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Serie Schlosskirche Wittenberg Serie Schlosskirche Wittenberg: Wo Licht und Farbe spielen

Von Karina Blüthgen 28.06.2016, 14:30
Dass das Innere der Schlosskirche nun in einem anderem Licht zu sehen ist, liegt an den wieder hergestellten farbigen Fenstern. Sie geben dem Gotteshaus ein weicheres Licht.
Dass das Innere der Schlosskirche nun in einem anderem Licht zu sehen ist, liegt an den wieder hergestellten farbigen Fenstern. Sie geben dem Gotteshaus ein weicheres Licht. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Ich freue mich. Es ist genauso geworden, wie wir uns das seit 1991 vorgestellt haben.“ Selten hat ein Restaurator so enthusiastisch auf die Vollendung eines Projektes reagiert wie Frank Schneemelcher. Sein Unternehmen, die Glaswerkstätten Quedlinburg, hat seit Jahrzehnten in der Wittenberger Schlosskirche die Fenster repariert und restauriert. Hat in den 80er Jahren auf Anordnung des Rates des Kreises Fenster ausbauen müssen und lagerte die als „kapitalistisches Erbe“ verschriene Kunst ein.

Nun kehrte diese Kunst zurück. Denn was wäre eine Kirche ohne Licht? Ohne das Spiel der Sonne im Wechsel mit Wolken, die im Inneren des Gotteshauses ungewöhnliche Effekte hervorrufen. Scheint die Sonne durch die Fenster an der Südseite der Wittenberger Schlosskirche, kann der Besucher zum Beispiel ein ungewöhnliches Farbenspiel am Mauerwerk beobachten. Die steinfarbenen Säulen, auf die das Licht fällt, scheinen plötzlich bunt und lebendig zu sein. Das Innere der Kirche ist, anders als noch vor ein paar Jahren, in viel weicherem Licht zu sehen. Was daran liegt, dass etliche der farbigen Fenster lange nicht im Originalzustand waren.

Fast 200 Städte dargestellt

Die Gestalter vor über hundert Jahren haben das Licht mit der Botschaft verwoben. Auf acht Fenstern, fünf auf der Nord- und drei auf der Südseite, waren 1892 insgesamt 198 Städtewappen zu sehen, die in irgend einer Form mit den Reformatoren und mit der evangelischen Geschichte zu tun haben.

Bernhard Gruhl, früherer langjähriger Küster der Schlosskirche, weiß, dass einige Fenster 1935 bei der Explosion im Sprengstoffwerk Wasag Schaden genommen haben. Andere wurden durch Vandalismus am Ende des Zweiten Weltkriegs beschädigt. Dies jedoch, so Frank Schneemelcher, ist nicht der Grund, warum sich zur Wendezeit ein völlig verändertes Bild der Wappenfenster bot, denn diese Schäden wurden repariert.

Der DDR-Führung waren jedoch etliche der Abbildungen nicht genehm. Sie wollten keine Zeugnisse der Provinzen Preußen, Posen, Pommern und Schlesien sehen, also wurden diese entfernt, so wie auch manches Wappen von westdeutschen Städten. Neben einer veränderten Anordnung war früher am auffälligsten, dass das Ersetzen des alten farbigen mundgeblasenen Glases und des für jedes Fenster einzigartigen Bleigitters durch einfaches Fensterglas in rechteckigen Formen (ausgeführt durch Bauglasereien!) die Lichtverhältnisse in der Kirche veränderte.

Es habe in jener Zeit die speziellen Glasarten nicht gegeben, kann Frank Schneemelcher einen Teil des Ersatzes verstehen. „So, wie es jetzt ist, funktioniert der Raum wieder. Es wird nicht mehr alles überstrahlt“, ist der 53-Jährige zufrieden. Dass das Unternehmen dafür in Archiven, unter anderem dem Wittenberger Ratsarchiv, geforscht hat, alle betreffenden Städte angeschrieben und um Darstellungen ihrer Wappen von 1892 gebeten hat (das Hin und Her dauerte manchmal bis zu einem halben Jahr), lässt erahnen, wie mühevoll die komplette Rekonstruktion war.

All das ist behoben, nicht zuletzt dank originaler Teile, die das Unternehmen Anfang der 80er Jahre ausgebaut und aufbewahrt hat. „Sämtliche Fragmente sind wieder in die Fenster eingebaut worden. Das sieht das Sachverständigen-Auge“, ist der Quedlinburger stolz. Diese speziellen Arbeiten waren gar nicht im Finanzierungsplan enthalten, erklärt Gudrun Fischer, Projektleiterin vom Land für die Gesamtmaßnahme.

Daraufhin gaben Sponsoren mit finanziellen Spenden Unterstützung zur Wiederverwendung des ursprünglichen Materials. Ein Kuriosum hatte Bernhard Gruhl in seiner Zeit als Küster ausmachen können. In einem der Fenster, das ausschließlich süddeutsche Städtewappen zeigt (oder zeigen sollte), war das Wappen von Wiesenburg „hineingerutscht“, das bekanntlich in Brandenburg liegt. „In der ursprünglichen Auflistung war Weißenburg in Franken aufgeführt“, weiß Gruhl.

Wann und wie die Wappen verwechselt wurden, kann er nicht sagen. Er kann es sich nur so erklären, dass jemand bei der Rekonstruktion die Auflistung falsch gelesen hat. „Das ist jetzt korrigiert worden“, erklärt Frank Schneemelcher, der während der akribischen Recherche einen Fehler entdeckt hat, der wohl schon 1892 eingebaut worden war, da es sich um originale Teile handelte. „In einem Fenster waren innerhalb einer Reihe Wappen vertauscht“, erzählt er. „Vielleicht hatten die Arbeiter damals auch mal einen schlechten Tag.“

Nicht so umfangreich waren hingegen die Arbeiten der farbigen Fenster mit Abbildungen aus der biblischen Geschichte im Chorbereich. Hier, so Frank Schneemelcher, sind umfassende Arbeiten schon zwischen 1991 und 1993 gemacht worden.

Windfang wird zum Kunstwerk

Ein Kunstwerk ganz anderer Art ist hingegen der Windfang geworden, den sein Unternehmen am Eingang der Kirche vom Schlossplatz her gestaltet hat. Was gar nicht so spektakulär aussieht, ist eine technische Glanzleistung. Unten gibt es 2,70 Meter hohe Flügeltüren aus Glas, oben schließt sich eine riesige Scheibe in der Höhe des Außenfensters an.

„Allein den Windfang haben wir ein Dreivierteljahr geplant. Die Scheibe oben ist knapp 400 Kilogramm schwer und 16 Millimeter dick. Und alles ist nur punktgehalten“, beschreibt der Quedlinburger Chef die Dimensionen. „Das ist einer der größten Windfänge in einem Sakralbau.“ (mz)