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Übergewicht bei Hunden Übergewicht bei Hunden: Eine Tierärztin über Haltungsfehler und Leckerlis

14.10.2018, 05:00
Übergewicht bei Hunden sieht nicht nur unschön aus, sondern ist für die Tiere auch ungesund.
Übergewicht bei Hunden sieht nicht nur unschön aus, sondern ist für die Tiere auch ungesund. dpa

Weißenfels - Der Hund gilt als bester Freund des Menschen. Wen wundert es da, dass auch er zunehmend an den Zivilisationskrankheiten der Zweibeiner erkrankt. Zu viele Pfunde sind für ihn und alle anderen Haustiere aber genauso gefährlich wie für Frauchen und Herrchen. Auch in Weißenfels trifft Tierärztin Martina Rühaak immer wieder auf Tiere, die aufgrund nicht artgerechter Haltung Probleme haben. Mit ihr sprach MZ-Redakteur Alexander Kempf.

Frau Rühaak, gibt es heute mehr übergewichtige Haustiere als früher?
Martina Rühaak: Es gibt meiner Meinung nach eine Tendenz, dass Haustiere heute häufiger übergewichtig sind. Und das ist genau wie beim Menschen nicht ungefährlich. Denn Übergewicht führt zu Begleiterkrankungen wie etwa Diabetes oder Schäden am Bewegungsapparat.

Martina Rühaak arbeitet seit April 2016 als Assistenztierärztin in der Weißenfelser Tierarztpraxis An der Promenade. Dort ist die 35-Jährige auf Kleintiere und Heimtiere spezialisiert. Dazu zählen neben Hunden und Katzen zum Beispiel Kaninchen oder Nagetiere. Martina Rühaak hat zwischen 2010 und 2016 Veterinärmedizin im sächsischen Leipzig studiert. Mit Tieren arbeitet die junge Frau, die aus dem Norden stammt, aber schon deutlich länger. Sie hat sowohl eine Ausbildung zur Tiermedizinischen Fachangestellten als auch eine zur Veterinärmedizinischen Assistentin an der Tierärztlichen Hochschule Hannover abgeschlossen. Privat gilt Martina Rühaaks Aufmerksamkeit ihrem Kater Mio.

Wo liegen Ihrer Meinung nach die Ursachen dafür, dass Haustiere übergewichtig sind?
Rühaak: Die Tiere kriegen zu viel Futter und haben zeitgleich zu wenig Bewegung. Das Angebot an Leckerlis für Belohnungen ist in

den vergangenen Jahren immer breiter geworden. Diese Snacks müssten die Tierhalter eigentlich von der Tagesdosis Futter abziehen. Das gelingt aber nicht jedem.

Vermenschlichen die Besitzer ihre Tiere zu sehr?
Rühaak: Ich beobachte, dass sich in den vergangenen Jahren die Beziehung zwischen Mensch und Tier verändert hat. Das Verhältnis ist enger geworden. Hund und Katze sind heute für manche Begleiter, wie ein guter Freund. Da bleibt es nicht aus, dass sie auch am Frühstückstisch etwas abbekommen.

Sprechen Sie es an, wenn die Haustiere zu dick sind?
Rühaak: Selbstverständlich. Das wird immer angesprochen. Viele Besitzer können das ja auch selbst schlechter einschätzen, da sie das Tier täglich sehen. Dabei geht es mir nicht nur um die absolute Zahl in Kilogramm. Ich erkläre den Besitzern zum Beispiel, wenn ein Tier etwas mehr Taille braucht.

Fällt es Ihnen leicht, Probleme wie Übergewicht offen anzusprechen?
Rühaak: Ich spreche das natürlich vorsichtig an. Es ist schließlich ein sensibles Thema. Ich erfrage zum Beispiel, wie die Fütterung aussieht und unterbreite Vorschläge, was sich gegen das Übergewicht tun lässt. Es gibt im Gegensatz zur Vergangenheit heute verschiedene Lösungsansätze. Hungern muss kein Tier. Es braucht aber Konsequenz und das fällt nicht allen leicht.

Warum scheitern Menschen daran, ihr Tier angemessen zu füttern?
Rühaak: Das ist der Empathie geschuldet. Jeder will ja seinem Tier etwas Gutes tun. Und wenn ein Hund die Wahl hat zwischen einem Leckerli und normalem Futter, entscheidet er sich natürlich für das Leckerli. In diesem sind oft viele Zusatz- und Geschmacksstoffe. Das führt auch dazu, dass viele Hunde das normale Futter nicht mehr so gerne fressen. Dann erzieht der Hund das Herrchen.

Trotzdem gibt es auch Hunde, die bestimmtes Futter einfach nicht vertragen, oder?
Rühaak: Das stimmt. Wir behandeln immer mehr Tiere aufgrund von Futtermittelallergien und -unverträglichkeiten. Sie zeigen zum Beispiel Symptome wie Durchfall, Juckreiz oder Ohrentzündungen. Die Ursachen dafür sind ganz individuell, wie beim Menschen auch. Mal verträgt der Körper bestimmte Proteine nicht, mal sind Kohlenhydrate das Problem. In Weißenfels haben wir unglaublich viele Allergiker in der Praxis. