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Bei hohem Tempo manchen Bahnhof wohl vergessen

Von MARCEL DUCLAUD 26.11.2008, 18:49

. - Der Tisch fasst die ganzen Präsente gar nicht, die ihm überreicht werden. Fünf Kilo Kekse sind dabei - vom Bildungszentrum für Beruf und Wirtschaft; vom Berufsbildungszentrum Elbe stammt eine

Sonnenuhr, die freiwilligen Wehren haben Kunze flugs zum Ehrenfeuerwehrmann ernannt. Als der Bürgermeister erscheint, erklingt ein langer Trommelwirbel - die Stadtwache empfängt und verspricht Freibier, wann immer er die Wache besucht. Kunze habe, begründet Jürgen Donde, historische Vereine stets unterstützt.

Wieso, fragen sich manche an diesem Abend, bleibt der Mann nicht im Amt bei so viel allgemeiner Dankbarkeit? Kunze war nach Signalen aus den Fraktionen, die eine Wiederwahl nicht sehr wahrscheinlich klingen ließen, gar nicht erst angetreten. Thomas Popp (CDU), Vorsitzender des Stadtrates, versucht sich an einer Antwort. Er spricht von den dicken Brettern, die Kunze gern gebohrt habe. Dabei ecke man zuweilen an und benötige ein dickes Fell. "Vielleicht war es aber einfach nur der Wunsch nach Verjüngung." Popp schenkt Kunze übrigens - augenzwinkernd - ein Wörterbuch mit dem schönen Titel "Politiker verstehen - leicht gemacht". Manfred Schildhauer (CDU), der Kunze ungern gehen sieht, sagt leicht boshaft: "Er hat den Fehler gemacht, er hat was getan." Bernhard Naumann, SPD-Stadtrat und Vorsitzender des Heimatvereins, bescheinigt dem scheidenden Bürgermeister, Spuren zu hinterlassen, "die man oft erst spät erkennt". Kunze habe vieles angeregt, "das uns noch länger beschäftigen wird", und im Übrigen immer ein offenes Ohr für Vereine gehabt.

Kunze selbst nennt sich ergebnisorientiert und vergleicht sich mit einem ICE, der bei hohem Tempo wohl vergessen habe, an einigen Bahnhöfen anzuhalten. "Das bitte ich zu entschuldigen." Er habe bei seinem Amtsantritt versprochen, sich voll und ganz einzubringen, nicht bequem zu sein und Recht und Gesetz zu achten. So sei es geschehen. Kunze bestätigt, was auch andere von ihm sagen: Dass er nämlich "wie ein Magnet die unbequemen Themen" anziehe, um sie möglichst schnell zu lösen. Im Übrigen sage er nicht adieu, wohl aber auf Wiedersehen.

Zuvor hat Wittenbergs Oberbürgermeister seinen Bürgermeister gewürdigt: "Keine Aufgabe war ihm zu schwierig, kein Problem zu groß." Er habe im Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit, Rat, Verwaltung und Bürgern gestanden und sei sich dabei stets treu geblieben, so Eckhard Naumann (SPD). Der Oberbürgermeister nennt Kunze eine "markante Figur", was eben nicht nur Freunde schaffe. Nicht selbstverständlich sei zudem, dass er sein Amt "mit vollem Einsatz bis zum Schluss" ausübe.

Lob und Abwarten, was nach Volkmar Kunze wohl kommen wird, ist von jenen zu hören, denen der Bürgermeister sieben Jahre lang ein Ansprechpartner war. Brigitte Gänsicke und Erhard Hellwig-Kühn von der Arbeiterwohlfahrt etwa bescheinigen konstruktive und effiziente Zusammenarbeit. Mit Kunze seien auch harte Kämpfe ausgefochten worden, er "war aber ein offener und fairer Verhandlungspartner". Hellwig-Kühn: "Wir hätten gut weitere sieben Jahre mit ihm ausgehalten."

Unterdessen wird im Rathaus geredet und Wein getrunken. Zu jenen, die nachschenken, gehört Marion Koch, die das Vorzimmer des Bürgermeisters hütet. "Das ist schon eine traurige Sache", sagt sie. Die sieben Jahre mit Kunze seien informativ und lehrreich gewesen. "Es ist kein leichter Abschied, aber nicht mein erster." Sie hat als Sekretärin schon einige Männer kommen und wieder gehen sehen: Friedrich Kolbitz, Hartmut Dammer, jetzt Volkmar Kunze.