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Bildung in Sachsen-Anhalt Wie Hospiz in Wittenberg Schule macht

Mit Haupt- und Ehrenamtlichen ist die Leiterin des Wittenberger Von-Bora-Hospizes in der Evangelischen Grundschule im Einsatz. Worum es in der Projektwoche geht.

Von Corinna Nitz 04.04.2024, 17:00
Paula und Luise üben Mundpflege, dazu gehört es, den Mundraum mit Flüssigkeit zu benetzen, wie das bei Hospizgästen, die nicht mehr selbst trinken können, nötig ist. Die Mädchen nehmen am Projekt „Hospiz macht Schule“ teil.
Paula und Luise üben Mundpflege, dazu gehört es, den Mundraum mit Flüssigkeit zu benetzen, wie das bei Hospizgästen, die nicht mehr selbst trinken können, nötig ist. Die Mädchen nehmen am Projekt „Hospiz macht Schule“ teil. (Foto: Klitzsch)

Wittenberg/MZ. - Die Mädchen und Jungen sind erst zehn, trotzdem mussten einige von ihnen bereits Verluste verkraften. Hier ist plötzlich die Katze der Familie gestorben. Dort war es der Großvater, der mit im Haus gelebt hat und der nun fehlt. Am Mittwochvormittag berichten einige Viertklässler in der Evangelischen Grundschule Wittenberg der MZ von ihren Erfahrungen. Da ist das Projekt „Hospiz macht Schule“ in der Bildungseinrichtung zu Gast.

Altersgerechte Annäherung

Noch bis Freitag werden haupt- und ehrenamtlich Tätige vom Hospiz „Katharina von Bora“ in Wittenberg und aus dem ambulanten Hospizdienst ganz große Lebensthemen beackern. Sie lauten: Werden und Vergehen, Krankheit und Leid, Sterben und Tod sowie am letzten Tag dieser Projektwoche Trauer, Trost und Trösten. Kein Lernstoff, wie die Lehrerin an der Evangelischen Grundschule, Kati Petermann, zur MZ sagt, und auch, dass man dankbar für das Angebot sei. Nachdem die Beschäftigung mit dem Thema zunächst von den Religionslehrern übernommen wurde, kommen die Hospizfachleute inzwischen seit vier Jahren ins Haus und in die vierten Klassen. Bislang hätten gut 160 Kinder an dem Projekt teilgenommen, über das nach Auskunft von Hospizleiterin Annemarie Buttinger Eltern im Vorfeld informiert werden. Nur selten gab es bisher Einwände, sagt Pädagogin Petermann, sie betont: „Die meisten Eltern sind sehr dankbar.“

Die Projektwoche „Hospiz macht Schule“ findet seit vier Jahren in der Evangelischen Grundschule in Wittenberg statt.
Die Projektwoche „Hospiz macht Schule“ findet seit vier Jahren in der Evangelischen Grundschule in Wittenberg statt.
(Foto: Thomas Klitzsch)

Wie aber nähert man sich altersgerecht Krankheit, Sterben und Tod, einem Thema also, das gern ausgeblendet wird, so lange, bis das Unvermeidliche passiert? Zum Beispiel zeichnerisch. Die Viertklässler haben, verteilt auf vier Kleingruppen, Plakate entworfen. Namen von Krankheiten haben sie darauf geschrieben, aber auch Dinge, die gut tun – ausruhen etwa, schlafen, vorgelesen zu bekommen oder: „Mit dem Hund kuscheln“, wie ein Kind bei der Posterpräsentation sagt. Sie haben sich in Pantomime versucht und es soll, so Buttinger, ein Film angeschaut werden, in dem es um den Besuch bei einem Bestatter geht.

Übungen inklusive

Am Mittwoch erwartet wird zudem ein HNO-Arzt aus Wittenberg, dem die Kinder auch Fragen stellen können. Sie haben sich vorbereitet, die Fragen reichen von beruflichen – Wie lange dauert das Studium? – über Persönliches – Welche Hobbys haben Sie? – bis hin zu medizinischen: „Welches war der schlimmste Einsatz?“ Dass der Facharzt sich diese Zeit für die Grundschüler nimmt, spricht für ihn und sein Selbstverständnis. Abgesehen von alledem stehen am Vormittag dieses 3. April auch praktische Übungen etwa mit der ehrenamtlichen Hospizhelferin Jutta Otto auf dem Plan: Mit ihr geht es um Mundpflege, denn, so Otto über jene, die von ihr und ihresgleichen umsorgt werden, „manche unserer Gäste können nicht mehr trinken, haben aber Durst“. Zunächst zögerlich, bald beherzter tauchen die Mädchen und Jungen Stäbchen mit Schwämmen in Saft und benetzen sich damit den Mundraum.

Angebot seit 20 Jahren

Entwickelt wurde das bundesweite Projekt „Hospiz macht Schule“ vor gut 20 Jahren nach Auskunft von Annemarie Buttinger von der Bundes-Hospiz-Akademie. Wie es aufseiten dieser Einrichtung online heißt, handelt es sich um ein Netzwerk von mittlerweile circa 350 Hospizvereinen und 320 Grundschulen mit fast 3.000 Ehrenamtlichen. Inzwischen wurden den Angaben zufolge fast 700 Projektwochen zurückgemeldet.

Auch  Plakate entstehen im Rahmen des Hospiz-Projektes.
Auch Plakate entstehen im Rahmen des Hospiz-Projektes.
(Foto: Thomas Klitzsch)

Das Wittenberger Katharina-von-Bora-Hospiz und die haupt- und ehrenamtlich Tätigen sind inzwischen im vierten Jahr mit dem Projekt in der Evangelischen Grundschule in der Lutherstadt. Man habe aber auch schon Schulen im Kreis besucht, so Hospizleiterin Buttinger. Nach dem Ziel solcher Projekte befragt, sagt sie zur MZ: „Es geht darum, Sterben und Tod zu enttabuisieren.“