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Massenerschießung nach Granatangriff

Von HANS-DIETER KUNZE 28.04.2010, 18:26

KROPSTÄDT/MZ. - Regelmäßig veröffentlicht er seine Recherche-Ergebnisse in der "Barbara-Meldung, einem Mitteilungsblatt zur Jüterboger Garnisonsgeschichte". Aber er blickt auch über den Tellerrand hinaus: In der jüngst erschienenen "Barbara-Meldung", es ist jetzt die 20., widmet er einen Beitrag der Geschichte des jungen Wittenberger Ortsteils Kropstädt.

Um Massenerschießungen von 59 Angehörigen des so genannten Reichsarbeitsdienstes (RAD) durch die Rote Armee im April 1945 geht es dabei. Schulze recherchierte, dass eine Einheit der RAD-Division "Friedrich Ludwig Jahn" Mitte April 1945 vom Rekrutierungsort Jüterbog Richtung Wittenberg kommandiert wurde. Im Verband der 12. Deutschen Armee unter Führung vom General der Panzertruppe Walther Wenck (geboren am 1. Mai 1900 in Wittenberg, tödlich verunglückt bei einem Autounfall am 1. Mai 1982) sollte Front gemacht werden gegen die vorrückenden US-Truppen. Es gab einen Gegenbefehl: Zurück nach Jüterbog. Denn die Rote Armee war bedrohlich nahe und marschierte am 20. April 1945 in Jüterbog ein.

Die Sowjets hatten auch Kropstädt erreicht. Im Eilmarsch rollten Panzer und anderes Kriegsgerät der 1. Ukrainischen Front unter Führung von Marschall Konew über Treuenbrietzen und Belzig gen Berlin. Im Verbund mit der 1. Weißrussischen Front, sie kam aus Richtung Oder und stand unter Führung von Marschall Schukow, sollten sie laut Stalins Befehl die "Reichshauptstadt" in die militärische Zange nehmen.

Davon wussten die RAD-Rekruten in Kropstädt herzlich wenig. Sie waren einfach nur kriegsmüde, schlecht ausgerüstet und völlig demoralisiert . "Aber", zitiert Henrik Schulze einen Augenzeugen (veröffentlicht in Ch. Panzig "Wegezeichen - Zeitzeichen. Deutsche und Russen im Alltag einer mitteldeutschen Region 1945 - 1993", Lutherstadt Wittenberg 2007), ". in Kropstädt gab es einen ganz scharfen Ortsgruppenführer und einen ebenso strammen Volkssturmführer", ein ehemaliger preußischer Husar aus dem Ersten Weltkrieg.

Sie hetzten die RAD-Männer dazu auf, noch in den letzten Kriegstagen den "Endsieg" zu erringen. "Auf eine Gruppe sowjetischer Offiziere, die nichtsahnend am Gasthaus in der Ortsmitte ihre Karte studierten, schossen sie eine Panzerfaust ab. Die Wirkung war verheerend", schreibt Schulze in seiner Barbara-Meldung. In Kropstädt gab es daraufhin kein Pardon. Die Russen töteten am Ortsrand als Vergeltung 59 RAD-Kämpfer per Genickschuss.

Sie wurden dort bestattet, ein Gedenkstein erinnert noch heute an ihr Schicksal. Weitere Opfer liegen in der Ortsmitte auf einer Kriegsgräberstätte. Henrik Schulze findet vor allem die Namenstafeln bemerkenswert. Sie ordnen die Toten nach gefallenen Soldaten sowie durch Vergeltungsmaßnahmen und sonstige Übergriffe umgebrachte Personen; insgesamt fast 100. "Diese Unterscheidung ist ziemlich ungewöhnlich", meint der Jüterboger Ortschronist.