Seen im Dessau-Wörlitzer Gartenreich Seen im Dessau-Wörlitzer Gartenreich: Die Gewässer wachsen zu Fische werden weniger

Wörlitz - Trübe war der Wörlitzer See schon immer. Ludwig Trauzettel erinnert sich an sein erstes Jahr im Wörlitzer Park. Das war 1979 und der heutige Leiter der Abteilung Gärten und Gewässer bei der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz fand in den Karpfen unter der Wolfsbrücke dankbare Abnehmer seines Pausenbrotes. „Das Wasser war milchig, aber wir hatten ausreichend davon“, sagt er am Dienstag im Festsaal des Wörlitzer Schlosses.
Keine Karpfen mehr im See
Dort erfährt man an diesem Tag auch, dass es keine Karpfen mehr im See gibt und dass sich die Qualität des Gewässers seit Trauzettels Dienstantritt enorm geändert hat. Vorgestellt wird ein Förderprojekt der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) mit dem ausufernden Titel „Untersuchung und Erprobung von Managementmaßnahmen zur Minimierung der biologischen Gefährdung durch Neobiota und Massenentwicklung von höherer Wasservegetation in Gewässern der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz“. Angestoßen wurde es, nachdem sich in den vergangenen Jahren die Vegetation am und im Wasser massiv erhöht hat.
„Diese Untersuchung sollte uns die Ursachen dafür ergründen“, leitet Trauzettel das Abschlusskolloquium ein, das ein 70-seitiger Bericht begleitet. Der ist eine grundlegende Analyse der Gewässer im Wörlitzer Park, im Oranienbaumer Schlossgarten und im Luisium. Von Oktober 2013 bis Juni 2015 wurden im Rahmen des Vorhabens in den Seen und Kanälen in den genannten Anlagen eine Vielzahl von Proben entnommen, analysiert und bewertet. Dazu sind unter anderem die jeweiligen Gewässertiefen, die Schlammvolumina, die Vegetationsausbildung sowie der Fischbestand ermittelt worden.
Im Zuge der Auswertung dieser Daten entstand ein Maßnahmenkatalog, der aufzeigt, wie der besorgniserregende Trend gemindert und aufgehalten werden kann. Im nun folgenden Schritt will die Kulturstiftung Dessau-Wörlitz einen weiteren Förderantrag bei der DBU stellen, um die vorgeschlagenen Handlungen umsetzen zu können. „Das wird dann eine große Maßnahme“, so Ludwig Trauzettel, der froh über Signale aus der Bundesstiftung ist, dass eine Bewilligung gute Chancen habe.
Viele Nährstoffe kommen an
Was aber hat die Gewässer nun derart verändert? In großem Maße, so ergaben es die Untersuchungen, ist es der Nährstoffeintrag, der in Wörlitz durch den Leiner Graben und den Hoppgraben in die Parkgewässer gelangt. Stickstoff und Phosphor von Düngemitteln der Landwirtschaft im Einzugsgebiet lassen die Wasservegetation sprießen. Wie in einer Kettenreaktion erhöht sich die Biomasse im See, wächst der nährstoffreiche Schlamm, ändert sich die Fischwelt. Mit Entschlammungen und der Mahd könne man zwar Gegenmaßnahmen ergreifen, diese gehen aber nicht an die Ursachen, so Sebastian Doil von der Kulturstiftung, der das Projekt beim Kolloquium zusammenfasste. „Es ist besser, an den Ursachen zu arbeiten, als kurzfristige Gegenmaßnahmen zu ergreifen“, sagt er.
Sichtbarste Handlung wird, laut den Planungen, ein Sandfang/Stauteich sein. Angelegt nach dem Zusammenfluss von Leiner Graben und Hoppgraben kann er die Nährstofffrachten in die Parkgewässer minimieren. Krautung und Entschlammung sowie das Erhöhen der Wassertiefe zählen ebenso zu den Gegenmaßnahmen wie ein veränderter Fischbesatz.
Die Befischung im Zuge der Untersuchung zeigt, dass sich derzeit vor allem Plötze und Güster im Gewässer wohlfühlen - je rund 650 Tiere wurden gefangen -, gefolgt vom nicht heimischen Zwergwels (345). Nur je drei Exemplare von Hecht, Schleie und Zander gingen ins Netz. Die Fischbiomasse wird mit 134 Kilogramm pro Hektar angegeben. Würden mehr Blei, Güster und Karpfen das Gewässer bevölkern, hätte dies positive Auswirkungen auf die Wasserflora.
Schutz und Pflege im Einklang
Bei all dem, so merkte es Guido Warthmann vom Landschaftsbüro an, müsse an den Natur- und Tierschutz gedacht werden. So ist die Wassernuss - im Großen Walloch fast eine Plage - vom Aussterben bedroht. Schutz und Pflege in Einklang zu bringen, ist demnach für die Kulturstiftung eine Herausforderung, wenn es um den Erhalt der Gewässer geht.
Das Projekt, das der langfristigen Sicherung des Unesco-Welterbes dienen soll, wurde durch die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) ermöglicht und gemeinsam mit dem Landschaftsbüro Dr. Reichhoff GmbH (Dessau-Roßlau) und dem Institut für Binnenfischerei (Potsdam) realisiert. Wissenschaftlich unterstützt wurde es zudem vom Gewässerkundlichen Landesdienst des Landesbetriebes für Hochwasserschutz Sachsen-Anhalt (LHW), dem Landesamt für Umweltschutz, der Unteren Naturschutzbehörde und der
Unteren Wasserbehörde des Landkreises Wittenberg, der Oberen Fischereibehörde sowie dem Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie.
Die 1990 gegründete DBU mit Sitz in Osnabrück hat seit ihrem Entstehen bisher rund 9 000 Projekte in Deutschland mit 1,58 Milliarden Euro gefördert. Das aktuelle Projekt der Kulturstiftung wird im Rahmen des Kulturgüterschutzes gefördert. Bereits in der Vergangenheit erhielt die Kulturstiftung mehrfach finanzielle Hilfe der DBU, so u. a. bei der Sanierung des Oranienbaumer Schlossgartens, der Anbringung eines Sonnenschutzes am Gotischen Haus und der Sanierung von Skulpturen im Schloss Mosigkau. Gefördert wurden von der DBU auch etliche bauliche Maßnahmen an Kirchen im Gartenreich und die Beseitigung von Umweltschäden an der Wittenberger Schlosskirche. (mz)