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Schlosskirchen-Ensemble in Wittenberg Schlosskirchen-Ensemble in Wittenberg: Da kommt was auf sie zu

Von Corinna Nitz 05.02.2016, 15:27
So sieht’s aus am Schlossensemble - dort werden bald auch Jörg Bielig und Matthias Meinhardt arbeiten.
So sieht’s aus am Schlossensemble - dort werden bald auch Jörg Bielig und Matthias Meinhardt arbeiten. Klitzsch Lizenz

Wittenberg - Die Nachricht, dass er den Zuschlag für die Verwalterstelle des Schlosskirchenensembles bekommen hat, erreichte Jörg Bielig mitten in einer Sondersitzung des Gemeindekirchenrats. Das war am 15. Dezember 2015 und seine Frau die erste, die er an diesem Abend informierte, direkt gefolgt von Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos). Der war damals noch sein Dienstherr, Bielig leitete bekanntlich das Ordnungsamt der Lutherstadt. Bis er sich entschloss, mit knapp über 50 Jahren beruflich noch mal zu neuen Ufern aufzubrechen und dafür den (sicheren) „Hafen des öffentlichen Dienstes zu verlassen“, wie mancher aus seinem Umfeld es ihm gegenüber „respektvoll“ formuliert habe.

Diesen Montag hatte Bielig seinen ersten Arbeitstag. Wie’s war? „Anstrengend“, gesteht er. Als er im Büro den Rechner hochgefahren hatte, lauerten im Postfach bereits 53 E-Mails. Darunter sei keine Spam-Mail gewesen, nein, alles schon Arbeit, alles wollte beantwortet werden. Bielig spricht ansonsten von einem „warmen Empfang“, den man ihm im Evangelischen Predigerseminar bereitet hatte. Denn dort ist die Stelle des Verwalters, auch Kustos genannt, angesiedelt. Nach Auskunft von Seminardirektorin Hanna Kasparick hatten sich „deutschlandweit“ Bewerber auf die Ausschreibung gemeldet. Vier waren eingeladen worden, von denen drei kamen. In der Auswahlkommission waren neben dem Predigerseminar auch die Wittenberg-Stiftung und die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) vertreten. Letztere stelle auch Mittel zur Verfügung. Nach seiner neuen Tätigkeit befragt, spricht Bielig von drei Säulen.

Das Schlossensemble ist die Wittenberger Großbaustelle des Reformationsjubiläums. Die Gesamtkosten für Schloss, Südflügel und Hof belaufen sich wie berichtet auf 32,8 Millionen Euro. Zu den Hauptnutzern des Schlosses gehört das Evangelische Predigerseminar, das 2016 auf eine 200-jährige Geschichte zurückblicken kann. 2012 war es aus dem Augusteum, dem Domizil seit 1817, ausgezogen und nutzt seither als Interim die Cranach-Herberge sowie Räume der Jugendherberge.

Ende April/Anfang Mai 2016 soll die Schlosskirche, die auch Ausbildungskirche für die Vikare ist, wieder für den Besucherverkehr geöffnet werden. Mit dem Einzug des Seminars ins Dachgeschoss des Schlosses rechnet Direktorin Hanna Kasparick im Dezember. Die Indienstnahme des neuen Unterkunftsgebäudes (Neubau Südflügel) ist nun für den 30. September angesetzt. Am 1. Oktober wird eine Ausstellung zum 200-jährigen Bestehen des Seminars im Augusteum eröffnet. Die Wiedereröffnungsfeier der Schlosskirche ist für den 2. Oktober geplant.

Erstens: Begleitung der Baumaßnahme. Zweitens: Haushalt und Personal. Drittens: Öffentlichkeitsarbeit. So skizziert er sein Aufgabenfeld, welches das gesamte Schlossensemble und dessen „Bewirtschaftung“ betreffe - außer die Reformationsgeschichtliche Forschungsbibliothek, doch dazu gleich mehr. Bielig, der wie berichtet vor seinem Wechsel in die Stadtverwaltung (von 1987 bis 1990) Küster an der Wittenberger Schlosskirche war, hat in seinem neuen Amt keinen Vorgänger und also auch kein Vorbild. „Vieles ist noch im Wachsen“, sagt er und auch dies: „Ich bin wie ein trockener Schwamm.“ Die Vorteile, der Erste zu sein? „Man kann selbst gestalten“, freut er sich auf das, was vor ihm liegt. Von einer „großen Freude, dass wir diesen Zuwachs haben“, spricht Hanna Kasparick. Das von ihr geleitete Predigerseminar, inzwischen zuständig für die Ausbildung von Vikaren aus mehreren Bundesländern, wird einer der Hauptnutzer im Schloss. Zudem bezieht man den Neubau an der Stelle des einstigen Südflügels. Mit Zuwachs meint Kasparick aber nicht nur den neuen Kollegen Bielig, sondern ebenso die Berufung von Matthias Meinhardt zum Leiter der Reformationsgeschichtlichen Forschungsbibliothek. „Die Pläne nehmen Gestalt an“, sagt Kasparick auch insoweit.

Diese - noch virtuelle - Einrichtung wird im ersten und zweiten Obergeschoss im Schloss eingerichtet. Bestehen wird sie im wesentlichen aus den Bibliotheksbeständen des Predigerseminars und der Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt. Meinhardt, Jahrgang 1969, der an der Christian-Albrechts-Universität Kiel u. a. Geschichte, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften sowie Philosophie studierte, spricht von etwa 220.000 Bänden. Die alle zusammenzuführen, ist ebenfalls eine Herausforderung, schließlich soll für die künftigen Nutzer aus der internationalen Forscher- und Wissenschaftswelt ein „homogener Korpus“ aus den unterschiedlichen Bibliotheken werden.

Meinhardt, der an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg lehrte, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel war und zuletzt 2015 Forschungsstipendiat am Max-Planck-Institut für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt am Main, freut sich auf diese Aufgabe. Auch er hatte übrigens seinen ersten Arbeitstag in Wittenberg am 1. Februar.

Für die wissenschaftliche Profilierung der Bibliothek wurde die Stiftung Leucorea mit ins Boot geholt. Allein drei Universitäten (Jena, Halle und Leipzig) sind Kasparick zufolge im wissenschaftlichen Beirat vertreten: „Die Erwartungen sind hoch.“ Mit dem Umzug der Forschungsbibliothek wird im September oder Oktober 2016 gerechnet. Danach kann Meinhardt zusammenführen, was zusammen passt. Am wissenschaftlichen (Begleit-)Programm arbeitet er schon. Die Rede ist von Vorträgen, Gastseminaren, international ausgerichteten Tagungen und dem internationalen Ausbau eines Stipendiaten-Programms. Besonders in den USA sei die Nachfrage groß. (mz)