Renaissance-Musik-Festival Renaissance-Musik-Festival: Liebeslieder in Schlosskirche

Wittenberg - Just zum dritten Mal eröffnete der Oberbürgermeister Torsten Zugehör sichtlich begeistert das Wittenberger Renaissance-Musikfestival in der Schlosskirche Wittenberg. Dieses in einem Bad Schmiedeberger Kuhstall ursprünglich entstandene Festival als Privatinitiative verglich Zugehör mit Bill Gates und dessen Anfängen in einer Garage. Ein interessanter Vergleich, auf den man nicht spontan kommt, der aber einmal mehr die Bedeutung dieses Festivals und vor allem auch deren Nestoren, dem Lautenisten Thomas Höhne und der Gambistin Gesine Friedrich unterstreichen soll.
Die Renaissancemusik und ihre sorgfältige Pflege haben Höhne und Friedrich mit ihrer Wittenberger Hofkapelle ohne Frage für eine breite Öffentlichkeit in Wittenberg erst zugänglich gemacht. Diese Initiative ist mittlerweile eine Marke, die Sponsoren, wie zum Beispiel Sparkasse und Stadtwerke der Lutherstadt überzeugt haben. „Renaissancemusik – das ist total fetzige Musik“, soll Thomas Höhne einmal gesagt haben. „Echt geil“ würde man im Slang der heutigen Jugend sagen.
Im mediterranen Klangkosmos
Das Ensemble Oni Wytars hatte man zur Eröffnung dieses Festivals eingeladen mit ihrem Programm Cantor d’amore, also mit Liedern über die Liebe aus der italienischen Renaissance - man möchte fast sagen Hymnen über die Liebe. Oni Wytars hat sich seit den 80er Jahren der mittelalterlichen Musik, dem „mediterranen Klangkosmos aus Rhythmen, Melodien und Improvisationen“, so die Eigenwerbung, verpflichtet. Sie gestalten nach 2013 zum zweiten Mal in der Lutherstadt dieses Festival mit.
Liebesgesänge in der Schlosskirche – geht das überhaupt? Es geht. Lieder, die vom einfachen Volk gesungen und überliefert wurden, die man, wenn sie dort gut ankamen, bei Hofe der Adligen vortrug und heimlich mitschreiben und harmonisieren ließ. So entstand eine Volksmusik. Man vergegenwärtige sich: Lieder der Straßenmusiker finden sich in der Aristokratie wieder. Es entstand eine Vermischung der Volks- und Kunstmusik, die gedruckt wurde und somit der nach Musik lechzenden Öffentlichkeit zu Verfügung stand.
„Wir haben alles durchgemacht, was die Liebe anbetrifft“, sagte augenzwinkernd (oder entschuldigend?) Peter Rabanser, Gründer des Ensembles und einer der Sänger und Instrumentalisten (Dudelsack, Chalumeau, Barockgitarre) neben der anmutigen und hinreißend singenden Römerin Gabriella Aiello. Man möchte ihm glauben angesichts dieser spannungsgeladenen Darbietungen.
Gegenstück stimmt ein
Es begann allerdings mit einem „Antidotum Tarantullae, einem für eine Tarantella gegensätzlichen und ruhigen Tanz, bei dem die Harfe die Melodie vorstellt und nacheinander Blockflöte, Schlüsselfidel und Barockgitarre einstimmen. Tarantellen, wie sie im weiteren Verlauf des Konzertes immer wieder eingestreut gespielt wurden, sind wilde süditalienische Volkstänze, die erstmalig von dem Jesuiten und Universalgelehrten Athanasius Kircher beschrieben wurden. Sein Antidotum Tarantullae als Gegenstück sollte das Publikum auf melancholische Weise auf die folgenden Liebesgesänge, aber auch die wilden Tänze einstimmen.
Es folgten Lieder aus Neapel, Salento, Venezien, dem Gagnano, der Toskana, klug zusammengesellt, authentisch. Viele schwermütige Lieder über die Vergänglichkeit der Liebe, dann wieder wilde Gesänge und Tänze, die zum Tanzen förmlich animierten. Die Tänze sind klar und exzellent arrangiert. Lieder und Traditionals wechseln sich ab. Die folkloristischen Elemente sind bei diesem Ensemble wunderbar aufgehoben. Die Stimme von Gabriella Aiello betört. Die Serenada sulla Ceccola in der Dudelsackbegleitung durch Peter Rabanser sei ein Beispiel dafür gewesen.
Mit überschwänglicher Spiellust
Die Instrumentalisten, ob Harfe (Riccardo Delfino), Schlüsselfidel und Maultrommel (Marco Ambrosini), vor allem auch Blockflöten (Michael Posch) oder Perkussion (Katharina Dustmann) zeigten überschwängliche Spiellust – sie hatten in der Tat wohl viel durchgemacht. Diese vielen unterschiedlichen Klangfarben und Stilrichtungen waren kurzweilig, abwechslungsreich, aber auch intensiv. Es ist eine Epoche, die authentisch wiederbelebt wurde. Renaissancemusik ist nicht nur Musik der Reformation.
Und es dauerte bis fast zum Schluss, bis das zahlreiche Publikum zum Rhythmus der Musik mitklatschte und schunkelte. Man war ausgelassen. Der Beifall forderte zu drei Zugaben heraus. Und Luther hätte bestimmt auch seinen Spaß gehabt. Denn: Die Liebe allein ist eine Tugend und schafft alle anderen Tugenden, hat er mal gesagt.
„Von Wittenberg in die Welt“, das 11. Wittenberger Renaissance Musikfestival, bietet noch bis zum 31. Oktober, Instrumental- und Tanzkurse, Konzerte, einen Renaissancetanzball (29.10.) und eine Instrumentenausstellung (29./30.10.) im Alten Rathaus.
Konzerttermine:
(mz)