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Bundesgerichtshof in Karlsruhe Bundesgerichtshof in Karlsruhe: Mordabsicht bei Litauer-Fall nicht ausgeschlossen

Von Thomas Steinberg 18.02.2016, 15:29
Justitia
Justitia Symbol/DPA Lizenz

Dessau/Cobbelsdorf - War es doch Mord oder Totschlag? Mit dieser Frage wird sich das Dessauer Landgericht auseinandersetzen müssen, wenn es wohl ab Mitte April den Litauer-Fall neu aufrollt.

Es wird sich mit der Frage beschäftigen müssen, wie der Münchner Ulf M. ums Leben kam, den fünf Litauer im Januar 2012 auf einem Autobahn-Parkplatz entführt hatten und dessen Leiche man Tage später in einem Wald bei Roßlau entdeckte.

Die Neuverhandlung hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer jetzt veröffentlichten Entscheidung erzwungen. Vier der fünf Angeklagten und die Nebenkläger hatten in wesentlichen Punkten mit ihren Bedenken in Karlsruhe Gehör gefunden. Der BGH hob deshalb das Urteil auf.

Argumentation gilt als lückenhaft

Bislang waren die genauen Gründe etwas unklar. Jetzt, mit Blick auf das schriftliche Urteil, ändert sich dies. Der 4. Senat in Karlsruhe hat unter anderem die Verurteilungen wegen Raubes und erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge aufgehoben, weil die Richterinnen und Richter die juristische Argumentation ihrer Dessauer Kollegen zu lückenhaft fanden.

Die Vereidigung, deren Argumente der BGH übernommen hatten, könnte zufrieden sein - wenn nicht einige Absätze später das höchstrichterliche Urteil genau beschreiben würde, unter welchen Umständen doch eine Verurteilung wegen Raubes beziehungsweise erpresserischen Menschenraubes mit Todesfolge möglich wäre.

Und Karlsruhe will nicht ausschließen, dass die Täter sich doch eines Tötungsverbrechens - sei es Totschlag oder Mord - schuldig gemacht haben und ist in diesem Punkte den Nebenklägern gefolgt. Der Bundesgerichtshof fasst dabei einen in den Verhandlungen nur beiläufig erwähnten Umstand ins Auge, der erst vor allem im Plädoyer vom Bruder Ulf M.’s herausgearbeitet wurde: Die Angeklagten hatten ihrem Opfer EC-Karten und PIN abgepresst, es misshandelt, dann in seinen Transporter gepfercht und vom eigentlichen Tatort in ein anderes Waldstück gefahren. Dort starb der gefesselte M.

Ging es überhaupt ums Überleben?

Den Karlsruher Richtern fiel dabei besonders auf, dass das Fahrzeug festgefahren war, und sie geben für die erneute Verhandlung den Ratschlag, diesen Umstand besonders zu beleuchten. Dieser Umstand könnte nämlich ein Indiz dafür sein, dass es den Angeklagten nicht um das Überleben und Auffinden des Ulf M. ging, sondern um ein geringeres Risiko, entdeckt zu werden. Käme das Dessauer Gericht zu diesem Schluss, wäre eine Verurteilung wegen eines Tötungsverbrechens nicht völlig abwegig.

Indes könnte das Verfahren auch eine völlig andere Wendung nehmen. Sitzen Angeklagte in Untersuchungshaft, drängt der BGH auf schnelle Verfahren - und hat sich ausgerechnet im Litauer-Fall selbst besonders viel Zeit gegönnt. Das dürfte Anlass für die Verteidigung für so genannte Haftprüfungsanträge geben - deren Erfolg nicht ausgeschlossen ist und mit der Freilassung von drei in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten enden dürfte.

Dass diese geduldig auf den Beginn des Verfahrens warten würden, dürfte höchst unwahrscheinlich sein. (mz)