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Geografisches Zentrum des Kreises liegt bei Rötzsch

Von BORIS CANJE 05.08.2009, 15:52

TORGAU/MZ. - Ermittelt wurde er von Heinz Wicher, einem pensionierten Lehrer aus Torgau. Er schlägt nun vor, den Mittelpunkt in den Ort hinein zu verlegen und dort einen Stein zu setzen.

Es hört sich mächtig kompliziert an, den Mittelpunkt eines Landkreises oder gar eines Landes zu ermitteln. "Ist es aber nicht", sagt Heinz Wicher und lächelt. Seine Methode ist recht einfach. Er braucht dazu nur eine möglichst exakte Karte mit den Grenzen des Gebietes, dessen Zentrum ermittelt werden soll, eine dünne Pappe, Klebstoff und eine scharfe Schere. Das klingt eher, als ob einer Bastelanleitung gefolgt würde. Und so ganz falsch ist auch das nicht. Zunächst verkleinert Heinz Wicher die Karte bis auf ein Format von etwa A 4. Dann wird die Kopie auf die Pappe geklebt und ganz exakt an den territorialen Grenzen ausgeschnitten. Nun muss er den Landkreis nur noch auf der Nadel ausbalancieren und schon ist der geografische Mittelpunkt ermittelt. Und das, es ist kaum zu glauben, ziemlich exakt.

Es gibt noch andere Möglichkeiten. Bei einer werden die am weitesten entfernten Punkte in nördlicher und in südlichster sowie in östlicher und westlicher Richtung miteinander verbunden und der Schnittpunkt wäre dann der Mittelpunkt. Eine relativ ungenaue Methode, wie die Praxis zeigt. Außerdem gibt es mathematische Modelle, so zum Beispiel die physikalische Schwerpunktberechnung, die unter anderem vom sächsischen Staatsbetrieb für Geobasisinformation und Vermessung durchgeführt wurde. Deren Ergebnisse stimmen relativ überein mit jenen, die Heinz Wicher mit seiner Nadel ermittelt hat. Die Abweichung beträgt meist nur wenige Meter. Zu seinem Bedauern gibt es jedoch oft kein Interesse an seinen Ergebnissen. Deshalb wird er in Zukunft keinen geografischen Mittelpunkt eines Gebietes in Deutschland ermitteln, sondern sich auf das Ausland konzentrieren. "Vielleicht", so hofft er, "ist man dort mehr interessiert."

Seit fünf Jahren frönt Heinz Wicher, dessen große Leidenschaft schon als Kind der Geografie galt, diesem Hobby. Dabei betrachtet er nicht nur Landkreise, sondern ebenso die Dübener- (hier liegt der Punkt an der Siebenarmsäule) und die Annaburger Heide, sieben Bundesländer und auch den einer indonesischen Insel.

"Ich messe gerne nach, was bereits einmal vermessen wurde", nennt er einen Antrieb zu diesem Hobby. Entdeckt er dabei Fehler, zum Beispiel in Landkarten, dann teilt er das unverzüglich dem jeweiligen Verlag mit.

Viele der von ihm ermittelten Punkte hat der agile Mann, der unheimlich gern reist und schon in 94 Ländern zu Gast war, selbst aufgesucht, nicht mit dem Auto, sondern mit dem Diamant-Fahrrad, auf dem der 70-Jährige in 18 Jahren immerhin 88 000 Kilometer zurücklegte. Dass er dabei auch seine Liebe zur Natur ausleben kann, kommt ihm gerade recht. Und er möchte anderen sein Wissen vermitteln. Deshalb hat er 567 Bäume in 16 Parks und elf Orten beschildert. Darunter befinden sich neben Trauerweiden, Erlen, Pappeln, auch Sumpfzypressen, Rosskastanien oder Tulpenbäume. "Wer den Namen liest, sollte sich ruhig die Rinde und Blätter genauer ansehen. So prägen sich der Name und das Aussehen besser ein."

Seine Liebe zur Natur und sein Engagement für die Kennzeichnung der Bäume war übrigens auch der Grund für eine Einladung, die er von Bundespräsident Horst Köhler zu einem Empfang im Januar 2009 erhielt.