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Erinnerungen an die Wende in Zeitz Neue Lehrer, alte Bücher: Was in Zeitz und Tröglitz um 1990 anders wurde - aus Sicht eines Kindes

In und an den Schulen veränderte sich um 1990 einiges rund um Zeitz, zum Beispiel in Tröglitz. Erinnerungen an Mitschüler und Lehrkräfte blieben. Welche Erlebnisse sich einprägten.

Von Petrik Wittwika 09.02.2025, 10:00
In der spiegelverglasten Garderobe vor dem großen Saal im Haus der DSF konnte man sich perfekt zurechtmachen für den Faschingsspaß.  Der große Fasching fand in den Winterferien 1990 für Schüler statt.
In der spiegelverglasten Garderobe vor dem großen Saal im Haus der DSF konnte man sich perfekt zurechtmachen für den Faschingsspaß. Der große Fasching fand in den Winterferien 1990 für Schüler statt. Foto: Archiv Petrik Wittwika

Zeitz/MZ. - Zeitzeugen-Blick auf die Zeit 1989/90 – oder woran sich ein „Wendekind“ erinnert, darum geht es in den folgenden Beiträgen. Und dabei auch um die Veränderungen im Bildungssystem.

Veränderungen vollzogen sich auch im Schulalltag. Eine Mitschülerin, die im Dorf Maßnitz lebte, verzog rasch nach der Grenzöffnung noch während der zweiten Klasse mit ihren Eltern ins „viel gelobte Land“, nämlich nach Soest im westdeutschen Bundesland Nordrhein-Westfalen. Verabschiedet wurde Diana von ihren Mitschülern mit zahlreichen Wunschzetteln, die jedoch nie erfüllt wurden. Gehört hatte in der Folgezeit niemand mehr etwas von dem Mädchen.

Wie in Tröglitz bei Zeitz Lehrer wechselten

Nicht in den „Westen“, aber nach Dessau verzog die Klassenlehrerin Frau Schulz, die ihren Abc-Schützen mit viel Feingespür das notwendige Wissen sicher beigebracht hatte. Im zweiten Halbjahr der Klassenstufe 2 übernahm deshalb eine blutjunge Lehrerin die Klassenleitung, die ihre pädagogische Arbeit ebenfalls hervorragend verstand. Da sie gleichzeitig ausgebildete Pionierleiterin war, musste sie am Schuljahresende ihre Tätigkeit aufgeben. Das wiederum bedeutete einen erneuten Klassenleitungswechsel.

Obwohl wegen ihrer Staatsnähe und der damit verbundenen politischen Aufgaben an der Tröglitzer Schule zu DDR-Zeiten kurzzeitig zu Beginn der dritten Klasse die Entlassung auch dieser erfahrenen Lehrerin aus dem Schuldienst im Raum stand, hielt sich die Ungewissheit in Grenzen. Die neue Klassenlehrerin blieb uns in den folgenden zwei Jahren erhalten und unterrichtete bis zu ihrem frühen Tod im Mai 1995 weiterhin an der Grundschule in Tröglitz.

Die Oberschule in Tröglitz trennte sich im Herbst 1990 von ihrem langjährigen  Beinamen „Kalinin“ und ließ den Schriftzug entsprechend von der Fassade des Gebäudes entfernen.
Die Oberschule in Tröglitz trennte sich im Herbst 1990 von ihrem langjährigen Beinamen „Kalinin“ und ließ den Schriftzug entsprechend von der Fassade des Gebäudes entfernen.
Foto: Archiv Petrik Wittwika

In der dritten Klasse im Jahr 1990 gab es dann bei Frau Müller im Matheunterricht auch das erste kopierte Arbeitsblatt mit einer spielerischen Rechenaufgabe eines westdeutschen Schulbuchverlages, deren Lösung den kuriosen Tiernamen „Schibwura“ ergab.

Zu wirklich einschneidenden Veränderungen in der Bildungslandschaft kam es erst in den Jahren 1991/92, nachdem auch neue Lehrpläne in Kraft getreten waren und an die Stelle des Ministeriums für Volksbildung das Kultusministerium des jeweiligen Bundeslandes getreten war. Viele ältere Lehrerinnen und Lehrer, die hoch in den Fünfzigern ihres Lebens standen oder um die 60 Jahre alt waren und bisweilen auch einige, die 30 bis 40 Jahre vorher als „Neulehrer“ oder „Quereinsteiger“ angefangen hatten, wurden 1991 an der Tröglitzer Schule in den Vorruhestand verabschiedet. Darunter befanden sich beliebte „Pauker“ wie Hubert Lorbeer (1932-2024), der Biologie, Chemie und auch Schulgarten stets mit einer guten Portion Humor und Lebensfreude unterrichtete. Legendär ist sein Witz vom Bienenstich in die Mädchenbrust, den er immer wieder vor seinen Schülern in Biologie zum Besten gab.

Tagesausflug von Zeitz in den Westen

Für langjährige Lehrer wie Roland Warta (1929-1999) war ein Unterrichten nach den nun geforderten Maßstäben und dem Inkrafttreten der neuen Lehrpläne nach westdeutschem Vorbild ohnehin nicht mehr mit seiner Auffassung vom Lehren und Lernen vereinbar. Seit Anfang 1950 hatte er in Tröglitz Generationen von Schülern und damit auch das Bild der Schule geprägt. Geografie unterrichtete er nicht wie ein Neben-, sondern aus seiner festen Überzeugung heraus, wie im Grunde alle seine erteilten Fächer, straff und prall gefüllt mit Wissen als „Hauptfach“.

Zu einer frühen Berührung mit der BRD kam es schulisch auch mit einem Tagesausflug in den Freizeitpark Geiselwind in der dritten Klasse 1990. Im Anschluss an die Reise wurde das Ganze als Zeichnung, welche natürlich die gigantisch wirkenden Fahrgeschäfte festhielt, verarbeitet, die sogar im neuen Tröglitzer Gemeindeblatt „Blickpunkt“ abgedruckt wurde.

Arbeitsblätter gab es im Unterricht in bescheidenem Umfang auch bereits zu DDR-Zeiten –  aus einem eigens für den Lese- und Schreiberwerb erarbeiteten Arbeitsblock.
Arbeitsblätter gab es im Unterricht in bescheidenem Umfang auch bereits zu DDR-Zeiten – aus einem eigens für den Lese- und Schreiberwerb erarbeiteten Arbeitsblock.
Foto: Petrik Wittwika
Das Lesebuch für die 3. Klasse des Schuljahres 1990/91 beruhte noch auf den Lehrplänen des Ministeriums für Volksbildung der DDR und kostete 2,20 Mark.
Das Lesebuch für die 3. Klasse des Schuljahres 1990/91 beruhte noch auf den Lehrplänen des Ministeriums für Volksbildung der DDR und kostete 2,20 Mark.
Foto: Petrik Wittwika

Zeitgleich hatte die Tröglitzer Oberschule ihren langjährigen Beinamen „Kalinin“ abgelegt und den Schriftzug von der Fassade entsprechend entfernen lassen.

Die Schulbücher vom Verlag Volk und Wissen für die dritte Klasse 1990/91 waren inhaltlich und auch hinsichtlich ihrer Illustration noch ganz dem Geist der DDR verpflichtet, wobei der Gedanke des Friedens in den Texten des Lesebuches eine tragende Rolle einnahm. Fortsetzung folgt