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Landgericht Landgericht: Ein Kämpfer bis zum Tag des Überfalls

06.04.2013, 17:44

Wittenberg/MZ/TST - In seiner letzten Erinnerung sieht er sich vor einem Weinregal stehen. Das war eine Woche vor jener Nacht zum 21. September, als C. in der Wittenberger Zimmermannstraße von drei Männern fast totgeschlagen wurde. Verhandelt gegen sie wird am Dessauer Landgericht, vor dessen zweiter Strafkammer C. und seine Mutter am Freitag aussagten.

Monatelange Behandlung

C. ist 34 und wird ein halbes Jahr nach dem Überfall immer noch wegen neurologischer und psychischer Störungen behandelt. Ihr Sohn, sagt seine Mutter, habe sich verändert: Er sei kein Kämpfer mehr. Das war er bis zum Tag des Überfalls. C. ging auf die Hilfsschule - und wollte es trotzdem wissen, machte eine Schlosserlehre, holte den Schulabschluss nach, bestand das Fachabitur und lernte den Beruf, von dem unsicher ist, ob er ihn je wird wieder ausüben können. Er wurde Veranstaltungstechniker. Am 20. September hält C. sich in Süddeutschland zu einem Vorstellungsgespräch auf. Seiner Mutter behagt der Gedanke nicht, dass der Sohn am Abend den Rückweg antreten will. Als sie erfährt, C. werde in der Nacht nach Hause kommen, ist sie beruhigt. „Ich hätte nie gedacht, dass so etwas in Wittenberg passieren könnte.“

Früh um fünf klingeln plötzlich Kripo-Leute. Sie erzählen von einer Schlägerei, dem Dessauer Klinikum, einer Gehirnerschütterung. „Der Schock kam mit dem Anruf beim Krankenhaus“, als die Mutter erfährt, wie es wirklich um ihren Sohn steht. Ob ihr Sohn es schaffen wird, wissen die Ärzte nicht. Er schafft es, vielleicht auch, weil in ihm immer noch der Kämpfer steckt, der dem schmalen, verängstigten Mann nicht anzusehen ist. Als er vernommen wird, müssen die Angeklagten den Gerichtssaal verlassen – C. fürchtet sich zu sehr vor den dreien, als dass die Ärzte unvorhersehbare Reaktionen ausschließen könnten.

Furchtbare Brutalität

Diese Entscheidung des Gerichts war unumstritten und völlig korrekt: In diesem Falle gebührte dem Opferschutz Vorrang. Den Tätern aber wäre zu wünschen gewesen: dem Opfer zuhören zu müssen. Mit welcher Brutalität die Angeklagten vorgegangen sein sollen, wurde gestern erneut deutlich. Ein Kumpel hatte die drei in der Tatnacht begleitet und von Anfang an das Gefühl, dass es ein Unglück geben werde. „Die waren so drauf.“ So ging er sich abseits haltend mit, um fassungslos und wie paralysiert beobachten zu müssen, was die drei C. antaten. Als die Richterin ihm Fotos vom Tatort zeigen will, wird der kooperative Zeuge widerborstig. „Ich möchte das nicht mehr sehen.“ Der Prozess wird Ende April fortgesetzt.