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Farbanschlag auf Thesentür  Farbanschlag auf Thesentür : Wittenberger Schlosskirche mit Hakenkreuz geschändet

Von Marcel Duclaud 21.11.2016, 08:18
Das Bild bot sich Passanten Sonntagfrüh. Die Thesentür der Schlosskirche ist mit blauer Farbe verunstaltet worden. Der Feuerwehr gelang es schnell, einen großen Teil der Farbe zu entfernen. Die Spuren des Anschlags sind aber nach wie vor deutlich zu erkennen.
Das Bild bot sich Passanten Sonntagfrüh. Die Thesentür der Schlosskirche ist mit blauer Farbe verunstaltet worden. Der Feuerwehr gelang es schnell, einen großen Teil der Farbe zu entfernen. Die Spuren des Anschlags sind aber nach wie vor deutlich zu erkennen. Privat

Wittenberg - Entsetzen in Wittenberg. Die berühmte Thesentür der Schlosskirche, Pilgerort vieler Christen, ist geschändet worden. In der Nacht zum Sonntag haben Unbekannte sowohl die bronzene Tür als auch den Platz davor mit blauer Farbe beschmiert. Zu erkennen war eine Art Hakenkreuz, die Tür selbst, die mit einem Zaun geschützt ist, hat vermutlich Farbbeutel abbekommen.

Dafür sprechen etwa zahlreiche Spritzer am Sandsteinportal. Der Anschlag auf die frisch restaurierte Thesentür, ein zentrales Element der Feierlichkeiten zum Reformationsjubiläum, ist am Sonntagmorgen kurz vor 8 Uhr entdeckt worden. Polizei und Hauptamtliche Wachbereitschaft waren schnell vor Ort. Zum Einsatz kam unter anderem ein spezieller Graffiti-Spürhund.

Angesichts der mit blauer Farbe verschmierten Thesentür sagt die Wittenbergerin Astrid Räuchle: „Ein erschreckender Anblick“. Sie hat den Anschlag am Sonntagmorgen zufällig entdeckt. „Nach der Nackt-Attacke nun das“. Die langjährige Gästeführerin hofft, dass den für sie schockierenden Angriffen auf die Thesentür nicht noch weitere folgen und vor allem, dass es keine weiträumige Absicherung geben wird. „Denn als Stadtführerin ist es für mich und auch für die Besucher natürlich besonders schön, dass man so nah an die Thesentür herangehen kann.“

Etliche Passanten, die am Vormittag durch die Innenstadt schlendern, schütteln den Kopf, ungläubig, irritiert, erschrocken. Er verstehe nicht, was die Botschaft dieses vandalistischen Aktes sein soll, wenn es denn eine gebe, bekennt auch Jörg Bielig. Dem Kustos der Schlosskirche geht es qua Amt nicht in erster Linie um Motivsuche. Man werde gemeinsam mit den Denkmalschützern einen Plan entwickeln müssen, nach dem man in solchen Fällen vorgehen kann, so Bielig. Schließlich kann man dem bronzenen denkmalgeschützten Stück, das ein Touristenmagnet ist, nicht einfach mit Chemikalien zu Leibe rücken. Die Gefahr einer Beschädigung wäre zu groß.

Kameraden der Feuerwehr bemühten sich, die blaue Farbe so schnell wie möglich zu entfernen. Das ist nicht so einfach wie es scheint. Die wertvolle Bronze darf nicht geschädigt werden. Jörg Bielig, Kustos des Schlosskirchenensembles, hofft, dass die nach der Restaurierung aufgetragene Wachsschicht einen ausreichenden Schutz geboten hat.

Nach den Worten von Gerd Geier, Fachbereichsleiter Katastrophenschutz bei der Stadt, ist mit einer milden Seifenlauge gearbeitet worden. Eingesetzt haben die Feuerwehrleute den Kercher der Ölkehrmaschine, mit dem Druck ist vorsichtig umgegangen worden.

Große Teile der blauen Farbe konnten noch am Vormittag beseitigt werden. Deutliche Spuren bleiben trotzdem, mit einiger Wahrscheinlichkeit muss der Restaurator die Thesentür noch einmal einer Feinreinigung unterziehen. Auch die Spritzer am Sandstein sind noch nicht entfernt.

Unterdessen ist die Empörung allgemein: „Da fehlen einem die Worte“, sagen Eva und Günter Oestreich, die auf dem Weg zum Gottesdienst sind. Sie fügen hinzu: „Das ist erschreckend. Hier wird alles so schön gemacht. Und das ist doch auch für uns.“

Hanna Kasparick, Direktorin des Predigerseminars und damit Hausherrin der Schlosskirche, ist sichtlich erschüttert: „Ich bin schockiert und verurteile das zutiefst“, erklärt sie nach dem Gottesdienst. Das sei ein Angriff auf ein Gotteshaus. Wer so etwas tue, der greife Liebe und Barmherzigkeit an.

Die Wittenbergerin sieht durch den Farbanschlag indes ebenso die Werte der Zivilgesellschaft verletzt: „Ich hoffe, dass das aufrüttelnde Wirkung hat und uns zusammenhalten lässt.“ Kein Blatt vor den Mund nimmt Wittenbergs Oberbürgermeister Torsten Zugehör, der noch am Sonntagvormittag zur Schlosskirche kommt, um sich über den Stand der Dinge zu informieren: „Die Thesentür steht als Symbol für Mut und Standhaftigkeit. So ein jämmerlicher Farbanschlag im Schutz der Nacht dagegen offenbart Feigheit und Dummheit.“

Weil sich die Attacken auf das weltberühmte Symbol der Reformation häufen - erst vor zwei Wochen hatte ein dänischer „Performancekünstler“ für Aufsehen gesorgt, als er ebenfalls an einem Sonntag nackt die Absperrung zur Thesentür überstieg, seinen Penis an die Tür klebte und dabei Luther-Zitate rief - soll jetzt beraten werden, wie die Tür besser geschützt werden kann.

„Wir stimmen uns mit dem Eigentümer ab.“ Ein Gesprächstermin sei bereits vereinbart. Dass dieser prominente Ort gerade 2017 in den Fokus gerate, sei klar, so der Oberbürgermeister. Der Farbanschlag werde Konsequenzen haben.

Unterdessen hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen. Das bestätigt Maik Strömer, Sprecher der Polizeidirektion Dessau. Ermittelt werde wegen des Zeigens von Symbolen verfassungsfeindlicher Organisationen. Auch wenn das Hakenkreuz vor der Thesentür ein wenig verfremdet sei, werde von einer politischen Straftat ausgegangen.

Die Polizei bittet um Hinweise von möglichen Zeugen. Telefonisch ist das Wittenberger Revier unter der Nummer 03491/4690 zu erreichen. (mz)