Falknerei in Wörlitz Falknerei in Wörlitz: Greifvögel ziehen ins Winterquartier nach Schköna um

Schköna - Ein Vormittag in Schköna. Da gackert es in den Gehöften, mal kräht ein Hahn, bellt ein Hund oder zwitschern Wellensittiche in ihren Volieren. Nur in der Schmiedeberger Straße sind die Geräusche untypisch. Ein Gemisch aus Fauchen und Kreischen tönt über die Wiese. Olga macht auf sich aufmerksam. Langweilt sich die Adlerdame in ihrem Winterquartier? „Nein, sie bettelt oder ist auch schon in der Balz“, sagt Jim Ohle. Im kleinen Heideort ist der Falkner aus Wörlitz zu Hause und Anfang November mit seinen gesamten Mitarbeitern aus der Parkstadt hierher gezogen. Zwei Mal im Jahr macht er diese Touren, seit zehn Jahren, denn so lange gibt es die Attraktion in Wörlitz und seitdem gibt es auch die Winterpausen ab November bis zum Frühlingserwachen.
„Das sind immer vier Fahrten mit den Transportkisten“, erzählt Ohle von den regelmäßigen Wohnsitzwechseln seiner Falken, Geier, Adler, Käuze, Uhus, Eulen. Die Vögel sind routinierte Autofahrer. „Meinen Handaufzuchten macht das gar nichts“, sagt der Falkner, der in der Saison bei seinen Tieren in Wörlitz bleibt und diese eben im Winter zu sich nach Hause holt, wo er mit Ehefrau Kerstin seit 25 Jahren lebt.
Die Falknerei von Jim Ohle besteht im kommenden Jahr seit zehn Jahren. Besondere Aktionen zum Jubiläum sind bisher noch nicht geplant. Der Saisonstart in der Wörlitzer Falknerei ist 2016 ungewöhnlich früh. Am Wochenende vor dem Osterfest geht es zeitgleich mit dem Frühlingserwachen los. Das Frühlingserwachen ist der symbolische Start der Haupttourismussaison im Gartenreich Dessau-Wörlitz. Höhepunkt des zweitägigen Festes am 19. und 20. März ist, neben dem Frühlingsmarkt, Konzerten, einer Gondelwettfahrt und Darbietungen vor dem Wörlitzer Schloss, der traditionelle Umzug am Sonnabend. Das Fest ist eine gemeinsame Veranstaltung des Gewerbevereins Wörlitz, der Stadt Oranienbaum-Wörlitz und der Kulturstiftung Dessau-Wörlitz.
Das sind Jahre, in denen die Tiere auf dem Grundstück immer mehr Raum einnahmen und einnehmen. Was mal ein Carport war, ist zum Wohnort für den Uhu geworden. Das Auto muss seitdem unbedacht auskommen. Eine Hälfte der Hütte fürs Kaminholz bewohnt Kanincheneule Gimli. „Im Winter gibt es hier immer was zu bauen und zu erneuern“, sagt Ohle. So greift denn der Falkner zu Baumaterial und Werkzeug und legt unter den strengen Blicken der gefiederten Schar los.
60 Meter Flugstrecke
Diesmal macht es noch mehr Spaß. „Ich bin froh über den milden Winter“, meint er. Und den wärmeliebenden Geiern gefällt der auch. In der Dreier-WG dieser Exoten ist Bewegung. „Die sind jetzt viel agiler als in der Kälte“, so Jim Ohle, der seinen Vögeln in Schköna zwar keinen Freiflug wie in Wörlitz bieten kann, aber doch angeleinten Ausflug auf einer 60 Meter Flugstrecke. Denn einige seiner Mitarbeiter brauchen eben doch etwas Bewegung, um in den Wintermonaten nicht gänzlich aus der Übung zu kommen. Im Winterquartier Schköna sollen die Tage schließlich nicht nur aus Mahlzeiten und Rumgedöse bestehen.
„Für mich geht es täglich los, wenn es hell wird“, so Jim Ohle. Dann muss er schleunigst aufs Grundstück und mit der Fütterung beginnen. Küken, Ratten, Mäuse, alles tiefgefroren, sind die favorisierte Kost der Raubvögel. Das Futter bringt der Lieferant aller drei Monate. Natürlich haben die Ohles deshalb auch mehrere Tiefkühltruhen, aber dann doch mit anderem Inhalt als sonst üblich.
Etwas Flugtraining, dann könnte der Tag fast vorbei sein. Aber Jim Ohle hat noch andere Aufgaben: Im Winter nimmt er Aufträge als Taubenvergrämer an. Es werden immer mehr, denn es hat sich rumgesprochen, dass der Mann mit seinen Falken ein wirksames Mittel mitbringt, wenn Taubenschwärme zur Plage werden.
„Vor allem in großen Hallen werde ich gebraucht“, sagt der Schkönaer. Eine Drogerie- und eine Schuhkette nutzen seine Dienste und einige Chemiekonzerne, darunter das SKW in Wittenberg.
Immer, wo in großen Hallen etwas gelagert wird, nutzen die Tauben am Abend die Hallendächer als Unterkünfte, wenn nur die Tore zum Einflug groß genug sind. „Man kann sich vorstellen, wie es da nach einiger Zeit aussieht“, sagt Ohle. Wird es dunkel kommt er deshalb mit zwei bis vier Falken vorbei, und diese folgen ihrem natürlichen Trieb und gehen auf Taubenjagd. „Vier bis acht Wochen muss ich kommen, dann haben die Tauben kapiert, dass es an diesem Ort gefährlich ist und suchen sich eine neue Unterkunft für die Nacht“, erklärt der Falkner diesen ungewöhnlichen Job. „Ganz natürlich, ohne Schüsse oder Gift“, meint er.
Nur die Tauben vom Nachbarn fürchten sich nicht vor den Falken auf Ohles Grundstück. „Die wissen genau, dass meine Vögel ihnen nicht gefährlich werden können“, so Ohle. Zum Provozieren haben sie sich freilich noch nicht auf den Obstbaum überm Falkenauslauf gesetzt.
Und in ein paar Wochen ist der dann schließlich auch wieder verwaist, wenn Ohles Vogelschar wieder nach Wörlitz zieht und sich in den ersten Tagen ohne Zuschauer den Winterspeck abtrainiert.
Kauzzucht für den Harz
In Schköna bleiben dann nur noch die beiden Steinkauzpärchen, mit denen Jim Ohle schon seit einigen Jahren Nachwuchs für ein Tierschutzprojekt im Harz züchtet. Vier bis fünf kleine Käuze pro Paar gibt es jedes Mal, die später zum Auswildern in die Berge kommen. „Das funktioniert gut“, berichtet der Falkner. So sieht man seine Vögel nicht nur in Wörlitz bei der täglichen Flugshow sondern mit etwas Glück auch im Harz. (mz)
