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Schweres Zugunglück von 1946 Schweres Zugunglück von 1946: Augenzeugin erinnert sich an die schreckliche Tragödie

Von Angelika Andräs 15.11.2020, 13:00
Viele Flüchtlinge und Umsiedler waren noch 1946 unterwegs.
Viele Flüchtlinge und Umsiedler waren noch 1946 unterwegs. DPA

Zeitz/Tröglitz - Am 1. November 1946 kam es zu einem schweren Zugunglück: Es entgleiste im Bahnhof Tröglitz ein Personenzug, der Umsiedler und Flüchtlinge aus den ehemals von den Nazis eroberten Gebieten nach Deutschland transportierte. Gerade diese Menschen, die auf der Flucht waren, traf das Unglück hart: Über 30 Menschen starben, auch Kinder waren unter den Opfern.

Zwei schwere Eisenbahnunglücke 1946

Viele Schwerverletzte wurden ins Zeitzer Krankenhaus transportiert und Mitarbeiter der Brabag und Bauern aus den umliegenden Dörfern leisteten Erste Hilfe. Einer der ersten, die wieder an dieses Unglück und das Datum erinnerten, war vor 25 Jahren der bereits verstorbene Zeitzer Heimatforscher Rolf Zabel.

„Gleich in den ersten Nachkriegsjahren ereigneten sich im damaligen Kreis Zeitz zwei schwere Eisenbahnunglücke, beide auf der Strecke Altenburg-Zeitz“, recherchierte und schrieb er in der MZ, „das schwerste Unglück geschah am 1. November 1946 auf der Station Tröglitz. Ein voll besetzter Personenzug fuhr auf einen Prellbock auf, die Lokomotive entgleiste, und zwei folgende Personenwagen wurden zertrümmert.“

Schweres Unglück durch menschliches Versagen

Zabel präzisierte die Zahlen: Bei dem schweren Unglück kamen seinerzeit 30 Menschen ums Leben. Die Zahl der Verletzten betrug 19 Personen. Das Hauptgleis der Eisenbahnstrecke wurde für sechs Stunden gesperrt. „Das Unglück ereignete sich in den frühen Morgenstunden, zwei Hilfszüge der Deutschen Reichsbahn aus Halle nahmen bei Scheinwerferlicht die Aufräumungsarbeiten auf“, schilderte er, „den Verletzten wurde noch am Unfallort Erste Hilfe geleistet, einige wurden ins Zeitzer Krankenhaus gebracht.

Die Ermittlungen zu dem Zugunglück wurden umgehend aufgenommen. Menschliches Versagen wurde als Ursache ermittelt.“ Die alten Unterlagen verraten genaueres. Demnach wurde der ankommende Zug vom Streckenfahrtenleiter dem Bahnhof Tröglitz gemeldet, jedoch durch eine Fehlleitung auf ein falsches Gleis dirigiert. Mit fatalen Folgen, denn so fuhr der in voller Fahrt befindliche Zug mit voller Wucht auf den Prellbock. „Die Räder der Dampflokomotive gruben sich bis über die Achsen in das Erdreich ein.

Verantwortlichen verhafteten sofort den Fahrdienstleiter

Der Tender wurde hochgehoben, so dass die folgenden beiden Personenzugwagen zusammengeschoben und völlig zertrümmert wurden“, entnahm Zabel zeitgenössischen Schilderungen. Das Tragische sei gewesen, dass es sich bei diesem Zug um einen sogenannten Umsiedlerzug gehandelt hat. „Es war der letzte Umsiedlerzug des Jahres 1946 aus der Tschechei. Er sollte über Zeitz weiter nach Thüringen geleitet werden.“

Damals wurden die Ermittlungen von der Zeitzer Kommandantur der sowjetischen Streitkräfte geführt. Die Verantwortlichen verhafteten sofort den Fahrdienstleiter, ein anderer verantwortlicher Beamter hatte die Flucht ergriffen. Am 11. November 1946 fand in Zeitz eine zentrale Trauerfeier statt.

