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Tanoe Gnanzou auf La Réunion  Tanoe Gnanzou auf La Réunion : Tränen am Dreitausender

Von Tanoe Gnanzou 01.05.2015, 13:31
Ein Blick auf den Sonnenuntergang vom wohl besten Aussichtspunkt der Insel entschädigt auch für manche Strapaze des Aufstiegs. Immerhin ist der  Piton des Neiges der  höchste Berg  auf La  Réunion, er misst  3.071 Meter. 
Ein Blick auf den Sonnenuntergang vom wohl besten Aussichtspunkt der Insel entschädigt auch für manche Strapaze des Aufstiegs. Immerhin ist der  Piton des Neiges der  höchste Berg  auf La  Réunion, er misst  3.071 Meter.  Tanoe Gnanzou Lizenz

La Réunion - Es sind die letzten Tage auf Réunion für mich, und es gibt noch einige Unternehmungen, die ich nicht verpassen will. Eine davon ist die Wanderung auf den mit 3.071 Metern höchsten Berg der Insel, den Piton des Neiges. Da meine Mitbewohnerin Judith und ich uns sehr kurzfristig dazu entschließen, ist die sogenannte Gîte für die Nacht schon ausgebucht. Leider gibt es zu der Berghütte nur eine Alternative - Zelten. Normalerweise bin ich für solche Aktionen überhaupt nicht zu haben, aber die Besteigung des Dreitausenders reizt mich so sehr, dass ich dem Ganzem zustimme.

Mit gefühlten 20 Kilogramm Gepäck geht es für uns schon früh mit drei verschiedenen Bussen zum Einstiegspunkt „Le Bloc“, der auf circa 1.300 Höhenmetern liegt. Die folgenden dreieinhalb Stunden werden zu einem Wechselbad der Gefühle. Während ich schnaufend die steilen Serpentinen hinauf kraxle, kann ich mich nicht mehr daran erinnern, wieso ich hier bin. Dann eröffnet sich eine Aussicht auf den Talkessel Cilaos und ich spüre, wie meine Motivation wieder zum Leben erwacht. Mal machen wir eine kurze Pause und ich scherze locker mit Judith. Worauf eine halbe Stunde Totenstille folgt, in der wir versuchen unserer eigenen Gedanken Herr zu werden. Als wir endlich die „Gîte de la Carverne Dufour“ (2.479 Meter) erreichen, denken wir das Schlimmste sei nun hinter uns. Weit gefehlt. Die letzten 600 Höhenmeter werden zu einem wahren Kampf.

Nur für eingefleischte Wanderer?

Über Geröll führt ein mit weißen Strichen markierter Weg hinauf zum Gipfel. Ich merke wie die Luft dünner und meine Beine müder werden. Vor der Hütte hatten wir noch die glorreiche Idee für ein Lagerfeuer Holz zu sammeln. Außerdem haben wir für die Nacht alle Wasserflaschen aufgefüllt, was für mich weitere drei Kilo extra bedeutet. Dann überholt uns ein junger Mann, der einen sehr frischen und munteren Eindruck macht. Bei seinem Kommentar, dass wir dem Ziel schon sehr nahe sind, kommt mir nicht in den Sinn, dass er Distanzen möglicherweise anders wahrnimmt als ich. Denn nun halte ich jede Kurve für die letzte, was zu großen Enttäuschungen führt.

Nach einer weiteren Stunde gebe ich die Hoffnung auf. Ich bin an meinem Limit. Was immer auf mich dort oben wartet, es lohnt sich nicht. Irgendwann ist dann endlich die Bergspitze in Sicht. Doch der Weg zieht sich weiter. Als ich endlich oben ankomme, kann ich die Tränen nicht mehr zurück halten. Ob es aus Erschöpfung oder Erleichterung ist, weiß ich nicht. Solch ein Aufstieg mit Gepäck ist wohl doch eher nur etwas für eingefleischte Wanderer.

Dass Reisen bildet, fand schon Immanuel Kant. Und als junger Mensch für eine begrenzte Zeit ins Ausland zu gehen, dürfte mit zu den spannendsten Erfahrungen gehören. Unsere Autorin Tanoe Gnanzou hat bereits ein Auslandsjahr in England absolviert. Anfang Februar ist sie nach La Réunion aufgebrochen. Die Insel im Indischen Ozean ist politisch ein Übersee-Departement Frankreichs. Geboren wurde Tanoe Gnanzou am 14. März 1995 in Wittenberg. 2013 hat sie am Luther-Melanchthon-Gymnasium Abitur gemacht. Im September wird sie an der Universität in Maastricht (Niederlande) den Bachelor-Studiengang Liberal Arts and Sciences (Freie Künste und Wissenschaften) beginnen.

Im Dezember 2014 war Tanoe Gnanzou Praktikantin in der Wittenberger Lokalredaktion der MZ, für die sie nun bis Juli 2015 regelmäßig eine Kolumne über ihre Zeit auf Réunion schreiben wird. Gnanzou hofft, auf der Insel auch einen Job zu finden.

Gerade rechtzeitig ist das Zelt aufgebaut, um den Sonnenuntergang entspannt zu betrachten. Trotz einiger Wolken ist es möglich bis zum Ozean zu sehen. Hier und dort ragen Berggipfel aus den weißen Schwaden. Die Sonne leuchtet in einem angenehmen Orange ihre letzten Strahlen. In nicht allzu weiter Distanz kann ich den Vulkan, der einer der aktivsten der Welt ist, erkennen. Der Moment wäre perfekt, wenn es nicht so kalt wäre. Sobald die Sonne verschwunden ist, wünsche ich mir ein warmes, flauschiges Bett herbei.

Karriere findet kurzzeitiges Ende

Auf dem Weg zurück zum Zelt entfährt Judith ein „Schää war’s!“, was für den Bayer absolute Begeisterung ausdrückt. Eine gute Alternative zu meinem Traum vom Bett ist jetzt unser geplantes Lagerfeuer. Nachdem keine Flamme zündet stellt sich jedoch heraus, dass das gesammelte Holz nicht brennbar ist. Ich verkrieche mich schnell unter meine zwei Decken. Irgendwie habe ich mir die Unternehmung idyllischer vorgestellt.

Erst am nächsten Morgen bin ich froh, dass wir uns gestern bis zum Gipfel des Piton des Neiges gequält haben. Es ist unglaublich neblig und der Sonnenaufgang lässt sich nur leicht erahnen. Die Wanderer, die früh erst von der Berghütte das letzte Stück angetreten haben, müssen jetzt wohl sehr enttäuscht sein. Als ich „Le Bloc“ wieder erreiche, steht eines trotz sichtlich besserem Abstieg fest: Meine Wanderkarriere hat hiermit ein kurzzeitiges Ende gefunden. (mz)

Auf dem Weg dorthin hat die Autorin mit ihrer Mitbewohnerin in einem ausgeliehenen Zelt übernachtet. Über die Standfestigkeit der Zelte kann angesichts der felsigen Situation hier nur spekuliert werden. Was den Sonnenuntergang betrifft: Um ihn  beobachten zu können, muss man Glück haben, denn die dicken Nebelschwaden lassen nicht weit blicken.
Auf dem Weg dorthin hat die Autorin mit ihrer Mitbewohnerin in einem ausgeliehenen Zelt übernachtet. Über die Standfestigkeit der Zelte kann angesichts der felsigen Situation hier nur spekuliert werden. Was den Sonnenuntergang betrifft: Um ihn  beobachten zu können, muss man Glück haben, denn die dicken Nebelschwaden lassen nicht weit blicken.
Tanoe Gnanzou Lizenz