunden, dass trotz aller Rückschläge die Vernunft unser Handeln bestimmen wird. (mz)