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Kreis Wittenberg Kreis Wittenberg: Stabile Deiche halten die Sorgen klein

Von MARCEL DUCLAUD 19.01.2011, 18:39

WITTENBERG/MZ. - Mit der Ausdehnung wächst die Sorge - und die Erinnerung an die Katastrophe von 2002. Am Mittwoch hat der Strom erst einmal seinen Höchststand erreicht - 5,94 Meter am Pegel Wittenberg, Alarmstufe drei, die Deiche mussten ständig kontrolliert werden, Feuerwehren waren im 24-Stunden-Dauerdienst.

Auch Bärbel Töpfer geht in diesen Tagen öfter nachsehen, was das Wasser macht. Sie ist Pächterin des Gasthauses "Zum Weinberg" in Dabrun, das steht direkt neben dem Deich. "Angst", bekennt sie, "Angst hat man schon." Die kommt etwa nachts, wenn der Regen immer stärker wird. Dann kommen auch die Erinnerungen an 2002, die Bärbel Töpfer am liebsten beiseite schieben möchte.

Unruhig macht die Wirtin und die anderen Bewohner der kleinen Siedlung Weinberge, dass nur der Deich in Richtung Pratau erneuert wurde, der in Richtung Wartenburg aber noch der alte ist. "Wir haben darum gekämpft, dass der Deich saniert wird. Passiert ist nichts", ärgert sich Nachbarin Doris Helmert. Sie zeigt an sich, wie hoch das Wasser stand damals in ihrem Keller, weit über einen Meter. Die Familie musste ihr Haus verlassen, weil es Spitz auf Knopf stand, der Deich wie Pudding war und jeden Moment zu brechen drohte. Er hielt dank massiven Einsatzes und vieler Helfer. In Pratau hielt er bekanntlich nicht. "Ich weiß noch, wie wir um unser Leben gerannt sind", sagt Klaus Wolf von der Pratauer Feuerwehr. "Erst haben wir ein lautes Rauschen gehört, dann ein Krachen, dann sind wir in die Autos und nichts wie weg", fügt Gerd Geier, damaliger Einsatzleiter, heute Wittenberger Fachbereichsleiter für Brand- und Katastrophenschutz, hinzu. Gottlob waren die freiwilligen Helfer kurz vor dem Bruch abgezogen worden.

Am Mittwoch machen die Männer und Frauen der Feuerwehr Pratau einen gelassenen und ruhigen Eindruck, trotz der Alarmstufe drei, die am Vormittag noch gilt, trotz des Dauereinsatzes und der dramatischen Erinnerungen. "Da ist noch viel Luft, das gibt ein gutes Gefühl", sagt Klaus Wolf. Was insbesondere damit zusammenhängt, dass die Deiche in den vergangenen Jahren auf Vordermann gebracht und die Krone erhöht wurde. Zudem ist der Hochwasser-Scheitel inzwischen an Wittenberg vorübergezogen, mit knapp sechs Metern - als der Deich 2002 brach, waren es über sieben Meter.

Die Deiche sind stabil, das haben die regelmäßigen Kontrollgänge der Feuerwehren ergeben. Nur eine kleine Sickerstelle zeigte sich zwischen Pratau und Seegrehna. "Die haben wir im Auge", versichert Gisbert Pietzner, stellvertretender Wehrleiter. Weil da Autospuren gefunden wurden, vermuten die Experten, dass das Fahrzeug die Ursache sein könnte. Sie bitten daher inständig, die Schilder zu beachten, die das Betreten der Deiche untersagen. Ansonsten schauen die Deichläufer argwöhnisch auf Maulwurfshügel. Die Tiere graben Gänge, die sich leicht zu Sickerstellen ausweiten können. "Früher, als die Schafe noch auf den Deichen waren", bemerkt Hans-Jürgen Langrock vom Vorstand der Pratauer Feuerwehr, "gab es solche Probleme nicht."

Schlafen kann der langgediente Feuerwehrmann dennoch ruhig, wie seine Kollegen auch. Die Situation ist nicht problematisch, der Pegel sinkt, am Nachmittag ist die Alarmstufe drei schon wieder aufgehoben worden.

Und trotzdem besteht in Pratau eine Sorge, die immer wieder zur Sprache kommt. Die um die Eisenbahnbrücke. "Der neuralgische Punkt", wie es heißt. In den vergangenen Stunden sind die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr von Pratau immer wieder zum Damm gegangen, um zu sehen wie viel Platz noch bleibt zwischen der schnell dahinfließenden, strudelnden Elbe und der Unterkante der Brücke, auf der die Schienen montiert sind.

2002 war da kein Platz mehr und die Gerüchte, dass die Dammbrüche damit zusammenhängen, wollen auch bald neun Jahre nach der großen Flut einfach nicht verstummen. Die Brücke sei zu tief gebaut, ist immer wieder zu hören. Sie wird in Pratau so argwöhnisch betrachtet wie die Maulwurfshügel.