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Farbanschlag Thesentür Wittenberg Anschlag Thesentür Wittenberg: Kann es durch Kameras besseren Schutz geben?

Von Marcel Duclaud 22.11.2016, 06:00
Touristenmagnet Thesentür: Die Spuren des Farbanschlags sind auch am Montag noch sichtbar.
Touristenmagnet Thesentür: Die Spuren des Farbanschlags sind auch am Montag noch sichtbar. Thomas Klitzsch

Wittenberg - Die bronzene Thesentür ist ein Magnet - im Guten wie im Schlechten. Sie zieht Christen aus aller Welt nach Wittenberg, sie gehört beim Besuch der Lutherstadt zu den Orten, die man schlicht gesehen haben muss. Dieses Symbol der Reformation wird aber eben auch als Hintergrund für Auftritte mit allerlei kruden Ideen genutzt. Zum Beispiel von durchgeknallten „Penis-Künstlern“.

Man wird so etwas gerade im Blick auf das Jubiläumsjahr 2017 nicht vollständig verhindern können, was aber verhindert werden sollte, sind Anschläge wie der vom vergangenen Wochenende, als ein Farbbeutel die berühmte Tür traf und eine Art Hakenkreuz auf dem Vorplatz für beträchtliche Aufregung in der Stadt sorgte.

Schon am Tag danach wird nicht nur geprüft, wie groß die Schäden an der Tür tatsächlich sind, ob die Wachsschicht ihre Funktion erfüllt hat und ob es womöglich eines weiteren Schutzes der Bronze bedarf, auch die Diskussion um eine intensivere Überwachung des Schlossplatzes nimmt Fahrt auf.

Der Platz steht natürlich längst unter verstärkter Beobachtung: „Die Innenstadt wird grundsätzlich häufig bestreift, auch nachts und am Wochenende“, erklärt dazu Polizeisprecherin Cornelia Dieke - in „einsatzfreier Zeit“ und „im Rahmen der Möglichkeiten“.

Die Kommune hat den Stadtordnungsdienst deutlich aufgestockt, von 2,75 auf acht Stellen, wie Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) anmerkt. Der Ruf „Das reicht alles nicht!“ sei freilich immer wieder zu vernehmen - auch aus den Ortsteilen.

Die „totale Überwachung“ sei freilich weder möglich noch wünschenswert, Zugehör plädiert im Blick auf den Schlossplatz trotzdem für Videokameras: „Was ist wohl die nächste Stufe? Was muss noch passieren? Ich halte mich für einen liberalen Juristen, aber an diesem Ort zu dieser Zeit...“

Betroffen ist nicht allein die Thesentür an der Schlosskirche. Schmierereien sorgen vielerorts in der Stadt für Unmut - bisweilen kommen Touristen in die Redaktion, freuen sich über das attraktiv hergerichtete historische Zentrum und verstehen nicht, wieso frisch renovierte Fassaden so schnell wieder verschandelt werden.

Auch in der Stadtkirche können sie ein Lied davon singen. In das Gotteshaus sind gerade 7,8 Millionen Euro gesteckt worden, unter anderem Epitaphe wurden aufwendig aufgearbeitet - jetzt ist eines schon wieder verunziert worden. In roter Farbe hat jemand vor zwei Wochen „No Nazis“ auf den Sandstein gesprüht. „Wir sind geschockt. Eine schlimme Sache, hier wird historische Substanz beschädigt“, sagt Kirchmeister Bernhard Naumann. Der Fall sei zur Anzeige gebracht: „Wir bemühen uns in Absprache mit den Restauratoren, die Farbe wieder zu entfernen.“ Empört ist auch der Pfarrer der Stadtkirche, Johannes Block: „Eine Unverschämtheit. Das ist öffentliche Kunst, die hier beschädigt wird.“ Das Graffito zu entfernen bedeute finanziellen Aufwand, den man sich hätte sparen können. (mz/mac)

Zugehör kündigt an, dass das Thema Schlossplatz beim nächsten Treffen des Stadtsicherheitsrates eine Rolle spielen wird, eingeladen in die Runde soll auch ein Kirchenvertreter werden. Zu klären sei bis dahin unter anderem, wer wofür zuständig ist. Wo genau beginnt der Bereich der Kirche? Schon hinter dem Zaun oder erst direkt vor dem Gotteshaus? Das „Hakenkreuz“ vom Sonntag jedenfalls dürfte auf kommunales Terrain gesprüht worden sein.

Dass zusätzliche Überwachung kaum zu umgehen sein wird, sieht auch „Hausherrin“ Hanna Kasparick so, die Direktorin des Predigerseminars war sichtlich erschüttert über den Farbanschlag. Wie genau die Konsequenzen aussehen sollen, müsse jetzt besprochen werden. Videokameras im öffentlichen Raum zu installieren, sei so einfach aber nicht. Vorstellbar seien auch Wachschutz oder Scheinwerfer, die genau dann leuchten, wenn jemand an die Thesentür herantritt.

Aber klar sei auch: „Die Tür wird kaum ein Jahr lang 24 Stunden am Tag geschützt werden können.“ Und klar sei ebenfalls: Aktionen, die darauf zielen, die Symbolkraft der Thesentür zu nutzen, dürfte es weiter und im nächsten Jahr verstärkt geben: „Was aber gar nicht geht, ist Sachbeschädigung.“

Beängstigend nennt unterdessen Kristin Ruske die „Dreistigkeit“, wie hier mit einem bedeutenden Kulturgut umgegangen werde. „Das hat natürlich Auswirkungen, das spricht sich herum“, sagt die Chefin der Wittenberger Tourist-Information. Direkte Konsequenzen für den Tourismus fürchtet sie nicht, aber „das Bild, das wir abgeben und um das sich so viele Menschen bemühen“, das nimmt natürlich Schaden.

Sie selber hat die Thesentür von ihrem Schreibtisch aus stets im Blick und sie war es auch, die die Polizei informierte, als der dänische „Performancekünstler“ sich vor zwei Wochen dort zu schaffen machte. Kristin Ruske fordert wie auch Hanna Kasparick die Bürger dieser Stadt auf, aufmerksam zu sein, bei Vandalismus nicht wegzuschauen und Zivilcourage zu zeigen.

Übrigens: Eine heiße Spur hat die Polizei bislang nicht. „Die Ermittlungen laufen weiter, Spuren werden ausgewertet“, sagte am Montag Polizeisprecher Sebastian Opitz. Derweil wird im Netz diskutiert, ob das Hakenkreuz ein Hakenkreuz ist und ob eher die linke oder die rechte Szene für den Anschlag verantwortlich zu machen sei. Manche versteigen sich zu der Theorie, das Hakenkreuz sei ein Verweis auf Luthers Antisemitismus. Die Aufregung jedenfalls ist immens, schnelle Aufklärung könnte die Gemüter beruhigen. (mz)