1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Funkstille im Fernmeldeamt

Funkstille im Fernmeldeamt

Von LUTZ BERGMANN 02.04.2010, 15:04

WITTENBERG/MZ. - Als die Tür sich öffnet, wirbelt eine kleine Staubwolke auf. Die Luft ist stickig und schwer. So als ob seit Jahren keiner gelüftet hätte. Im Flur stehen haufenweise Kartons, die mit technischen Geräten gefüllt sind. Hinter der ersten Tür auf der rechten Seite finden sich reihenweise metallene Wände. Auf ihnen winden sich Drähte in alle Richtungen. Manche Teilchen sind mit Nummern beschriftet, zwischen den Reihen baumeln Telefonhörer.

Dieser Anblick eröffnet sich fast niemandem mehr. Die Telefonvermittlungsanlage im zweiten Stock des Hauptpostamtes ist in Vergessenheit geraten. Früher vermittelte dort die Deutsche Bundespost, aus der sich nach der Postreform die Telekom abspaltete die Telefongespräche in Wittenberg. Seit 1995 liegt die Anlage still. Das Gebäude verkaufte die Deutsche Post im April 2008 an das luxemburgische Unternehmen Lorac Investment Management S.ár.l und mietete nur noch die untere Etage. Der neue Besitzer beauftragte die Deutsche Post Real Estate damit, das Gebäude zu verwalteten. Dort arbeitet Ingenieur Hendrik Hecht, der die Wittenberger Filiale mehrmals jährlich auf Schäden inspiziert. Er ist der Einzige, der das Wittenberger Fernmeldeamt besichtigt. Für die Pflege der Telefonvermittlungsanlage sei er allerdings nicht zuständig, da ihm dafür das nötige Wissen fehle.

Das bedeutet, es kümmert sich momentan niemand darum, das Fernmeldeamt zu pflegen. Es nehme zwar bei der jetzigen Aufbewahrung keinen nachhaltigen Schaden, da es trocken und warm in den Räumen sei, aber jedes Staubkorn erschwere die Reinigung, sagt Heinz Thieme vom Freundeskreis Wilhelm Weber. Er musste im Jahr 2002 mit seinen Vereinsmitgliedern aus den Räumen des Hauptpostamtes raus. Zuvor hatte er dort ein Museum der Telekommunikation eingerichtet. "Plötzlich passten die Schlüssel zur Tür nicht mehr", berichtet er von dem Tag, als sein Verein die Räume nicht mehr nutzen durfte. Nun versucht der Freundeskreis mit dem neuen Inhaber Lorac Investment Management S.ár.l Kontakt aufzunehmen und seine Hilfe bei der Pflege anzubieten.

Das luxemburgische Unternehmen scheint jedoch vor allem daran interessiert zu sein, das Gebäude schnell zu vermieten. So bietet es die Räumlichkeiten als Bürofläche bei der Internetplattform Immobilienscout24 an. Vier Euro pro Quadratmeter fordert Lorac für die Kaltmiete. Es verweist bei seiner Anzeige auch auf ein Denkmalschutzobjekt, das sich im ersten Stock befindet. Dass dieses den größten Teil der Etage einnimmt und daher die Räumlichkeiten nur eingeschränkt nutzbar sind, erklärt der Investment fund nicht.

Thieme vermutet, Lorac sei beim Kauf des Objekts gelinkt worden. Die Etage eigne sich seiner Meinung nach nur für eine museale Nutzung. Hendrik Hecht kann sich auch nicht vorstellen, dass ein Mieter die Räumlichkeiten als Bürofläche gebrauchen wird. "Diese Räume können nur als Museum genutzt werden." Diese Verwendung wäre Heinz Thieme nur Recht. "Ich hoffe, dass es irgendwann wieder eine Dauerausstellung über die Geschichte der Nachrichtentechnik im Hauptpostamt geben wird."