Buchvorstellung in Stadtbibliothek Buchvorstellung in Stadtbibliothek: Handel und Wandel in Wittenberg von Thomas Glaubig
Wittenberg - Es ist eine Reise in vergangene Zeiten. Als Kunden von den Ladeninhabern noch mit Namen begrüßt wurden, weil fast jeder jeden kannte. In der Verkäufe des Handwerks handschriftlich in einem großen Buch festgehalten wurden, die sich zum Teil bis heute erhalten haben. Und aus denen Neugierige wie Thomas Glaubig einen wahren Schatz an Informationen ziehen können, um das Geschäftsleben vor 50 oder 100 Jahren für Leser erlebbar zu machen.
Inspirierende Runde
Der kleine Raum in der Wittenberger Stadtbibliothek ist an diesem heißen Mittwoch fast voll besetzt. Der Verein der Wittenberger Bücherfreunde hat Glaubig eingeladen, um den dritten Band von „Handel und Wandel in Wittenberg“ vorzustellen. „Ich denke, es wird eine inspirierende Runde werden, mit Details, die nicht jedem geläufig sind“, begrüßt die Vereinsvorsitzende Sylvia Ziegler die Zuhörer.
Womit sie sicher recht hat. Denn nur wenige dürften einmal etwas von Max Camin gehört haben. Als Röntgentechniker hatte der 1887 Geborene in Berlin gearbeitet, war dann Vertreter eines deutschen Elektrokonzerns in den USA und erlebte den Ersten Weltkrieg als Soldat und Röntgentechniker im Versorgungslazarett Wittenberg.
Ohne Meisterprüfung erhält er von der Elektrokommission der Stadt eine Installateurkarte, sein Unternehmen hat seinen Sitz in der Schlossstraße 14/15 (heute Jugendherberge). Sein „Versandbuch“ listet ab 1925 die Verkäufe von Radios und Zubehör auf. Auch Autolichtanlagen vertreibt er und baut sie in Kundenautos ein.
Max Camin übernimmt die Elektroinstallation etlicher Häuser in der Stadtrandsiedlung. Und er erfindet nützliche Dinge, hat 1925 ein Patent auf einen Radioapparat, später eine Abzweigdose aus Porzellan in verschiedenen Formen und ein Weidezaungerät.
Auch Ernst Schmidt, Heilpraktiker und Naturheilkundiger, hat Glaubig ein Kapitel gewidmet. Der Autor zitiert mit einem Lächeln aus Schmidts Buch „Kurze Anleitung zur naturgemäßen Lebens- und Heilweise“, in der er über den Nutzen der Natur bei der Heilung allerlei Krankheiten schreibt. Es geht um Bewegung an frischer Luft, Vegetarismus, die Schädlichkeit von Genussmitteln und das Fasten. „Das kommt Ihnen allen bekannt vor, nicht wahr“, fragt Glaubig in die Runde.
Schmidt eröffnet 1901 sein „Institut für Naturheilverfahren“, er baut in der Bachstraße 5 neben der Landeskirchlichen Gemeinschaft sein Haus, in der er sich engagiert. Nach Kriegsende übernimmt er, da die drei evangelischen Geistlichen geflohen sind, den ersten Gottesdienst.
Suche nach der Kiste
Nach der Lesung entspinnt sich eine intensive Diskussion über Geschäfte, alteingesessene Familien und deren Schicksale. Vieles ist weggeworfen worden nach der Wende, bei seinen Gesprächen hört Glaubig immer wieder von einer dieser Kisten, die lange irgendwo gestanden habe und die dann entsorgt wurde. Manchmal hat er aber auch Glück, die Unterlagen sind noch da. Mit ihnen öffnet sich die Tür in die Vergangenheit wieder ein kleines Stück.
Glaubig beantwortet nach der Diskussion selbst solche Fragen, die gar nicht gestellt werden. „Ob es sich lohnt, Bücher zu schreiben? Solche eigentlich nicht. Es macht Spaß, ja, aber der Weg zur Wohlhabenheit geht woanders lang“, sagt er. Ob nach drei Bänden „Handel und Wandel“ damit Schluss ist? „Es wird einen Band vier geben“, verrät der Wittenberger, nennt einige Details und bittet um Vorschläge. „Wenn möglich mit dem Hinweis, wo noch Fotos vorhanden sind.“
Über das Buch
15 Unternehmen auf 76 Seiten hat Thomas Glaubig in seinem dritten Band von „Handel und Wandel in Wittenberg“ vereint. Das Buch ist für 16,80 Euro im Buchhandel erhältlich. Die Palette reicht vom noch heute bestehenden Geschäft von Kimstädt in der Collegienstraße 15, errichtet von Adolf Kimstädt 1867, bis zu Zoo-Krappe am Markt als Fachgeschäft für Aquaristikfreunde und dem heute verschwundenen Anwesen Elbstraße 5, in dem sich viele Jahrzehnte eine Dampfwäscherei befand und das der Südumfahrung der Altstadt weichen musste.
Der Autor stellt keine lückenlosen Chroniken vor. Es sind vielmehr eine Reihe von Schlaglichter auf Firmengründer sowie bedeutende oder zufällige Ereignisse, die sich dank der Quellenlage rekonstruieren lassen. Fotos mit Geschäftsansichten werden ergänzt durch Briefköpfe, Logos und Werbetafeln. Anhand des Buches kann der Leser durchaus eine Rundreise unternehmen - und dabei das Früher mit dem Heute vergleichen.
Ideen für weitere Bücher habe er reichlich. „Was fehlt, sind meist die Bilder“, sagt Thomas Glaubig. Sein Verleger, in diesem Fall Mario Dittrich vom Drei Kastanien Verlag in Wittenberg, lege Wert darauf. „Mario hat mir gesagt, die Bücher verkaufen sich nach Bildern. Ich verwende jedoch 80 Prozent meiner Arbeit auf den Text“, erläutert der Autor die Arbeit am Buch. (mz)