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Direktkandidaten im Wahlkreis 24 Direktkandidaten im Wahlkreis 24: Reinhild Hugenroth tritt für die Grünen an

Von Marcel Duclaud 16.02.2016, 11:59
Einer ihrer Lieblingsorte: Reinhild Hugenroth an der Elb-Promenade Klein-Wittenberg.
Einer ihrer Lieblingsorte: Reinhild Hugenroth an der Elb-Promenade Klein-Wittenberg. Thomas Klitzsch

Wittenberg - „Man muss gegenhalten.“ Reinhild Hugenroth macht das. Die 52-Jährige gehört zu jenen Wittenbergern, die sich der rechten Szene in den Weg stellen, wenn die durch die Stadt marschiert. Ihr ist es wichtig, sichtbar Position zu beziehen - etwa gegen jene, die sich nicht nach Rechts abgrenzen. „Wir haben eine zugespitzte Situation, Aufklärung ist da dringend nötig.“ Dass sie helfen will, die zu leisten, daran lässt sie keinen Zweifel.

Schnell bekannt in Wittenberg

Die Direktkandidatin von Bündnis 90/Grüne lebt noch nicht sehr lange in Wittenberg - dafür aber ist sie schnell bekannt geworden, weil sie Präsenz zeigt, weil sie im politischen Geschäft alles andere ist als ein Neuling. Sie setzt sich offensiv für Themen ein, die sie für wichtig hält, vornehme Zurückhaltung, durchaus verbreitet bei den wenigen hiesigen Parteifreunden, ist ihre Sache nicht.

Reinhild Hugenroth, 1963 im Münsterland geboren, hat in der Verwaltung gelernt und dort mehrere Jahre gearbeitet. Sie absolvierte später das Abendgymnasium, studierte an einer Fernuniversität Politik und Philosophie und promovierte in Gesellschaftswissenschaften. Sie widmet sich freiberuflich der Beratung in Sachen Demokratiepädagogik, zweites Standbein sind Anträge von Nichtregierungsorganisationen im Finanzbereich. Reinhild Hugenroth ist verheiratet und hat keine Kinder.

1992 trat sie den Grünen bei und rechnet sich dem reformpolitischen Flügel der Partei zu. Zu ihren Hobbys zählt Reinhild Hugenroth das Wandern, das Singen und und das Akkordeonspielen. Zudem esse und koche sie ausgesprochen gerne - westfälisch-italienisch. Die Grüne ist zudem Mitglied bei Slow Food, eine Organisation, die genussvolles, bewusstes und regionales Essen propagiert - als Gegenbewegung zum Fastfood.

Jetzt strebt Reinhild Hugenroth in den Landtag. Vor dem Hintergrund ihrer Biographie hat das eine gewisse Folgerichtigkeit. Die auf einem Bauernhof im Münsterland groß Gewordene (vier Brüder, den Hof der Familie gibt es seit 1372) ist seit jeher engagiert. Sie war Bundesvorsitzende der katholischen Landjugend, kam mit grünen Themen in Kontakt - ökologische Landwirtschaft, Entwicklungspolitik, Europa - und wurde das „grüne Schaf“ unter zahlreichen „schwarzen“. Das führte die promovierte Gesellschaftswissenschaftlerin bis zur Geschäftsführung der deutschen Grünen im Europa-Parlament.

Welche Maßnahmen würden Sie treffen, um die hohe Zahl von Flüchtlingen gut zu integrieren?

Geflüchtete haben ab dem ersten Tag einen Anspruch auf einen Deutschkurs. Bildungsabschlüsse der Geflüchteten rasch erfassen und schnell in Bildung und Ausbildung bringen. Anerkennung von Bildungsabschlüssen, um dem Fachkräftemangel im Land Sachsen-Anhalt zu begegnen.  Dezentrale Unterbringung in Wohnungen.

Es fehlt  im Land vor allem an hoch qualifizierten und gut bezahlten Jobs. Wie soll das geändert werden?

Wir brauchen ein Gründerklima und müssen dafür sorgen, dass Ausgründungen von Unternehmen aus dem Hochschulbereich besser funktionieren. Die Hochschulen müssen wir auch als wichtiges Wirtschaftspotential begreifen. Die dort erfolgten Kürzungen waren schädlich. Unsere Förderinstrumente müssen Startups ins Visier nehmen. Unsere Chance nicht nur billige verlängerte Werkbank zu sein, liegt im Wachstum der hier neu entstehenden/entstandenen kleinen und mittleren Unternehmen.

Wofür wollen Sie sich - im Falle Ihrer Wahl - als Landtagsabgeordneter ganz besonders einsetzen?

Rad-Stationen und  Bessere Unterrichtsversorgung: Behutsame Fortentwicklung des Schulsystems zur Schule für alle, die Schule als Lebensort begreifen und nicht nur als Lernort. Öffnung der Schule in den Stadtteil und zur örtlichen mittelständischen Wirtschaft. Radstationen an allen Bahnhöfen in Sachsen-Anhalt und Radschnellwege.

Was ist nötig, damit  erwartete positive Effekte über das Jubiläumsjahr 2017 hinaus anhalten?

