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Tradition Tradition: Bier aus der eigenen Quelle

Von ULF ROSTALSKY 02.09.2010, 16:38

GRÄFENHAINICHEN/MZ. - Ja, sagt die Bankkauffrau, sie habe einfach mal probieren wollen, wie Gerstensaft hergestellt werde. Doch gereizt habe auch die Vorstellung, eine Tradition im Deißnerschen Haus wieder aufleben zu lassen, von der noch immer der auf dem Fußweg eingelassene Braustern kündet. Die Vorfahren der jungen Frau haben das Recht besessen, Bier zu brauen und das wahrscheinlich bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts auch in Anspruch genommen.

Dann, vermutet heute Stephanie Deißner, habe sich das alles sicher nicht mehr gelohnt. Fuhrwerke brachten das in größeren Betrieben hergestellte Gebräu in die Heidestadt. Die Tradition im Haus erlosch.

Aber das sollte es einfach nicht gewesen sein. "Ich bin neugierig, experimentiere gern", erzählt die Gräfenhainichenerin. Von Kräutersuden und Ölen spricht sie. Und davon, dass sie durchaus auch einmal Bier trinke. "Warum dann nicht selbst welches herstellen?" Mit der Idee hat sie jede Menge Leute angesteckt - die Eltern, die Großmutter und auch den Freund. Einfach beim Zusammenrühren und Aufkochen sollte es aber nicht bleiben. "Wenn schon Bier, dann richtig", erinnert sich Stephanie Deißner an die ersten Momente intensiveren Nachdenkens über ihre ganz persönliche Brauerei.

Im Internet hat sie sich informiert, in Foren diskutiert, sich in Brauereien in der Nähe umgeschaut. Sie ist fündig geworden. Sicher, ein großes Sudhaus mit blitzblanken Pfannen und Kupferhauben ist es nicht geworden. Aber mit der angeschafften "Brauhexe" kann sie, was andere mit großen Anlagen auch können: Bier brauen. Und das unter Einhaltung des Reinheitsgebots. "Wir haben es genau so gemacht", erklärt die Hobby-Brauerin. Hopfen, Malz, Wasser und eine gute Hefe haben ihr Altbier ergeben. Man könnte jetzt natürlich noch experimentieren, Kräuter zusetzen. "Aber dann wäre es eben kein Bier nach Reinheitsgebot mehr." Tradition verpflichtet und lässt die Chefin der Mini-Anlage träumen. Ein Pils soll demnächst angesetzt werden.

"Aber alles wirklich nur zum Hausgebrauch", sagt Vater René Deißner, der das Hobby seiner Tochter gern unterstützt. Die Quelle im eigenen Haus gefällt ihm. Doch weiß er auch, dass sie nicht endlos sprudeln wird. Deißners haben ihre neue Errungenschaft ordentlich beim Zoll angemeldet. "Als Hausbrauerei. Und da können wir 200 Liter Bier pro Jahr steuerfrei und für den Hausgebrauch herstellen."

Alles solle einfach Hobby bleiben, betont Stephanie Deißner, die sich auch nicht als Konkurrenz zum örtlichen Gastgewerbe sieht. Denn ihren Gerstensaft gebe es nun einmal nur im Partyraum, der allerdings bald zum Partykeller werden könnte. Das Gewölbe unterm Elternhaus ist urig, vor allen Dingen aber richtig alt. "400 Jahre", schätzen die Hausherren. Hier könnte gebraut, das Bier gelagert und in kleiner Runde auch getrunken werden.

"Der ideale Platz für eine Familienfeier", träumen Vater und Tochter. Ob in den Kellerräumen vielleicht schon einmal Deißnersches Bier lagerte, wissen sie nicht. "Aber möglich ist alles."