1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Wittenberg
  6. >
  7. Eine Fachfrau bleibt dem Tabak treu

Eine Fachfrau bleibt dem Tabak treu

Von Andreas Behling 10.03.2008, 18:42

Oranienbaum/MZ. - Doch die knapp 210 Kilometer lange Anreise - von Torsten Gaber hinterm Lenkrad sicher gewährleistet - hatten die Agora-Damen Hannelore Schmidt und Margitta Roszak aus einem ganz anderen Grund angetreten.

Es war vor allem das Können Margitta Roszaks, auf dem die Einladung ins märkische Oderland bei Bad Freienwalde beruhte. Das Talent der Rentnerin trug dazu bei, dass sie für knapp zwei Stunden in der Galerie des Schlosses Altranft, dem repräsentativsten Gebäude des Brandenburgischen Freilichtmuseums, zur unumstrittenen Hauptperson avancierte. Da konnte der regungslose Holzindianer über die knapp 80 Gäste, die zur Eröffnung der Sonderausstellung "Tabak - Das Gold der Uckermark" gekommen waren, so stolz hinwegblicken wie er wollte. Der Stuhl, den Frau Roszak besetzte, blieb dichter umlagert als jeder andere Platz im Raum.

Peter Natuschke, Direktor des Freilichtmuseums, sprach gar von einer Sensation, mit der man aufwarten könne. Margitta Roszak gehöre schließlich zu den letzten Arbeiterinnen, die das Wickeln einer Zigarre perfekt beherrschen würden. "Deswegen sind wir ganz stolz, dass die Gäste gekommen sind", sagte Natuschke.

Anke Grodon, Chefin der Städtischen Museen Schwedt / Oder, zu denen das Tabakmuseum Vierraden gehört, war ebenfalls glücklich, die "Fachfrau" zum wiederholten Mal begrüßen zu können. Immerhin pflege Frau Roszak eine Tradition, die immer mehr verdrängt werde. "Dass sie ihr treu bleibt, davon profitieren wir sehr", freute sich die Museumsleiterin.

Die so gepriesene Oranienbaumerin nahm den Andrang um ihren Arbeitsplatz relativ gelassen hin. Selbst vom haargenau auf ihre flinken Finger linsenden Kameraobjektiv eines Fernsehteams des RBB ließ sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Immer wieder demonstrierte die 69-Jährige mit geübten Handgriffen, wie aus leicht befeuchteten Tabakblättern eine dicke Zigarre entsteht.

Für den mundgerechten Zuschnitt der braunen Röhren sorgten Messer und Schere. Wobei kein Tabakrest als unbrauchbar entsorgt wurde. Jeder noch so kleine Krümel wanderte als Einlage zwischen die Deckblätter, von denen Margitta Roszak zuvor die dicken Rippen entfernt hatte.

1 000 Zigarren, das war das Pensum, welches sie damals in einer der Tabakfabriken Oranienbaums tagtäglich zu erfüllen hatte. "Was wollte man machen. Es war ja unser Verdienst", blickte sie auf die nicht immer einfachen Seiten ihres Berufslebens zurück. Denn auf eine hohe Qualität des Endprodukts wurde stetig geachtet.

Ebenfalls in Ordnung sein musste die Konsistenz der "Zutaten". Welchen Zweck erfüllte zum Beispiel die weißliche Masse in dem kleinen Napf, mit der Margitta Roszak regelmäßig ihre Fingerkuppen benetzte? Es war kein künstlich hergestellter Zusatzstoff, sondern einfacher Mehlkleister, der dazu diente, die Zigarrenspitze ordentlich zu verkleben. Das handgefertigte Erzeugnis, hernach in einer speziellen Form für eine Weile noch größerem Druck ausgesetzt, blieb also auf jeden Fall naturbelassen.

Die drastischen Warnungen vor den Gefahren des Rauchens, aufgedruckt auf jeder Zigarettenschachtel, wird ein solches Gütemerkmal natürlich kaum zum Verstummen bringen. Doch stand der Schutz der Nichtraucher im herrschaftlichen Gemäuer zu Altranft auch nicht im Vordergrund. Direktor Natuschke strich extra den volkskundlichen Blickwinkel der Schau heraus, die sich noch bis zum 13. April dem Tabak als einer die Landschaft prägenden Kulturpflanze widmet. 130 Quadratmeter standen den Ausstellungsmachern aus Vierraden dafür zur Verfügung. Und sie nutzten die Fläche geschickt, um das Publikum mit den verschiedensten Mitteln über die mehr als 300-jährige Geschichte des Tabakanbaus in der Region in Staunen zu versetzen.

Die Pflanze namens Nicotiana, welche sich rauchen, schnupfen oder kauen lässt, bestimmte über Generationen hinweg aber nicht nur das Erwerbsleben vieler Menschen, sie beflügelte darüber hinaus auch Künstler, Tabakdosen zu entwerfen, Porzellanpfeifen zu formen, Bauchbinden zu Papier zu bringen oder Tabaktrockenscheunen als Motive für großformatige Gemälde zu wählen. Andere Experten wiederum verewigten solche Namen wie "Torpedo", "Keule" und "Kneifer" für Zigarren- und Kopfformen im "Taschenbuch des Zigarrenrauchers".

Dass man die Blätter nicht unbedingt konsumieren muss, um dem Charme des Tabaks zu verfallen, fand zumindest Anke Grodon. Sie stellte dem Nachtschattengewächs, das mit der Entdeckung Amerikas nach Europa gelangte, aus ästhetischer Sicht ein positives Zeugnis aus. Die Kulturpflanze tauge nicht bloß zum Rauchen, sie sei auch optisch sehr schön, gab sie den Gang durch die Ausstellung frei.