Gemeinschaftsunterkunft Gräfenhainichen Gemeinschaftsunterkunft Gräfenhainichen: Ruhe nach der Flucht

Gräfenhainichen - Seit Montag sind in der Gräfenhainichener Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Schleifer-Verwaltungsgebäude Flüchtlinge und Asylbewerber untergebracht. „Wir haben aktuell 37 Personen hier. Familien und Einzelpersonen“, erklärt Unterkunftsleiter Andreas Irmscher.
Er beschreibt die Situation in der Einrichtung mit dem Wort „ruhig“. Angesichts der unterschiedlichen Herkunft und religiösen Zugehörigkeit der Bewohner ist das ein erster positiver Aspekt des Lebens in der lang umstrittenen Unterkunft. Sechs Mal wurde das Schleifer-Gebäude vor dem Bezug attackiert. Das Haus wurde unter Wasser gesetzt, Steine flogen. Dann wurde geschossen (die MZ berichtete). „Das Thema ist bei unseren Bewohnern bekannt. Sie informieren sich doch, in welcher Stadt sie unterkommen“, bestätigt Irmscher. Es dauert nicht lange, um im Netz unter dem Suchbegriff Gräfenhainichen auf die Anschläge der letzten Zeit zu stoßen.
In der Einheitsgemeinde Gräfenhainichen leben derzeit 12 100 Menschen. Dezentral in Wohnungen im Plattenbauquartier Gartenstraße sind mit Stand 8. März insgesamt 129 Flüchtlinge und Asylbewerber dort untergebracht. 15 davon sind mittlerweile im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik. Sie werden aus den Wohnungen ausziehen und können ihren Wohnsitz im gesamten Bundesgebiet frei wählen. Hinzu kommen aktuell 37 Bewohner der Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Schleifer-Gebäude. Die Quote von Flüchtlingen und Asylbewerbern an der Gesamt-Gräfenhainichener Bevölkerung beträgt 1,2 Prozent. (mz/ur)
Mustafa, Mittzwanziger aus dem Irak, hat das Schweigen als einer der Ersten gebrochen. Er hat nach der Sicherheit im Haus gefragt. Kommunikation ist eine hohe Hürde. Deutschkenntnisse hat der junge Mann nicht. Auch englisch geht es nur schwer voran. Aber seine Frage wurde verstanden. Die Bewohner wurden über die Sicherheitsvorkehrungen in der Unterkunft und das mit der Polizei erarbeitete Sicherheitskonzept informiert. Sorge bleibt jedoch.
Die Frage nach dem Befinden ist eine Allerweltsfrage. Die Antwort ist trotz Sprachbarriere klar. Es geht. Allerdings, es ist nicht alles eitel Sonnenschein.
Als Mustafa mit einem ebenfalls aus dem Irak stammenden Mitbewohner Richtung Innenstadt unterwegs war, wurden sie aus einem vorbeifahrenden Auto mit eindeutigen Gesten bedacht. Stinkefinger und laute Rufe. Das Erlebnis ist noch nicht verdaut.
Mahmud, Ehefrau Djamila und die beiden Kinder haben sich arrangiert mit der Unterkunft in Gräfenhainichen. Die Familie aus Kundus in Afghanistan bleibt nicht auf dem Zimmer hocken. Mahmud junior flitzt auf dem Hof umher, spielt Fußball. Die Eltern schauen zu. Von Sorgen angesichts der Anschläge der Vergangenheit erzählen sie nichts. Auch die Nachbarn schweigen. Der Vater schaut Fernsehen, die Mutter hat die Wäsche für die Kinder gemacht.
„Wir haben gerade erst Besuch von einem Gräfenhainichener gehabt. Der hat ein paar Kinderfahrräder vorbeigebracht“, erzählt Andreas Irmscher. Das Leben in der Gemeinschaftsunterkunft nimmt langsam aber sicher Fahrt auf. Auch die Einrichtung wird in Beschlag genommen. Selbstverpflegung ist an der Tagesordnung. Das Mittagessen hat Hamadu aus Mali in der Küche zubereitet. Im Aufenthaltsraum schaut der 29-Jährige nur kurz auf die Nachrichten im Fernsehen. Anders als die Handvoll Bewohner vor dem Gerät hält er es jedoch mit Musik. So richtig sagen kann er noch nicht, wie er die Situation in Gräfenhainichen beschreiben soll. „Ich bin erst ein paar Tage da.“
Dass in der Heidestadt in Wohnungen im Plattenbaugebiet Gartenstraße weitere Flüchtlinge wohnen, hören die Leute in der Gemeinschaftsunterkunft gern. Man kann hier leben. Sie nehmen sie die Nachricht auf. (mz)