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Heinrich-Schütz-Tage Heinrich-Schütz-Tage: Kirche voller Klangerlebnisse

30.09.2002, 15:04

Weißenfels/MZ/mütau. - "Per choros", mehrchöriges Musizieren in Venedig und Dresden, so war das Konzert am Sonntag in der Marienkirche überschrieben. Ebenso wie zur Eröffnung mit dem Dresdner Kreuzchor am Freitagabend und zum Wandelkonzert am Sonnabendvormittag war das Gotteshaus Schauplatz der 5. Mitteldeutschen Heinrich-Schütz-Tage in Weißenfels.

In dem Sonntagskonzert konnten die Zuhörer Glanz und Pracht der Musik venezianischer Meister des 17. Jahrhunderts, wie Giovanni Gabrieli (1557-1612) und Claudio Monteverdi (1567-1643), ebenso erleben wie die eindringliche musikalische Andeutung des biblischen Wortes durch Heinrich Schütz (1585-1672). Der Dresdner Kammerchor in Verbindung mit dem Ensemble Alte Musik Dresden musizierte unter der souveränen Leitung Hans Christoph Rademanns in virtuos aufeinander abgestimmter und sich ergänzender Vielfalt. Glockenhelle, klare Frauen- und modulationsreiche Männerstimmen vereinigten sich zu vollkommener Einheit in den doppelchörigen dramatischen Motetten Gabrielis. Sie erfüllten den hohen Kirchenraum, getragen vom weichen Klang der Barockinstrumente (Violinen, Gamben, Posaunen, Zinke und Orgel). Selten konnte das Durchdringen der italienischen und deutschen Musikstile wie in diesem Konzert beobachtet werden. Von Gabrieli, dem Organisten an St. Marco in Venedig, lernte Schütz in jungen Jahren die Mehrchörigkeit kennen, das heißt, das Musizieren in vokalen und instrumentalen Gruppen unterschiedlicher Größe und Besetzung.

Sie musizierten von verschiedenen Seiten des Kirchenraumes aus und durchdrangen ihn in glanzvoller Fülle. Diese Anregung hat Schütz lebenslang in seinen Kompositionen beeinflusst, jedoch "übersetzte" er sie in deutsche Musikpraxis. Seine eindrückliche und dramatische Auslegung biblischer Texte sollten die Hörer in bewegender, emotional überhöhter Stufe des Erlebens erreichen, trösten und erheben. Breit und schmerzlich berührten die Klagen der gefangenen Israeliten "An den Wassern Babylons", die sich in jauchzende Freude im Gedenken an Zion wandelten. Zorn und Aufbruch, Ergebung und Demut wurden musikalisch mit virtuoser Klangkultur und sichtbarem "Miterleben" dargeboten.

Glanzvoll und klangüppig, von fast erschreckender Schönheit wurden die drei Teile der "Marienvesper" von Monteverdi gestaltet, die durch die aufflammenden Emotionen die Nähe zur Oper verrieten. Neben Gabrielis Vokalwerken gestalteten sich seine zwei "Canziones" zu erlesenen Klangerlebnissen im Wechsel der Streicher- und Bläserchöre und deren reizvoller Mischung. Das abschließende "Deutsche Magnificat" schrieb der greise Schütz kurz vor seinem Tode in seinem nahegelegenen Wohnhaus.

Wie ein Vermächtnis des alten Meisters an die Heutigen erklang das Werk, in dem er seine Lebenserfahrung in einer großen musikalischen Aussage zusammenfasst: dass die Gewaltigen vom Thron gestoßen, die Niedrigen erhöht und die Hungrigen mit Gütern erfüllt werden. Der Beifall für dieses hochkarätige Konzert unter einer großartigen Leitung war langanhaltend.