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Wittenberg Wittenberg: Texaner im Gartenreich und im Fläming auf Spurensuche

Von ANDREAS HÜBNER UND HEIDEMARIE GRZECH 06.07.2010, 17:50

WÖRLITZ/SERNO/MZ. - "Taufbecken und Grabsteine sind für uns interessant", erklärte der Wörlitzer Pension-Inhaber Uwe Kettmann. "Unsere Gäste aus Texas sind auf der Suche nach den Spuren ihrer Vorfahren." Dieser Abstecher in die Vergangenheit führte die Amerikaner am nächsten Tag übrigens auch nach Serno.

Ute Böse, die im Rahmen der German American Connection die Frauen und Männer aus den USA begleitet, hatte Kettmann, der sich seit Jahren mit Ahnenforschung beschäftigt, um Hilfe gebeten. Bevor die Hobbyforscher im Gartenreich und im Fläming nach ihren Wurzeln stöberten, hatten sie ein ausführliches Deutschlandprogramm absolviert. "Schloss Neuschwanstein, München, Weimar...", zählte Ute Böse auf, "alles, was Touristen aus den Staaten sehen wollen!" Mikki Eschberger-Meyer ist die Initiatorin der Reise. Sie kommt aus Paige, einer kleinen 200 Seelengemeinde zirka 80 Kilometer entfernt von Austin.

Aufbruch vor 160 Jahren

"Bei uns leben alle von der Landwirtschaft", erzählte die 65-Jährige. Ihre jahrelangen Nachforschungen hatten ergeben, dass ihre Vorfahren vor etwa 160 Jahren aus der Region Wörlitz-Rehsen kamen. Damals waren sie ausgewandert, um in Texas mit der Landwirtschaft ihr Glück zu versuchen. "Sie bauten Mais und Erdnüsse an", berichtete die sympathische Seniorin. "Das meiste Geld verdienten sie allerdings mit Baumwolle." Ihre Ahnen versuchten sich aber auch mit Rindern. "Sie wurden sozusagen zu Cowboys", lachte sie und erzählte, dass ihre Schwester sowie eine Cousine neben anderen Eschbergern mit nach Wörlitz gekommen sind. Auch Nachfahren der Familie Ihlo fanden sich in der Reisegruppe, die drei Generationen vereinte. Die jüngste Touristin war 15 Jahre alt. Die Eschbergers konnten Erfolge verbuchen. Verschiedene Verbindungen nach Wörlitz und Rehsen machten sie aus. "Demnach war mein" - Frau Eschberger-Meyer zählte genau nach - "Ur-Ur-Großvater vor 160 Jahren als Weber in Wörlitz tätig."

Den Texanern wurde die Möglichkeit eingeräumt, die originalen Kirchenbücher aus der damaligen Zeit einzusehen. "Das war sehr aufschlussreich", sagten sie dankbar. Aber auch der eine oder andere Grabstein, den die Gäste fanden, könnte noch von Interesse sein. Besonders beeindruckt aber zeigten sie sich vom Taufbecken in der Wörlitzer Kirche. Auf einer Tour mit einer Postkutsche von 1850 nach Rehsen konnten die Amerikaner später die in der Kirche gewonnenen Eindrücke verdauen. Am Abend fand im Übrigen ein feierliches Essen statt, zu dem auch deutsche Eschbergers aus Wörlitz eingeladen waren. Inwieweit diese tatsächlich mit den Amerikanern verwandt sind, ist aber noch nicht abschließend geklärt.

Standen die Eschbergers in Wörlitz im Mittelpunkt, waren es tags darauf in Serno Linda und Milton Ihlo aus Austin. Ihr Vorfahr Friedrich Martin Andreas Ihlo wanderte im September 1859 aus dem Flämingdorf nach Amerika aus. Ortsbürgermeister Peter Nössler (CDU) hatte deshalb das Archiv der Landeskirche Anhalts um Hilfe ersucht, das die alten Kirchenbücher der Gemeinde aufbewahrt. Tatsächlich fand sich am 5. Dezember 1833 ein Eintrag mit den Namen der Eltern und der Paten.

USA-Fähnchen im Dorf

Auf dem Weg nach Serno freuten sich die Gäste über die ausgedehnten Wälder - so etwas gibt es in Texas nicht. Am Altar der kleinen Dorfkirche nahmen die Amerikaner Aufstellung zum Familienfoto, dann kletterten alle zum Stabgeläut hinauf. Dieses Meisterwerk der Technik, aus Armut entstanden, wollte sich keiner entgehen lassen. Während eines kleinen Spaziergangs durch das Dorf erzählte Nössler über die Entwicklung des Ortes. Die Sernoer selbst zeigten sich gastfreundlich. Überall waren USA-Fähnchen angebracht. Am Kriegerdenkmal flatterten die deutsche und die amerikanische Flagge. Dem Nationalstolz der Touristen tat diese Aufmerksamkeit sichtlich gut.

Nach dem Rundgang waren die Texaner zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Familie Ihlo erhielt als Geschenk eine gerahmte Kopie des Taufeintrags ihres Vorfahren. "Ich bin tief berührt", sagte Milton Ihlo. Rosi Schulz, geborene Eschberger, bedankte sich vor allem bei den Frauen für die Kaffeetafel. "Damit werden bei mir Kindheitserinnerungen geweckt, denn früher war der Sonntagsnachmittagskaffee auch in Texas üblich."

Von Serno fuhr die Gruppe nach Wittenberg. Die überzeugten Lutheraner wollten die Grabstätte des Reformators besichtigen.