Jeber-Bergfrieden Jeber-Bergfrieden: Wolfsangriffe auf Damwild und Nutztiere

Reinhard Gips steht noch nach Wochen der Zorn ins Gesicht geschrieben. Nur ungern erinnert er sich an die dramatischen Ereignisse in der Nacht zum 3. Juni, als Wölfe auf den Koppeln des Landwirtschaftsbetriebes R. M. A. Gips GbR in Jeber-Bergfrieden für Chaos sorgten.
Sie töteten ein Kalb und verängstigten die mehr als 100 Rinder und 80 Pferde, die ganzjährig im Freien weiden, so sehr, dass sie ausbrachen. Zerstörte Zäune, Schaden im Hafer und im Roggen, das hat Gips; der mit seinen Söhnen Matthias und Andreas den ökologisch arbeitenden Betrieb leitet; noch nie erlebt.
„Alles, was Beine hat, war in der Nacht unterwegs, um die Tiere einzufangen. Wenn sie laufen, dann ist das, als rolle eine Walze heran“, so Gips senior. Nicht auszudenken, wenn die Rinder und Pferde in ihrer Angst auf die Gleise der nahen Bahnstrecke geraten wären.
Rasante Entwicklung
„Niemand hat damit gerechnet, dass die Wölfe sich so schnell ausbreiten. Wir brauchen die Raubtiere hier nicht“, gibt Bauer Gips unmissverständlich zu verstehen und erzählt von weiteren vier Vorfällen im vergangenen Jahr. Da verschwanden zwei Kälber, ein anderes fanden die Landwirte aus Jeber-Bergfrieden halb aufgefressen, zudem lag ein Fohlen getötet im Gras.
Weil auch bei ihm Isegrim schon zugeschlagen hat, sperrt der Nachbar von Gips seine Schafe längst nachts ein. „Die Wölfe sind nicht scheu, wie immer gesagt wird“, fügt Matthias Gips hinzu, „die spazieren doch seelenruhig durchs Dorf.“
Reinhard Gips stand nach den dramatischen Ereignissen kurz davor, seine Tiere abzuschaffen. „Nutztierhaltung scheint doch nichts mehr wert zu sein in dieser Überflussgesellschaft, in der es scheinbar nicht interessiert, wer die Lebensmittel produziert. Kümmert sich eigentlich jemand um unsere Probleme?“, fragt er und fordert eine akzeptable Schadensregulierung. Schließlich sei das Resultat der nächtlichen Wolfsjagd ja nicht nur der Verlust eines Kalbes.
Zudem müsse endlich die Förderung präventiver Maßnahmen geklärt werden. Heinz Vierenklee, Geschäftsführer des Bauernverbandes Anhalt, pflichtet ihm bei. „Das wird Thema unserer Arbeit“, sagt er und spricht von einer wachsenden Beunruhigung der Bauern- und auch der Jägerschaft.
Damwild gehetzt und getötet
Martin Heinrichs, Gärtnermeister und Geschäftsführer der Baumschule Stackelitz, geht indes von einer hohen Dunkelziffer bezüglich der Wolfsattacken aus. Doch bei der Veröffentlichung von Schäden durch Wölfe hält man sich im Land ziemlich bedeckt. Martin Trost vom Landesamt für Umweltschutz, dessen Vorträge zur Entwicklung der Wolfspopulation auch bei Gegnern der Raubtiere geschätzt werden, verweist diesbezüglich auf die Referenzstelle Wolfsschutz beim Biosphärenreservat „Mittelelbe“. Dort arbeitet Andreas Berbig. Der Wolfsexperte und Rissgutachter sagt, dass ein Übergriff des Wolfes in Jeber-Bergfrieden nicht auszuschließen sei. Die Bearbeitung sei jedoch wegen der Flut noch nicht abgeschlossen. Gleiches gelte auch für einen Übergriff im Wildgatter der Baumschule Stackelitz, der sich bereits in der Nacht zum 31. Mai ereignet hat. Für Gips und auch Heinrichs steht die Urheberschaft des Wolfes gleichwohl schon heute außer Frage.
In Stackelitz fielen der Jagd von Isegrim zwei tragende Stück Damwild zum Opfer, sie wiesen Bissverletzungen im Drosselbereich und in der Bauchdecke auf. Und das, obwohl das Gatter, in dem etwa 100 Stück Damwild und 30 Stück Rotwild gezüchtet werden, durch zwei Standardzäune doppelt gesichert ist. Offensichtlich hatten sich Wölfe unter dem Außenzaun durchgegraben, waren auf einem Ringweg in das Damwild-Gehege gelangt und hatten dort zugeschlagen. Heinrichs vermutet, dass die Räuber sich dies merken werden. „Für sie ist das ein einfacher Imbiss“, sagt er. Wie sie einen besseren Wolfsschutz finanzieren sollen, das wissen sowohl Gips als auch Heinrichs nicht.

