Hauptbahnhof Wittenberg Hauptbahnhof Wittenberg: Der Tunnel der großen Hoffnungen

Wittenberg - Wie mag es den Elstervorstädtern ergangen sein in all den Jahr(zehnt)en? Den Bahnhof in greifbarer Nähe zu haben und doch nicht zum Zuge zu kommen? Rettung naht. Wacker fressen sich die Bagger in den Untergrund dessen, was nun binnen knapper Jahresfrist tatsächlich „der Tunnel“ sein soll.
Die Spundwände stehen, Mitte November soll die Bodenplatte betoniert werden, „dann kommen wir aus dem Dreck raus“, umschreibt Christian Köhler den Stand der absehbaren Dinge. Seit 2015 ist Köhler, Projektleiter auf Seiten der Bahn, in diesem vier Millionen Euro schweren Tunnel-Gemeinschaftswerk von Stadt und DB AG mit der Entwicklung des Hauptbahnhofs befasst.
Das alte Empfangsgebäude kennt er nicht mehr, bei allem was danach kam aber, allen voran das „grüne“ Bahnhofsgebäude, hatte er seine Hände im Spiel. Nun also noch der Tunnel, der Ostzugang in die Elstervorstadt, den man Sahnehäubchen nennen könnte, tatsächlich aber wird er am Ende die Frucht eines „komplizierten Vertragskonstrukts“ sein, wie Köhler die Basis der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Kommune beschreibt.
Am Dienstag haben Stadt, Bahn und Nasa, die Nahverkehrsgesellschaft Sachsen-Anhalt, die Presse mal mitgenommen auf die Baustelle im Niemandsland, wo seit einigen Jahren schon auch ein großer Parkplatz mit weit über 200 - exakt 214 - Plätzen auf Nutzer wartet. Nur kurz befasst sich Oberbürgermeister Torsten Zugehör (parteilos) mit der langen Geschichte des Ostzugangs, wie der Tunnel auch genannt wird; die Anfänge reichen zurück bis Mitte der 1990er, mindestens.
Und die Hoffnungen sind groß. Die Stadt setzt laut Zugehör vor allem auf Verbesserungen für die Pendler und auch auf Neubürger, die zwischen Wohnort Wittenberg und Arbeitsplatz in den benachbarten Metropolen pendeln, und verspricht sich in Verbindung mit dem Großparkplatz auch Entlastung bei Veranstaltungen.
Nutzerzahlen gestiegen
„Entwicklungschancen“ und „Zukunftsperspektiven“ sieht auch der zuständige Nasa-Abteilungsleiter Mario Krokotsch für die Lutherstadt. Eine gute Zuganbindung - und wie anders will man das nennen bei 30, 35 Minuten bis Leipzig oder Berlin - sei ein „Haltefaktor“ für eine von Bevölkerungsschwund bedrohte Region.
Optimistisch zeigte sich auch der neue Bahnhofsmanager Karsten Kammler, der - von Halle aus - für Wittenberg zuständig ist. Mit knapp 3800 Ein- und Aussteigern am Hauptbahnhof 2018 sei die Zahl der Nutzer gegenüber den Vorjahren bereits gestiegen, dank des neuen Tunnels rechne er mit weiterem Zuwachs, so Kammler.
Insgesamt gut 40 Meter lang wird der Tunnel über knapp zehn Meter offen geführt, was nach Auskunft von Stadtplanerin Janine Stiller ebenso wie Beleuchtung und Gestaltung der Tunnelwände - noch bis zum 1. November läuft ein Fotowettbewerb hierzu - dem Wohlgefühl der Passanten dient. Zweimal zehn Stufen führen über ein Zwischenpodest zum Großparkplatz.
Über eine 51 Meter lange Rampe geht es gen Osten über einen 205 Meter langen Rad- und Fußweg in die Kirchhofstraße und damit in die Elstervorstadt samt Berufsschulzentrum. Nach Auskunft von Tino Przygode, dem Bauleiter auf städtischer Seite, soll der Tunnel selbst im August 2020 fertig gestellt sein. Bis dahin hoffe man auch den Weg angelegt zu haben, der sich noch in der Planungsphase befindet und, wenn die Ausschreibung glückt, ab Frühjahr gebaut werden könnte.
Kein Schlüsselloch
Einen spektakulären Durchstich wird es übrigens nicht geben, schließlich sind weite Teile des Tunnels schon vor Jahren im Zuge des Straßenbaus vorgerichtet worden - und die provisorische Endwand mit Türchen, die Zugreisende jeden Tag sehen, wenn sie im Bahnhof die bestehende Unterführung unter den Gleisen 1 bis 5 nutzen, soll auch dann noch, also bis zum Abschluss der Arbeiten am neuen Tunnel, als Staubschutz erhalten bleiben. Ein Schlüsselloch darin zur öffentlichen Beobachtung der Bauarbeiten ist nicht vorgesehen... (mz)