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Predigerseminar in Wittenberg Predigerseminar in Wittenberg: Vikare ziehen um, Herberge ist wieder buchbar

Von Stefanie Hommers 19.12.2016, 08:43
Matthias Clemens und Saskia Rehhahn versprechen ihren Gästen ein offenes Haus, in dem sie sich aufgehoben fühlen und ihre Kreativität ausleben können.
Matthias Clemens und Saskia Rehhahn versprechen ihren Gästen ein offenes Haus, in dem sie sich aufgehoben fühlen und ihre Kreativität ausleben können. Thomas Klitzsch

Wittenberg - In der Cranach-Herberge wird gewerkelt und geräumt, repariert und geplant. Die Zeit, da das Domizil den Vikaren und Vikarinnen, die im Wittenberger Predigerseminar ausgebildet werden, als vorübergehende Wohnstatt diente, ist Vergangenheit.

Die letzten Umzugskisten der Vikare sind gepackt; nun spielt Zukunftsmusik. Mit neuen Ideen, neuen Mitarbeitern und jeder Menge Energie bereitet sich das Cranach-Team darauf vor, 2017 wieder Gäste zu beherbergen.

Gute Nachbarschaft

„Es war eine gute Nachbarschaft“, sagt Eva Löber über die Zeit mit den Vikaren, aber die Zeit habe auch (Gebrauchs-)Spuren hinterlassen. Statt geplanter zwei Jahre hatte die Interimslösung mehr als vier Jahre gewährt.

Nun müsse man sich zunächst wieder als Herberge in Erinnerung rufen, bekundet die Geschäftsführerin der Cranach-Stiftung und hat daran offensichtlich schon gearbeitet. Vor allem zu den Höhepunkten im Jahr des Reformationsjubiläums gibt es schon jede Menge Buchungen, aber gerade im ersten Quartal seien noch viele der insgesamt 28 Zimmer frei.

Eine Kabinettsorder des Königs Friedrich Wilhelm III. bestimmte 1816 „ein lutherisches Predigerseminarum“ anstelle der ehemaligen Universität in Wittenberg einzurichten. Zum Reformationsfest 1817 wurde es in Gegenwart des Königs eröffnet.

Bis zum Sommer des Jahres 2012 war das Augusteum am Lutherhaus, Sitz des Evangelischen Predigerseminars. Jetzt zieht es nach fast 200 Jahren in die unmittelbare Nachbarschaft seiner Ausbildungskirche in das Wittenberger Schloss um.

Die neue Wohnstatt der hier ausgebildeten Vikare ist das Christine-Bourbeck-Haus, benannt nach einer der ersten evangelischen Pfarrerinnen in Deutschland und Gründerin des ersten Vikarinnenseminars in Berlin-Spandau. Bis zur Fertigstellung des Neubaus waren die Vikare in der Cranach-Herberge untergebracht.

Die Gäste dürften sich 2017 „auf ein offenes Haus freuen, in dem sie sich aufgehoben fühlen und ihre Kreativität ausleben können“, sagt Matthias Clemens. Zusammen mit Saskia Rehhahn will der 35-jährige gebürtige Wittenberger genau dafür sorgen.

Schließlich sei die Cranach-Herberge kein Hotel im konventionellen, kommerziellen Sinne, so der neue Herbergsvater. Die Erlöse aus dem Gästebetrieb werden zur Finanzierung der Arbeit von Stiftung und Malschule genutzt, das Haus bietet Künstlern und Kunstinteressierten Raum für Gestaltung.

Genutzt wird dafür nicht zuletzt das ganz eigene Flair jenes Hofes, in dem sich vor 500 Jahren die Malwerkstatt Lucas Cranachs befand. Geschichte und Gegenwart, moderne Kunst und alte Meister stehen einander gegenüber und schlagen eine Brücke über die Jahrhunderte, so Eva Löbers Vision.

Und wer nicht selbst mit Pinsel und Palette hantieren wolle, der könne „junge Kunst im Schlaf fördern“, zitiert Clemens einen Werbeslogan der Herberge. Die Umzugskisten, die in der Cranachherberge gepackt wurden, sind derweil im „Christine Bourbeck-Haus“ angekommen.

Auch hier wird noch gewerkelt und geräumt, nachgebessert und geplant. Wer aus dem Neubau, der den Platz des ehemaligen Südflügels des Wittenberger Schlosses eingenommen hat, nach draußen schaut, der blickt auf eine Baustelle.

„Der Ort ist so schön“, freut sich Hanna Kasparick, und sieht an einem regnerisch grauen Dezembertag über schlammige Wege, Baugruben und Absperrungen hinweg auf die Schlosskirche. So dicht am Weltkulturerbe, so lichtdurchflutet sei die neue Wohnstatt für die Vikare und Vikarinnen.

Kein Zweifel, die Direktorin des Predigerseminars freut sich „hier angekommen zu sein“. Obwohl dafür der traditionsreiche Ort im Augusteum aufgegeben werden musste, obwohl ein Interimsaufenthalt in der Cranach-Herberge nötig war, obwohl im neuen Haus noch nicht alles fertig ist, wirkt Hanna Kasparick zufrieden.

„Wenn man durch die Räume geht, merkt man, es stimmt alles“, unterstreicht sie. Die moderne Architektur sei ein ehrliches Bekenntnis zum 21. Jahrhundert und greife doch die Tradition des Ortes auf. Der Standort biete gute Bedingungen zum konzentrierten Lernen, sei Rückzugsort und doch lebe man hier nicht auf einer Insel der Seligen.

Wenn man vom Haus auf den Schlossplatz trete, sei man „mittendrin im Geschehen“ und zudem ganz nah am Arbeitsort Schlosskirche.

Mit Übergangslösungen

Zur Euphorie des Anfangs gehört indes auch Improvisation. Noch gibt es auch im Bourbeck-Haus einige Interimslösungen. Zwei Dienstwohnungen werden als Büros genutzt, weil die entsprechenden Räume im Schloss noch nicht fertig sind.

Die Sekretärinnen haben im Schlafzimmer Platz gefunden, die Küche ist derzeit Besprechungsraum und das Wohnzimmer fungiert als kleine Bibliothek - mit weitem Blick auf den Luthergarten. Vieles ist in Bewegung, ist neu, schlicht, funktional und modern. Einige Einrichtungsgegenstände werden indes auch am neuen Ort von der alten Tradition des Predigerseminars künden.

Die ersten alten Möbel aus dem Augusteum sind - frisch aufgearbeitet - bereits eingetroffen. Tische Stühle und Sessel werden auf den Fluren ihren Platz finden und dazu einladen, sich niederzulassen zu Gesprächen und Diskussionen, die aktuelle Fragen behandeln ohne vergangene Erfahrungen außer Acht zu lassen. (mz)