Konzert im Heidehotel Lubast Konzert im Heidehotel Lubast: Harte Kost? Von wegen!

Lubast - „Weltklasse in Lubast“, so titelte das Programmblättchen des Fördervereins zur Kultur- und Denkmalspflege Rotta zum Konzert am Sonntag im Heidehotel Lubast. Das seit 1985 in unveränderter Formation wirkende Vogler Quartett war zu Gast mit einem exquisiten Programm: dem Kaiserquartett von Joseph Haydn, den fünf Stücken für Streichquartett von Ervin Schulhoff und dem G-Dur-Streichquartett (D 887), einem Spätwerk von Franz Schubert.
Vielleicht unterschätzte das Quartett das Lubaster Publikum, als es dem Veranstalter anbot, angesichts der vielleicht dörflichen Idylle (?) das Programm kurzfristig gefälliger zu machen, leichtere Sachen zu spielen, es sei doch „vielleicht doch zu harte Kost“. Nix da, das Publikum sei harte Kost gewohnt, so die Nestorin des Fördervereins, Erdmute Peuker.
Mit Haydn ging es los. Vermutlich sind den meisten Laienhörern klassischer Musik die Streichquartette von Joseph Haydn relativ unbekannt. Allerdings ist die Melodie des zweiten Satzes jedem Deutschen als Melodie der deutschen Nationalhymne bekannt.
Zum jüngsten Konzert am vergangenen Sonntag gratulierten zunächst der Förderverein zur Kultur- und Denkmalpflege und der Vorstand Erdmute Peuker (Foto) mit einem Blumenstrauß zur Verdienstmedaille des Bundesverdienstkreuzes. Damit verbunden war der Wunsch, noch viele aktive Jahre mit diesem Verein zu erleben und zu gestalten. „Man tut, was man kann“, antwortete Peuker bescheiden, um dann selbstbewusst hinzuzufügen „… und das ist nicht wenig.“ Erhalten hat die ehemalige Orchestermusikerin die Auszeichnung Ende 2015 für ihr Lebenswerk. „In beispielgebender Weise hat sie sich um das kulturelle Leben ihrer Heimat bemüht“, hieß es zur Begründung aus der Magdeburger Staatskanzlei.
Natürlich war das Kaiserquartett dem Kaiser in Wien gewidmet. Als Kaiserhymne trug das „Poco Adagio Cantabile“ auch noch den Titel „Gott erhalte, Franz, den Kaiser.“ Es war spannend, wie die einzelnen Stimmen durch das Quartett herausgearbeitet wurden. Jede Phrase wurde vom Vogler Quartett überlegt ausmusiziert. Überzeugend auch die Tempi. Die berühmte Kaiser-Hymne klang schlicht, nicht pathetisch gedehnt, sondern wie eine Gesangsszene, eben Poco adagio cantabile.
Kompromisslos, grenzenlos
Ervin Schulhoff, der zweite Komponist dieses Nachmittags, war sicher den meisten Zuhörern ein völlig Unbekannter. „Ein amüsanter, liebenswürdiger, spielerisch veranlagter, hochbegabter Künstler und ein wilder Temperamentmusikant, ein Draufgeher, kein Philosoph“ - so charakterisierte man den Prager Komponisten. Er experimentierte mit allen Genres, kompromisslos, grenzenlos, und er begeisterte sich für den Jazz. Und er war Kommunist und vertonte nebenbei das kommunistische Manifest. Von ihm erklang das Quartett „Fünf Stücke für Streichqartett“. Der lapidare erste Satz „Alla Valse viennese“ aus diesem Quartett dieses jüdisch-tschechischen Avantgardisten, der 1942 in Bayern im KZ an Tuberkulose starb, wirkt einnehmend, lädt ein, sich mehr mit dieser Musik zu beschäftigen. Schneidende Akzente hörte man und laszive, musikantische Phrasen mit dramatischer Dynamik, verbunden mit einem süffigen Walzerrhyth-mus. Man war begeistert. Im vierten Satz „Alla Tango milonga“ erhielt man Einblick in seinen musikalischen Dadaismus in Form der sogenannte Mikrotonalität, was bedeutet, dass die hier verwendeten Intervalle kleiner als die bekannten klassischen Halbtöne sind. Das ließ sich nicht nur hören, die Musik ging unter die Haut. Das Vogler Quartett kostete alle Extreme risikofreudig und eigenwillig aus.
Überwältigtes Publikum
Nach der Pause dann Franz Schuberts G-Dur-Streichquartett D 887, das im Grunde genommen eine radikale, trostlose Auseinandersetzung mit dem Thema Dur und Moll, Leben und Tod, Mensch und Gott zum Inhalt hat. Bereits im Kopfsatz findet man diesen Wechsel zwischen G-Dur und g-moll. Es wirkte teilweise gespenstisch bis erschütternd. In einem Brief Schuberts machen Zeilen nachdenklich, die seine Gefühle und seine Intentionen zu diesem Werk erklären könnten: „Denke dir einen Menschen, sage ich, dessen glänzendste Hoffnungen zu Nichte geworden sind, dem das Glück der Liebe u. Freundschaft nichts bieten als höchstens Schmerz.“ Zu allem Überfluss stieß dieses Werk bei den Verlegern auch noch auf völlige Ablehnung. Erst 25 Jahre nach seiner Entstehung wurde es aus der Taufe gehoben.
Das Vogler Quartett spielte dieses Stück aufregend, spannungsgeladen und farbig. Der Zuhörer wurde durch die Innigkeit der Interpretation gebannt und überwältigt. Der Applaus war frenetisch und nach einer Zugabe fordernd. Die kam auch prompt: Ervin Schulhoff mit dem dritten Satz aus dem ersten Streichquartett. Von „harter Kost“ für das Publikum konnte also keine Rede sein. Erdmute Peuker hatte recht. (mz)
