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Schwere Infektionswelle Erkrankungsfälle mit RS-Viren im Kreis Wittenberg ungewöhnlich häufig - Ausbrüche in vier Kitas

Gesundheitsamt meldet mehrere Ausbrüche mit RS-Viren.

Von Marcel Duclaud Aktualisiert: 25.10.2021, 15:23
Information für die Eltern am Eingang einer der betroffenen Kindertagesstätten in Wittenberg
Information für die Eltern am Eingang einer der betroffenen Kindertagesstätten in Wittenberg Foto: Irina Steinmann

Wittenberg/MZ - Kinder erkranken gegenwärtig verstärkt am so genannten RS-Virus (Respiratorisches Synzytial-Virus), einer nicht ungefährlichen Atemwegserkrankung. Das ist auch im Landkreis Wittenberg der Fall, so Isabel Geißler vom Gesundheitsamt. 2019 seien neun Personen an einem Ausbruch beteiligt gewesen. 2020 wurden keine Ausbrüche gemeldet. „Demgegenüber sind uns in diesem Jahr bereits 97 einem Ausbruch zugehörige Personen bekannt geworden.“

Es handele sich um Ausbrüche in vier verschiedenen Tagesstätten, bei denen Kinder im Alter zwischen null und sechs Jahren betroffen sind, so Geißler. Meldepflichtig ist eine Erkrankung an RS-Viren nicht, lediglich bei gehäuftem Auftreten wird die Behörde informiert.

Bisschen Entspannung

Das bedeutet, dass die Viren im Landkreis deutlich weiter verbreitet sein dürften. Das bestätigt eine Umfrage bei Trägern von Kindertagesstätten. Sabine Lühnsdorf, Geschäftsführerin des Kindertagesstättenwerks, ist froh, dass sich die Situation gerade ein bisschen entspannt: „Es sind nicht mehr so viele Kinder krank“, sagt sie.

Auch etwa in Bad Schmiedeberg und Kemberg sind Infektionen mit RS-Viren bekannt geworden. Das berichten Bürgermeister Martin Röthel (SPD) und Kembergs Vizebürgermeisterin Ilona Merseburger. In Kemberg seien drei Kitas betroffen, so Merseburger. In Bad Schmiedeberg gebe es Einzelfälle, sagt Röthel. Beim Eigenbetrieb Kommunale Bildungseinrichtungen in Wittenberg ist von rund hundert erkrankten Kindern die Rede. Allerdings sei nicht ganz sicher, welche Viren im Spiel sind. Eltern, heißt es, berichten, dass Kinderärzte wegen des Ansturms in ihren Praxen nicht mehr so oft testen. Nicht selten sollen zurzeit auch Adenoviren kursieren.

Amtsarzt Michael Hable führt die Vielzahl der Fälle auf fehlende Grundimmunität zurück, weil Erkältungskrankheiten in der vergangenen Saison quasi ausgefallen seien. Und zurzeit, mit zunehmender Kälte und häufigem Aufenthalt in Innenräumen, herrschten ideale Bedingungen für die Ausbreitung von Viren.

Symptome bei RS-Viren sind nach seinen Worten Fieber, Husten, Schnupfen. Gewissheit bringe aber nur ein Test. Dass ihn die Ausbrüche sorgen, räumt der Mediziner ein. „Die Krankheit kann insbesondere bei kleinen Kindern einen schweren Verlauf nehmen.“

Hable mahnt, bei Symptomen die Kinder nicht in Tagesstätten zu schicken. Erwachsene, die ebenfalls betroffen sein können, sollten nicht zur Arbeit gehen. In den Einrichtungen müsse verstärkt auf Hygiene geachtet werden. Etwa Flächen und Spielzeug öfter desinfizieren: „Die Viren werden durch Schmierinfektion übertragen.“ Er fürchte, dass derartige Krankheiten „uns noch durch Herbst und Winter begleiten werden. Die Grippe-Welle hat ja noch nicht einmal begonnen“.

Acht Aufnahmen pro Tag

Dass bundesweit ein untypisch früher Beginn der RS-Infektionswelle zu erleben sei, sagt Chefarzt Stefan Barth aus dem Paul Gerhardt Stift. Dies stelle schon am Beginn der Infektionssaison eine hohe Belastung für das Personal der Klinik dar, da Betten stark ausgelastet sind und der Pflegeaufwand für schwer erkrankte Patienten sehr hoch sei. Bei RS-Viren folge häufig ein leichter Infekt. „Aber auch schwere Lungenentzündungen sind möglich.“

„Aktuell“, so der Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin, „erleben wir eine sehr ausgeprägte und schwere Infektionswelle. Die Kinder scheinen die für die kalte Jahreszeit typische Infektion quasi nachzuholen.“ Die Dauer des Krankenhausaufenthaltes reiche von wenigen Tagen bis zu zwei Wochen.

Während des Corona-Lockdowns seien weniger als zehn Kinder mit RSV-Infektionen über die gesamte Infektionssaison versorgt worden, heute seien es allein an einem Tag bis zu acht schwerkranke Säuglinge und Kleinkinder, die aufgenommen werden. „Viele Kinder entwickeln Lungenentzündungen, nicht wenige von ihnen müssen mit Sauerstoff versorgt werden“, berichtet Barth.