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Penis angenagelt Penis angenagelt: Dänischer Performance-Künstler schlägt in Wittenberg zu

Von A. Baumbach 05.12.2017, 17:34
Uwe Max Jensen hat seinen Penis an einen Baum in Wittenberg genagelt.
Uwe Max Jensen hat seinen Penis an einen Baum in Wittenberg genagelt. Klitzsch

Wittenberg - Der Mann steigert sich. Der dänische Performance-Künstler Max Uwe Jensen hat am Dienstag Wittenberg heimgesucht - zum zweiten Mal. Diesmal ist die Nummer, die er vor laufender Kamera absolviert, noch eine Spur unappetitlicher.

Der Wind pfeift kalt über die Andreasbreite südlich der Wittenberger Altstadt, als der umstrittene Däne mit zwei Kameraleuten auftaucht. Erst zieht er sich aus, dann nagelt er ein Brett an den jungen Baum, später die Vorhaut seines Penis.

Martin-Luther-Zitat vom Apfelbaum

Mit der Aktion wolle er „Jesus Christus selbst übertreffen“, erklärt der 45-Jährige. Dabei zitiert er den Martin Luther zugeschriebenen Satz „Selbst wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch meinen Apfelbaum pflanzen“ auf englisch. Dazu tönt immer wieder auf deutsch: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“. Den Satz soll Luther auf dem Reichstag zu Worms gesagt haben, als er aufgefordert wurde, seine Schriften zu widerrufen.

Kein Verständnis für die Aktion hat Hans W. Kasch: „Es gibt die Freiheit von Kunst, aber auch eine Grenze.“ Kasch ist Pastor und Direktor des Wittenberg-Zentrums vom Lutherischen Weltbund, der im Rahmen des Reformationsjubiläums auch den Luthergarten entwickelt hat. Das Areal mit Hunderten Bäumen, die von nationalen und internationalen Kirchengemeinden gepflanzt wurden, befindet sich im Eigentum der Stadt.

Dorthin hatte Kasch sich noch am Dienstagnachmittag gewandt und beraten, was gegebenenfalls zu tun sei. Er hatte den Baum nach der Aktion selbst in Augenschein genommen, zu diesem Zeitpunkt war das Brett dort noch „angenagelt - und Nägel gehören nicht in Bäume“. Die Stadt, so Kasch, werde den Befund dokumentieren „und zur Anzeige bringen“.

Er spricht von Sachbeschädigung - und um auch noch einmal die Freiheit der Kunst anzusprechen: „Man könnte das abtun als nicht überlegte Aussage. Aber in Verbindung mit der Kreuzigungsszene ist es nicht tolerabel. Da hört die Freiheit der Kunst auf.“ Davon abgesehen sei es „illegal“ passiert. Rathaussprecherin Karina Austermann argumentiert ähnlich. Sie fasst sich kurz und erklärt: „Das ist keine Kunst sondern Sachbeschädigung.“

Schnell zurück in die Heimat

Die Aktion ist nach wenigen Minuten beendet. Jensen kleidet sich an und zieht sich mit seinen beiden Leuten in Richtung Auto zurück. „Wir wollen schnell zurück nach Dänemark, bevor uns die deutsche Polizei hier vielleicht noch festhält“, sagt einer der beiden Assistenten.

Die Kunsthistorikerin Marlies Schmidt bleibt entspannt: „Prinzipiell ist alles Kunst“, folgt sie Joseph Beuys. Man müsse toleranzbereit sein. Eine andere Frage sei, ob es sich um gute Kunst handelt und ob sie Bestand haben wird. Das werde die Zeit zeigen. Sie empfiehlt: Machen lassen und nicht aufschaukeln. Interessant sei, dass Wittenberg derlei Aktionen offenbar anzieht: „Jeder, der sich als Erlöser sieht, kommt hier vorbei.“

Superintendent Christian Beuchel kann hingegen keinen Sinn erkennen in dem Auftritt des Dänen: „Das ist abstoßend, eklig, unästhetisch. Kunst soll den Blick auf die Welt neu öffnen.“ Das sei hier kaum der Fall: „Ich hoffe nur, dass der Baum keinen Schaden genommen hat“, bemerkt der Theologe.

Vor einem Jahr hatte der Däne bereits international für Schlagzeilen gesorgt, als er seine Genitalien an die weltberühmte Thesentür der Schlosskirche geklebt hatte. Die Polizei ermittelte von Amts wegen gegen den Mann wegen Exhibitionismus. Das Verfahren wurde wenige Wochen später von der Staatsanwaltschaft eingestellt. Ein Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs wurde von Seiten der Schlosskirchengemeinde seinerzeit nicht gestellt.

Wenige Tage nach Jensens Aktion hatten Unbekannte die Thesentür mit blauer Farbe beschmiert, auf den Gehwegplatten vor der Thesentür ein Hakenkreuz aufgebracht. Beide Aktionen waren Anlass für Diskussionen zur Videoüberwachung in der Lutherstadt im Reformationsjubiläumsjahr - die dann ja auch tatsächlich am Schlossplatz praktiziert wurde.

Baum von Königin Margrethe

Den Baum, an dem Jensen gestern Querbrett und Penis annagelte, hatte Königin Margrethe II. von Dänemark am 2. Oktober 2016 im Zuge der feierlichen Wiedereröffnung der Wittenberger Schlosskirche nach langjähriger Restaurierung gepflanzt. Der Baum wurde symbolisch für die Evangelisch-Lutherische Volkskirche in Dänemark gepflanzt.

Jensen ist bereits mehrfach mit seinen Aktionen aufgefallen. Im dänischen Aarhus soll er im Januar 2005 in eine Wasserinstallation von Olafur Eliasson uriniert haben. Im Dezember 2014 machte Jensen Schlagzeilen, als er ein Porträt der Nackt-Prominenten Kim Kardashian mit seinem Penis in Acryl malte.

Zehn Stunden soll er für das Werk gebraucht haben. „Ich mache viele Sachen mit meinem Penis“, erklärt Jensen. Kurz zuvor hatte er in Kopenhagen für Furore gesorgt. Die berühmte Statue der Kleinen Meerjungfrau aus Hans Christian Andersens Märchen war 1964 von Unbekannten geköpft worden. Jensen erinnerte an das Verbrechen - indem er es nachstellte. Auch dabei zeigte er sich nackt.

Jensens Aktionen blieben nicht immer harmlos. So kam es bei einer Performance auch zu einem Gerangel mit Mitarbeitern eines Museums in Aalborg, als diese ihn daran hindern wollten, auf einen Spiegel zu urinieren. Jensen spricht von Notwehr, der dänische Sender TV2 hatte den Angriff sogar gefilmt. (mz)