Stadtkirche Wittenberg Stadtkirche Wittenberg: Kein Weihnachten ohne Bach

Wittenberg - Zur adventlichen Einstimmung gab es in der kürzlich wieder eröffneten Wittenberger Stadtkirche am Vorabend des zweiten Advent die ersten drei Kantaten des Weihnachtsoratoriums von Johann Sebastian Bach. „Als ob wir dabei wären, wie Gott die Welt schuf“, schrieb Friedrich Nietzsche einmal über Bachs Musik. Er hatte nicht Unrecht. Ohne dieses festlich-barocke Weihnachtsoratorium kann es nicht Weihnachten werden. Wenige Takte genügen schon, um den Stress um das Fest vergessen zu lassen.
Hohe Erwartungen
Mit seiner Aufführung durch die Berliner Singakademie im Jahr 1857 wurde das Weihnachtsoratorium als letztes der großen Oratorien Bachs für die Praxis wiedergewonnen. Langsam, aber stetig gewann es eine Popularität, die sich heute in einer kaum noch überschaubaren Anzahl von Aufführungen widerspiegelt. Entsprechend hoch sind auch die Erwartungen an das interpretatorische wie klangliche Konzept.
Unter der Leitung von Heike Mross-Lamberti spielten die Wittenberger Kantorei, die Kinder- und Jugendkantorei und das Orchester St. Marien sowie das Solistenquartett Alba Vilar, Sopran, Alexandra Schmid, Alt (sie war für die erkrankte Katharina Thimm eingesprungen), Sebastian Reim, Tenor und Matthias Kleinert, Bass.
Mit der Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium am Sonnabend und einem Familiengottesdienst am Sonntag endete die Festwoche, mit der die Stadtkirchengemeinde die Wiedereinweihung ihres Gotteshauses gefeiert hat. Doch obwohl der Sakralbau nun wieder für Gottesdienste, Amtshandlungen und Konzerte offen steht, ist dessen Generalsanierung noch nicht abgeschlossen. Und nach wie vor hofft die Gemeinde auf Spenden, um ihren Eigenanteil an den Sanierungskosten aufbringen zu können.
Wer möchte nicht beim Eingangschor „Jauchzet, frohlocket“ mit einstimmen oder bei den Arien das wärmende Element miterleben? Eines wurde jedoch gleich zum Anfang deutlich: Dem Chor fehlte die von früher gewohnte Strahlkraft, um die gesamte Bandbreite barocken Festgesangs, auch das Jauchzen zu vermitteln. Schon im Eingangschor waren die technischen Zweifel unüberhörbar. Man war stellenweise ratlos. Die Weihnachtsstimmung stellte sich noch nicht so recht ein.
Demgegenüber präsentierte sich das Orchester St. Marien, eine Zusammenstellung von Musikern aus verschiedenen Klangkörpern, glänzend, sieht man von der alles überstrahlenden Pauke im Eingangschor ab, die hier zu laut war. Die Trompeten klangen glanzvoll und wie geölt. Das Orchester insgesamt konnte auch in den Mittellagen vieles wettmachen, was dem Chor an Volumen fehlte.
Bei den Sängern war Sebastian Reim als Evangelist ohne Zweifel. Der Tenor sang mit strahlender Stimme die Rezitative des Evangelisten. Die Arie „Frohe Hirten, eilt“ in der zweiten Kantate ist äußerst schwierig, auch wegen ihrer opulenten Koloraturen wird sie von vielen Sängern als nahezu unsingbar empfunden. Nicht so Reim, der sich hörbar zu Hause fühlte in dieser anspruchsvollen Arie. In der Bassarie „Großer Herr“ brillierte die Trompete, dem Bass fehlte allerdings hier das Volumen. Seine Duette zusammen mit dem Sopran waren durchaus gelungen.
Straff vorgegebenes Tempo
Die Mezzosopranistin Schmid überzeugte wiederum, etwa in der Arie „Schlafe, mein Liebster“. Genauso eindringlich war ihre Arie „Schließe, mein Herze“ aus der dritten Kantate. Sie ließ sich, wie auch die übrigen Musiker, nicht aus der Ruhe bringen, als mittendrin im „Lasset dies Wunder, die göttlichen Werke immer zur Stärke deines schwachen Glaubens sein“ die Alarmanlage sich lautstark meldete, nur kurz aber aufrüttelnd. Die Sängerin fing die Hörer wieder ein. Bei „Herrscher des Himmels“, das zu Beginn des dritten Teiles und am Schluss erklang, konnte noch einmal alles herausgeholt werden. Das Tempo war hier von Mross-Lamberti straff vorgegeben, die Trompeten strahlend, der Chor in seiner Einheit präsent. Das Publikum dankte mit langem Beifall. (mz)
