Wittenberg Wittenberg: 40.000 Menschen feiern «Luthers Hochzeit»
Wittenberg/MZ. - Diese Landsknechte. Kaum kriegen sie mal nicht genug Dukaten, nehmen sie, was sie wollen. In diesem Fall schmieden sie mit den Torgauer Geharnischten finstere Pläne. Am späten Nachmittag ziehen die Landsknechte vor das Reisezelt von Kurfürst Friedrich dem Weisen und fordern den Lohn für geschlagene Schlachten. Und während sie mit der Schlosswache rangeln, kommen die Torgauer von hinten ins Zelt, rufen "Rettet den Kurfürsten" - und entführen ihn.Dabei war der Tag auf der Schlosswiese bis dahin sehr gesittet verlaufen. Im großen Zelt hatte Wittenbergs Trachtenverein sein Domizil aufgeschlagen. Dort flanierten der Kurfürst selbst (Andreas Thiele) samt seiner Gefährtin Anna Weller (Petra Kabisch-Thiele), Kanzler, Kämmerer, Räte und andere Fürsten und ließen sich geduldig von den Stadtfestbesuchern ablichten. "Die Ausstattung des Zeltes wächst", erzählte Andreas Thiele, der schnell noch ein kühles Getränk nahm, bevor es auf zum Umzug ging. Er selbst hat Stühle und Hocker hergestellt und auch das große Bett gebaut, das in den Nächten besetzt ist, damit die Langfinger nicht zuschlagen.
"Auch Friedrich war handwerklich begabt, er hat gedrechselt", wusste er zu berichten. "Ich selber hab's nur nicht so mit der Laute", wies er weitere Parallelen von sich. Die zwei Mannen von der Schlosswache, Marco Pitzk und Peter Vogt, hielten sich ebenfalls wacker. Nachdem Landsknechte im vorigen Jahr das Tafelsilber gestohlen hatten, wurden sie angestellt und hatten größtenteils nur repräsentative Pflichten zu erfüllen. "Es ist interessant, das Fest einmal als Akteur zu sehen", meinte Pitzk. Vogt, der jetzt in Burg lebt, hat sich ebenfalls gern überreden lassen. "Meine Eltern sind ja auch dabei. Und schön ist so ein Fest abends, wenn das Offizielle vorbei ist." Nebenan gab es im Lager der "Räuber, Weyber, Spießgesellen" allerlei Spiele für die Kinder, von der Bühne klangen Dudelsäcke und Trommeln herüber. Die Schaukampfgruppe der Torgauer Geharnischten, am Feuer der Wittenberger Landsknechte zu Gast, übten sich im Kampf mit dem Schwerte und der Axt. "Wittenberg und Torgau, das passt geschichtlich", meinte Claudio Stöber, der Chef der Gruppe. Im nächsten Jahr wolle man das Programm ausweiten, auch mit dem kurfürstlichen Hof, sprich Trachtenverein.
Und der entführte Kurfürst? Der wurde im Lager der Landsknechte gut behandelt. Er erhielt einen Krug dunkles Bier., und nach zähen Verhandlungen (bis hin zu dem Satz, dass man ihn nicht wieder haben wolle) gelang es unter Vermittlung der frisch vermählten Katharina Luther, den hohen Gast auszulösen - gegen einen Teller Golddukaten. Am Sonntag herrschte schon wieder friedliches Miteinander. Nur der authentische Eseldung vor dem Reisezelt wurde von manchem Stadtfestgast offenbar als Attrappe gesehen. Man hätt's am Geruch merken können.
