„Hartz, Rot, Gold“ RTL2-Sendung über Weißenfelser Neustadt - wie der Sender die Teilnehmer auswählte
RTL2-Sendung „Hartz-Rot-Gold“ zeigt Leben von Bürgergeldempfängern aus Weißenfelser Neustadt. Wie die Protagonisten ausgewählt wurden und wie man seitens der Stadt auf die Ausstrahlung blickt.
Weißenfels - Arbeitslosigkeit, Kriminalität und soziale Verwahrlosung - in vielen deutschen Städten gibt es Brennpunkte mit diesen Problemen. Jetzt nimmt ein Trash-TV-Format zu diesem Thema die Stadt Weißenfels ins Visier. Genauer gesagt die Weißenfelser Neustadt. „Hartz, Rot, Gold - Armutskarte Deutschland“ heißt die RTL2-Sendung, deren neue Staffel ab dem 26. März startet und von der Produktionsfirma „Filmreif TV“ aus Hamburg produziert wird.
Der Inhalt wird von dem Sender wie folgt beschrieben: „In drei neuen Folgen zeigt die Sozialreportage das Leben von Bürgergeldempfängern aus Weißenfels. Einst berühmt für seine Schuhproduktion, dominieren heute Arbeitslosigkeit, Kriminalität und soziale Verwahrlosung das Stadtbild. Jeder vierte Einwohner der Weißenfelser Neustadt lebt von Bürgergeld. Das Format begleitet den Alltag der Menschen im Viertel - mit allen Höhen und Tiefen.“
Sendung kein Protrait von Weißenfels
Wie ein Sendersprecher auf MZ-Nachfrage mitteilt, wurde in insgesamt sieben Haushalten der Weißenfelser Neustadt gedreht. Die Protagonisten wurden etwa zwei Jahre lang begleitet. Doch wie kam man überhaupt auf Weißenfels als Drehort? „Im Rahmen von Dreharbeiten in der Stadt wurde man auf den Brennpunkt-Bezirk Neustadt aufmerksam“, so der Sprecher. Die Suche nach Protagonisten sei über Kontakte zu örtlichen Sportverbänden, karitativen Verbänden, der Stadt sowie durch „intensive Recherche vor Ort“, erfolgt. Wie der Sender betont, stelle die „Sozialreportage“ kein Porträt von Weißenfels dar. „Es werden Menschen in dem sozialen Brennpunkt der Neustadt begleitet und gezeigt, wie sie mit der harten Realität kämpfen und trotz aller Schwierigkeiten versuchen, sich ihre kleinen Wünsche und Träume zu erfüllen.“
Mit gemischten Gefühlen schaut Stadtrat und Sozialarbeiter Mario Kabisch-Böhme auf die RTL2-Ausstrahlung. „Die Menschen in der Neustadt pauschal mit dem Stigma von Kriminalität, Arbeitslosigkeit und sozialer Verwahrlosung zu versehen, ist grundfalsch“, so Kabisch-Böhme. „Es gibt sehr schöne Ecken in der Neustadt und viele Menschen sind stolz darauf, dort zu leben.“ Man dürfe natürlich nicht die Augen vor den Problemen verschließen, die es zweifellos gibt. Aber: „Ob die Reportage dazu dient, diese abzubilden, ist fraglich. Ich befürchte, dass hier ein verzerrtes Bild der Neustadt dargestellt wird.“ Was er noch verwerflicher findet: „Menschen, die schon genug Probleme haben, werden so ins mediale Schaufenster gestellt. Die Frage ist, ob die Protagonisten sich über die Folgen im Klaren sind. Gerade was die Reaktionen nach der Ausstrahlung in den sozialen Netzwerken angeht.“
Sendung geht zu Lasten einzelner Lebenssituationen
Ähnlich kritisch äußert sich der Weißenfelser Oberbürgermeister Martin Papke (CDU) mit Blick auf die Ausstrahlung. Er halte von dieser Sendung nichts, „weil sie zu Lasten einzelner Lebenssituationen den Profit und die Zuschauerzahlen generieren.“ Das sei nicht sein Verständnis von ordentlicher Berichterstattung. „Ich stelle die Würde des Menschen in den Mittelpunkt und nicht defizitäre Aspekte.“ Das gleiche gelte für die Stadt: „Weißenfels hat viel mehr zu bieten als das Bild, das RTL2 zeichnet.“
Ein Bild, das womöglich die Stadt insgesamt pauschal in ein schlechtes Licht rücken könnte? „Ich halte nichts davon, Tagesberichte als Langzeiteffekt zu betrachten“, so Papke. „Meine Aufgabe ist es, weiterhin zusammen mit den Stadträten und der Bewohnerschaft an der Entwicklung der Neustadt zu arbeiten. Das ist mein Maßstab, und nicht eine Berichterstattung von RTL2. Wir können stolz darauf sein, was wir in den vergangenen Jahren schon geleistet haben.“
Interessierte erkennen wahre Qualität der Stadt
Darunter zählt beispielsweise die sanierte Weinbergstraße, der Pendler-Parkplatz am Bahnhof, die Ausrufung eines Sanierungsgebiets Neustadt, die es erleichtern soll, Immobilien für künftigen Wohnraum zu sanieren - in der Hoffnung, Zuzügler aus der Region in die Saalestadt zu locken.
„Ich gehe davon aus, dass diejenigen, die ein echtes Interesse an Weißenfels als künftigen Lebensmittelpunkt haben, für sich differenzieren können, was die wahre Qualität der Stadt Weißenfels ausmacht“, gibt sich Papke zuversichtlich. Auf die Frage, ob er sich die RTL2-Sendung trotzdem anschauen wird, lautet seine Antwort: „Ich habe keinen Fernseher.“