Kein Gedenkstein für Opfer des Unglücks

Ein weiteres Eisenbahnunglück ereignete sich am 26. Februar 1947 um 5 Uhr morgens, wiederum auf dem Bahnhof Tröglitz. „Ein Güterzug, aus Richtung Rehmsdorf kommend, stieß am Bahnhof Tröglitz auf den dort haltenden Arbeiter-Personenzug, wobei zwei Personenwagen zusammengedrückt wurden. Hierbei wurden 70 Personen verletzt. Tote gab es nicht“, wusste Zabel über dieses Unglück.

Die Erinnerungen an das Unglück vom November 1946 haben sich immer noch bei dem einen oder anderen erhalten. Vor sechs Jahren erinnerte David Thärichen aus Meuselwitz an das Unglück und suchte Menschen, die sich vielleicht noch daran erinnern. „Mir war diese Geschichte lange unbekannt, erst durch Zufall entdeckte ich in einem Buch diesen Fakt“, so Thärichen, „mich wundert nur, dass nicht einmal ein Gedenkstein oder ähnliches an die Opfer erinnert.“

Als Augenzeugin von Ort

Aus den Meldungen in der damaligen Tageszeitung Freiheit war noch etwas mehr zu erfahren. Am 5. November 1946 war zu lesen:
Ein schweres Eisenbahnunglück ereignete sich in den frühen Morgenstunden des 1. November 1946 auf der Strecke Zeitz-Altenburg. Unfallhergang und Ursache werden, wie schon von Zabel beschrieben, bestätigt. „Der Generaldirektor der Reichsbahn, Besener, begab sich sofort an die Unfallstelle“, heißt es weiter. Die Zahl der Toten wird mit 28, die der Verletzten mit 19 angegeben.

Ihre Erinnerungen teilte 2014 Gisela Metzsch mit der MZ. Die 1946 gerade einmal 14-Jährige war vor Ort. Ihre Tochter Monika Schmidt aus Zeulenroda-Triebes berichtete, wie die 82-Jährige, die die Mitteldeutsche Zeitung weiterhin las, von dem Beitrag aufgewühlt war und wie sie sich erinnerte: Am 1. November 1946 wollte die 14 Jahre alte Gisela Grunert mit dem Fahrrad von Langendorf nach Zeitz zu ihrem ersten Arbeits- beziehungsweise Ausbildungstag in die Firma Etzold & Baeßler KG (Batteriefabrik).

Nachfahren überlegen einen Gedenkstein an Opfer des Zugunglücks aufzustellen

Sie freute sich auf den Tag. Als sie in Höhe der Eisenbahnbrücke Tröglitz/Maßnitz ankam, sah sie das Unglaubliche. Wie sie ihrer Tochter erzählte, ereignete sich der Unfall nicht im Bahnhof Tröglitz, sondern kurz vor der Eisenbahnbrücke. Beschrieben hat sie das Geschehen so: „Ein ohrenbetäubender Knall, dazu der Anblick, wie sich die Lok und die Waggons ineinander verkeilten.“ Wie hypnotisiert rollte ihr Fahrrad vorwärts. Auf einmal sprang sie vom Rad, weil vor ihr die Leute aus den Waggons „purzelten“. Mit ihren 14 Jahren musste sie mit ansehen, wie die Leichen neben ihr, vor ihr, hinter ihr aufgeschlagen sind.

Sie musste zur Seite springen, damit sie die Toten nicht direkt abbekommen würde. „Es war furchtbar für die 14-jährige Kinderseele, die doch gerade erst die Schrecken des Krieges hinter sich gelassen hat“, sagte ihre Tochter. Auch zwei Nachfahren von Verunglückten haben Kontakt aufgenommen. Sie überlegen, sagte Annemarie Tretschka am Telefon, wie man das Aufstellen eines Gedenksteins initiieren könne. „Bald lebt niemand mehr, der sich erinnert, und vergessen - das darf eigentlich nicht sein.“