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Karneval Karneval: Jecken toben durch die Stadt

Von Torsten Gerbank 16.11.2003, 18:19

Zeitz/MZ. - Gleich mit dem ersten Wunsch, den das abwesende (weil im Urlaub befindliche) Stadtoberhaupt von Ordnungsamtsleiter Lutz Richter am Samstag auf dem Altmarkt verkünden ließ, ging er aufs Ganze. Wünschte er sich doch, dass er am 25. Februar einen Stadtrat zurückerhält, der nicht nur unmögliches fordert, sondern auch in der Lage ist, es umzusetzen. Wunsch Nummer zwei war es, Zeitz nach außen positiv darzustellen. Begehr Nummer drei ging an die Bürger, sie sollen die Landesgartenschau im kommenden Jahr optimistisch begleiten, sich aber weiterhin kritisch mit dem Geschehen rund um die Stadt, den Stadtrat und die Verwaltung auseinandersetzen.

Bevor jedoch der als Obergärtner auftretende Richter auf der Bühne zu Wort kam und den Narren für die nächsten 107 Tage die Regierungsgewalt übertrug, sorgten die Freunde des Faschings auf den Zeitzer Straßen für Stimmung. Sie bescherten der Stadt an der Weißen Elster bei strahlendem Sonnenschein einen Karnevalsumzug, wie ihn Zeitz noch nicht erlebt hat. Gut eineinhalb Stunden zogen die Jecken von der Hainichener Dorfstraße aus über Bonhoeffer- und Gleinaer, Bebel- und Schützenstraße zum Altmarkt. 36 Vereine und Gewerbetreibende aus der Region beteiligten sich und kamen zu Fuß, in Kutschen, auf Wagen und Motorrädern. "Es war Spitze", stellte denn auch Matthias Pfützner, Cheforganisator und Elferratsvorsitzender des Zeitzer Carneval Vereins "Grün Weiß", zufrieden fest.

Bei ihrem bunten Zug durch die Straßen ließen es die Narren so richtig krachen. Sie sangen und tanzten, schleuderten kiloweise Bonbons durch die Luft, beköstigten die Schaulustigen am Straßenrand mit Wein, Glühwein, Bier, Würstchen und Hörnchen. Die Narren zeigten sich zur Eröffnung der fünften Jahreszeit, wie Narren sein müssen: ausgelassen, ohne Scheu vor jedweder Obrigkeit, immer bereit, den Alltag auf die Schippe zu nehmen.

So taten es auch Mitstreiter des Heimatvereins Aue-Aylsdorf. Detailgetreu bis hin zu den Pferdeköpfen schlüpften sie in die Rolle der Schlucker vom Rossmarkt - und prangerten die schlechte Vermarktung der Innenstadt an: "Schuld ist nicht die Roßmarktgang, Zeitz fehlt gutes Marketing!" verkündeten sie. Derber, doch gleichsam mit Hintergrund, war der Spruch der Pub-Nasen: "Zeitz ist geil - poppen statt jobben", meinten sie. Als Vögel von der "Elsteraue" kamen die Mitglieder des Heimatclubs Tröglitz daher und wollten die Bereitschaft demonstrieren, Zeitz einzuheimsen.

Als guter Beobachter mit spitzer Zunge und Feder erwies sich einmal mehr Georg Stibale vom Zeitzer Carneval Verein. Als "Protokoller" ließ er noch einmal Geschehenes mit karnevalistischem Blick Revue passieren. Er stellte unter anderem fest, dass in Zeitz die Theater spielen, die davon eigentlich gar nichts verstehen. "Die Bühne ist groß: Rathaus und Stadt. Ein anderes Theater wird nicht gebraucht, das macht man halt platt", brüllte er den Massen auf dem Altmarkt entgegen und hatte die Lacher auf seiner Seite. Und auch die Landesgartenschau, deren Maskottchen "Zeila" gemeinsam mit Lichterfee und "Obergärtner" Richter in einem Mercedes-Mannschaftswagen aus dem Jahr 1942 den Umzug anführte, blieb nicht ungeschoren. "Wenn Zeila auftaucht, dann weiß jeder Optimist, dass in Zeitz der Wurm drin ist."

Der fünfjährige Florian Viehweger hatte sich gemeinsam mit Mutter Annett (29), Vater Holger (34) und seiner eineinhalbjährigen Schwester Cilly am oberen Teil der Bonhoefferstraße postiert, um den bunten Zug der Narren zu begutachten. Ziel des als Indianer verkleideten Jungen war es, möglichst viele Bonbons zu erhaschen. Annett Viehweger freute sich, dass in Zeitz mal wieder was los ist. Und sie schloss nicht aus, dass sich die Familie dem Zug anschließt. Aus dem Winken kamen auch Johann und Irmgard Herrmann nicht heraus. Das Seniorenehepaar stand in der Straße weiter unten am Rand. Es freute sich, dass die Narren erstmals Zeitz-Ost in ihren Zug einbezogen.