Werbeshirt in Wittenberg Werbeshirt in Wittenberg: Stadt hört nicht auf querzudenken

Wittenberg - Längst hat sich These 96 nicht nur in Deutschland sondern um die halbe Welt verbreitet: „Höre nie auf querzudenken“ steht auf den T-Shirts, die Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) seit vielen Jahren bei offiziellen Gelegenheiten und an Gäste der Stadt verteilt. Vielfach sind es junge Menschen, die auf diese Weise dazu ermuntert werden sollen, sich ein eigenes Bild zu machen von der Welt der Erwachsenen, die alsbald die ihre sein wird. Ein Kantscher Imperativ gewissermaßen, ein Appell an die Vernunft, stilistisch draufgesetzt auf das Luthersche Denkgebäude aus den 95 Thesen. Wohl mehrere hundert Shirts sind mittlerweile verteilt worden, die Geste datiert bereits aus Zugehörs Zeit als Bürgermeister, also vor 2015.
Konkurrenz aus Stuttgart
Jetzt aber hat die Wittenberger These 96 Konkurrenz bekommen: Im Gefolge der Pandemie hat ein ganz anderes Querdenken begonnen: Der Begriff, auf den die Lutherstadt natürlich kein Copyright hat, ist von Corona-Leugnern und Maskengegnern gekapert worden.
Dieses Querdenken neuen Datums begann vor Wochen in der Schwabenhauptstadt Stuttgart, dort versehen mit der Zahl 711, und hat inzwischen Ableger in ganz Deutschland gefunden, 391 etwa steht, ebenfalls von der Telefonvorwahl abgeleitet, für Magdeburg.
Dass es sich bei dieser Bewegung um keine lupenreinen Verteidiger des Grundgesetzes mehr handelt, als die der eine oder die andere seinerzeit womöglich einmal gestartet ist, beweisen Demonstrationen landauf, landab wochenendlich aufs Neue - der starke Rechtsdrall, um es sehr vorsichtig zu formulieren, ist weder zu überhören noch zu übersehen. Im Fahrwasser der Maskengegner flottieren unverhohlen Rechtsextremisten und/oder Reichsbürger.
Vor diesem Hintergrund hatte sich auch die Stadt Gedanken gemacht, wie künftig mit der eigenen Kampagne, also mit den meinungsstarken Leibchen verfahren wird. „Wir bleiben bei unseren T-Shirts“, versicherte am Montag auf MZ-Anfrage Stadt-Sprecherin Karina Austermann.
Man lasse sich das Querdenken „nicht wegnehmen“, fügte sie hinzu. Zumal es sich per Definition um einen eigentlich rundum „positiv besetzten Begriff“ handele, um eine „Denkmethode zur Lösung von Problemen“ - die sich sicher nicht in den Reihen der Corona-Leugner finden lasse, so Austermann.
Orange, weiß, schwarz
Allerdings gehen die T-Shirts auch in Wittenberg mit der Zeit. Anfangs in Knallorange, waren sie zuletzt weiß mit dem gewohnten Tannengrün der Lutherstadt. Die neueste Charge ist schwarz mit gelber Schrift. „Die Schüler warten immer schon drauf“, hieß es seitens der Stadt mit Blick auf die Gepflogenheit, unter anderem ihre Abiturienten damit auszustatten. Fotos von Menschen im Shirt kämen aus aller Welt zurück. (mz)