 Bisher wurde in „Steine“ investiert, siehe Schlosskirche, Augusteum oder Stadtkirche, jetzt müssen wir in „Stimmungen“ investieren. Lutherstadt Wittenberg war immer eine weltoffene Stadt (siehe Uni 1517) und muss dieses Image nach draußen senden und weltweit einladend sein. Lutherstadt Wittenberg als Nachtigallenstadt, Ökologische Stadt mit Elbe und Biosphärenreservat, Julius-Riemer-Sammlung; Das Fahrrad als Transportmittel Nr. 1 für Menschen und Material für 2017 nehmen, Radwege erneuern und ausbauen.

Wittenberg drängt  auf Ortsumfahrungen. Sehen Sie  Möglichkeiten, die Realisierung zu beschleunigen?

Realistisch betrachtet ist die Realisierung noch in weiter Ferne (Coswigs Umfahrung wird gerade wieder neu geplant!). Es müssen also auch jetzt Lösungen gefunden werden, um die Lärm- und Luftverschmutzungsbelastungen der jetzt an den Durchfahrtstraßen wohnenden Bürger zu verringern. Dies könnten eingeschränkte und kontrollierte Durchfahrtregelungen z. B. in Abhängigkeit von der Schadstoffbelastung sein. Dazu braucht es politischen Mut!

 

An der Seite des Mannes nach Wittenberg

Nach Wittenberg kam Hugenroth an der Seite ihres Mannes, der von 2012 bis 2015 Geschäftsführer der staatlichen Geschäftsstelle für 2017 war, sie ist hier schnell angekommen („schöne Wohnung, nette Leute“) und will, obgleich ihr Mann inzwischen einen Job als Geschäftsführer einer Agentur in Berlin angenommen hat, in der Lutherstadt bleiben. Hugenroth vertritt die Grünen im Kreistag, fungiert dort als stellvertretende Vorsitzende des Ausschusses Schule und Kultur. Und ist dort nahe bei einem Thema, das sie für entscheidend hält: die Bildungspolitik: „Schule muss akzeptiert werden als Lebensort, nicht nur als Lernort. Sie muss sich öffnen in die Stadtteile.“ Und einen Beitrag leisten, damit die Schere zwischen Arm und Reich in der Gesellschaft nicht noch weiter auseinander geht. Dass sie Defizite sieht im Land - etwa bei der Unterrichtsversorgung oder was die Selbstständigkeit von Schulen betrifft - verhehlt die Kandidatin der Grünen selbstredend nicht.

Rund 1,9 Millionen Menschen sind wahlberechtigt. Bei der Landtagswahl 2011 lag die Wahlbeteiligung bei 51,2 Prozent. Es treten landesweit 15 Parteien zur Wahl an. Insgesamt 423 Kandidaten wollen ins Parlament einziehen. Sachsen-Anhalts Landtag hat künftig nach einer Parlamentsreform mindestens 87 Abgeordnete.

Jeder Wähler hat zwei Stimmen. In den 43 Wahlkreisen wird per Erststimme je ein Abgeordneter direkt gewählt. Die übrigen Mandate werden entsprechend der Zweitstimmen über die Landeslisten verteilt.

Bislang sind vier Parteien im Landtag. Zuletzt gehörten 68 Abgeordnete der Regierungskoalition (CDU 42, SPD 26) an. Die Linke stellte 28 und die Grünen 9 Abgeordnete. Zu Beginn der Wahlperiode war die Sitzverteilung noch leicht anders, weil eine Linke-Abgeordnete zwischenzeitlich zur CDU wechselte.

Spitzenkandidat der CDU ist Ministerpräsident Reiner Haseloff (61). Die Linkspartei stellte ihren Fraktionsvorsitzenden Wulf Gallert (52) auf Platz eins. Die SPD zieht mit Fraktions- und Parteichefin Katrin Budde (50) in den Wahlkampf. Bei den Grünen ist Fraktionschefin Claudia Dalbert (61) das Aushängeschild. Die Alternative für Deutschland (AfD) tritt mit Landeschef André Poggenburg (40) an, die FDP mit Frank Sitta (37).

Das Flüchtlingsthema dominiert zahlreiche Debatten. Aber auch die Wirtschaftslage, die Personalausstattung bei der Polizei oder Kosten für die Kinderbetreuung sind wichtige Themen.

Das letzte ZDF-„Politbarometer“ sah die CDU bei 33 Prozent, Linke und SPD jeweils bei 19 Prozent. Die AfD käme auf 15 Prozent, die Grünen müssten mit 5 Prozent um den Wiedereinzug in den Landtag bangen, die FDP würde scheitern.

Keine Partei will mit der rechtspopulistischen AfD zusammengehen. Daher wäre eigentlich nur die Fortsetzung der schwarz-roten Koalition möglich. Linke, SPD und Grüne zusammen hätten keine Mehrheit im Landtag.

Defizite beim Radverkehr

Defizite macht Reinhild Hugenroth ebenfalls bei einem weiteren Lieblingsthema aus: beim Radverkehr, den sie möglichst stärken möchte. Dafür braucht es unter anderem bessere und mehr Radwege und Radstationen, die eine Kombination bieten sollen zwischen Aufbewahrung, Verleih, Reparatur und Verkauf. Dass eine solche Station am Wittenberger Bahnhof eingerichtet wird, dafür hat sich die Grüne mit Nachdruck eingesetzt. Auch für bessere Radwege macht sich die Frau aus dem Landesvorstand des ADFC stark. Dass die Grünen wieder in den Landtag einziehen, hofft sie inständig. Dass es knapp werden dürfte, weiß sie - und möchte also mit ihrer Präsenz möglichst viele Stimmen holen. (mz)