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WM-Tagebuch WM-Tagebuch: Kampfsport statt Fußball

29.06.2014, 10:29
Marco (r.) und Robert mit einigen der Kampfsportler
Marco (r.) und Robert mit einigen der Kampfsportler Privat Lizenz

Rio de Janeiro/MZ - Dass es neben dem Fußball noch eine andere Sportart gibt, für die die Brasilianer auf der ganzen Welt berühmt sind, durften wir heute erleben. Eher zufällig begegneten uns, bei einer Streiftour durch die Favela Santa Marta, zwei Jungen in Sportanzügen. Zum Glück hatten wir unsere Rio-Expertin an der Seite, die die Jungs ansprach und erfuhr, dass sie gerade auf dem Weg zum Training waren. Die beiden Teenager erklärten uns, dass sie dem Kampfsport „Brazilian Jiu-Jitsu“ nachgehen. Dieser Kampfsport ist eine Weiterentwicklung des Judo und vereint Elemente des Ringen sowie Hebel-, Fuß- und Würgetechniken. Als wir fragten, ob es in Ordnung sei, ihnen etwas über die Schulter zu schauen, willigten sie sofort ein. Zu unserer Verwunderung gingen wir die steilen Treppen hinauf, den Weg zurück, den wir gekommen waren.

Robert Gärtner und Marco Matthis aus Weißenfels berichten in ihrem Blog und für die MZ über ihre Erlebnisse bei der WM in Brasilien. Das WM-Tagebuch ist hier zu finden: www.wm2014-rio.de

Wir konnten uns nicht vorstellen, wo in den eng bebauten Gassen der Favela eine Art Sportraum sein soll. Als wir plötzlich halt machten, trauten wir unseren Augen kaum. Vollkommen unscheinbar hinter einem Zaun, befand sich eine kleine, mit Sportmatten ausgelegte, Kampfarena. Hier müssen wir auf unseren Meister warten, erklärten uns die Jungen. Nach und nach gesellten sich immer mehr Jungen und Mädchen zu uns. Sie erzählten und sprangen wild durcheinander. Als dann aber einer der Kämpfer den Meister die Treppe hinaufsteigen sah, war plötzlich Ruhe. Wir erkundigten uns bei dem Meister, ob wir das Training als Zuschauer begleiten dürfen und wurden mit einem kräftigen Handschlag eingeladen.

Respekt, Disziplin und Kameradschaft

Einem Großteil der Kinder wurden neue Gürtel verliehen, deren Farbe den Aufstieg zu einer höheren Schülerklasse deutlich machen. Stolz wurden uns die neuen Gürtel präsentiert. Nach einer kurzen Erwärmung, die vom ranghöchsten Schüler geleitet wurde, ging es dann auch schon los. Mit den für das Brazilian Jiu-Jitsu so gefürchteten Techniken begannen die Jungen und Mädchen, sich durch die Luft zu werfen oder mit Armhebeln und Würgegriffen zur Aufgabe zu zwingen. Sobald das Klopfen auf die Matte oder den Rücken des Partners erfolgte, wurde der Griff gelöst und das Spielchen begann von vorn. Was uns besonders auffiel, war die Hilfsbereitschaft untereinander. Wurden Anweisungen nicht korrekt befolgt, wurde gegenseitig Hilfestellung und Unterstützung geleistet. Hier wurden die Möglichkeiten, die uns der Sport eröffnet ganz deutlich. Gerade in einer Favela, wo Gewalt zur Tagesordnung zählt, findet man in einer Kampfsportschule scheinbar vergessene Werte wie Respekt, Disziplin und Kameradschaft in aller höchster Ausprägung. Wir verfolgten das Training noch eine ganze Weile und nutzen dann die Gelegenheit, um einige unserer in Deutschland angefertigten T-Shirts zu verschenken.

Marco und Robert im Internet: www.wm2014-rio.de