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Weißenfels Weißenfels: Knut im «Birkenwäldchen»

Von andreas richter 20.01.2012, 18:05

weissenfels/MZ. - Ein kleines Stück Alltag für Pfleger Udo Lau. Von Anfang an arbeitet der heute 51-Jährige im Weißenfelser Caritas-Altenpflegeheim "St. Franziskus", das Freitag sein zehnjähriges Bestehen gefeiert hat. Während er von seiner Arbeit erzählt, schaut er immer wieder, ob Herr Schöppe im Bad klarkommt. So selbständig wie möglich soll er sich dort bewegen - und so viel Hilfe wie nötig erhalten. "Wir wollen so individuell wie möglich auf die Bedürfnisse der Bewohner eingehen, wollen die Mitte finden zwischen dem Machbaren und dem, was die Leute wünschen", sagt er.

Rund 45 Mitarbeiter kümmern sich im "Birkenwäldchen", einem der vier Wohnbereiche im Heim an der Selauer Straße, um die Bewohner in den 16 Einzel- und zwei Doppelzimmern. Eine Aufgabe rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche. Auch für Udo Lau, der einst Schlosser gelernt hat und sich später zum Altenpfleger hat ausbilden lassen. Heute koordiniert er den Einsatz der Pfleger im "Birkenwälchen". An diesem Tag hat er Frühdienst. Der Langendorfer hofft, dass er am Nachmittag Zeit für die Familie findet. Und die ist groß genug. Die älteste Tochter ist schon 18. Doch da sind noch die siebenjährigen Zwillinge und eine elfjährige Tochter. Da kann seine Frau jede Unterstützung gut gebrauchen. Da braucht es eine gute Planung, um alles unter einen Hut zu bekommen.

Doch jetzt ist Udo Lau erst einmal im "Birkenwäldchen" gefordert. Nach Frühstück und Morgentoilette schiebt er Herrn Schöppe ins Raucherzimmer. Dann kümmert er sich weiter um Günter Krebs. Für den 81-Jährigen ist er ein sogenannter Bezugspfleger. Ein sprödes Wort für eine zutiefst emotionale Aufgabe. Lau ist erster Ansprechpartner für den schwer Pflegebedürftigen. "Oft schlüpfen wir mitten in die Familien hinein", erzählt er, während er sich um die Grundpflege kümmert, ums Waschen und Rasieren. Da rückt der Pfleger nicht nur rein räumlich dicht heran. Erfährt von Geschichten, die ans Herz gehen. Vom kleinen Eisbären Knut zum Beispiel. Eine ehemalige Schulfreundin aus Burgwerben, die es später als Tänzerin in die Schweiz verschlagen hat, hat das Plüschtier Weihnachten 2010 geschenkt. Jetzt steht es auf dem Schränkchen neben dem Bett. Soll wie das papierne Kleeblatt an der Wand Glück bringen. Glück für Günter Krebs, der im Spätherbst seines Lebens davon nicht mehr allzu viel hat.

Gegen 9 Uhr haben die Pfleger die erste große Arbeit des Tages geschafft. Jens-Uwe Schöppe sitzt mittlerweile zusammen mit anderen Bewohnern im Fernsehraum. Udo Lau kann kurz durchschnaufen. Er zeigt auf die große Tafel im Wohnbereich. Termine stehen dort, der Speiseplan und Freizeitangebote. "Fast jeden Tag ist irgendetwas los für die Bewohner", sagt Lau. Die "Kramkiste" zum Beispiel ist montags der Renner. Erinnerungen hervorkramen, über die alten Zeiten reden - das kommt bei den betagten Leuten gut an. Fast ebenso beliebt ist die "Liederbörse". Dienstags ist Friseurtag, Fußpflege ist im Angebot, Seniorengymnastik. . .

Doch im "Birkenwäldchen" geht es nur manchmal locker und fröhlich zu. Gegenüber den bunten Aushängen ist die Andacht-Ecke. Vor wenigen Tagen erst ist ein Bewohner gestorben. Wie nah lässt Udo Lau die unvermeidlichen Schicksale eines Altenpflegeheims an sich heran? Die Frage löst bei ihm Gänsehaut auf den Armen aus. "Sie sehen es ja. Das geht einem schon an die Nieren. Vor allem wenn man als Bezugspfleger einen besonders engen Kontakt aufgebaut hat" sagt er.

Viel Zeit zum Nachdenken bleibt Udo Lau jedoch nicht. Herrn Schöppe geht es im Fernsehraum nicht mehr gut. Ihm tut der Rücken weh. Der Pfleger macht sich auf den Weg, noch ein nettes Wort und wenig später liegt der schwere Mann wieder im Bett. Manchmal macht Jens-Uwe Schöppe beim Kegeln mit im benachbarten Wohnbereich "Schlossterrasse". Doch das Leben ist eben kein Wunschkonzert, auch nicht im "Birkenwäldchen". Und deshalb kegelt die kleine mehr oder weniger rüstige Truppe an diesem Vormittag ohne ihn. Pfleger Udo Lau geht derweil seinem Tagwerk nach, kümmert sich um jene, die besonders viel Zuwendung brauchen. Auch nach Günter Krebs wird er später noch einmal schauen.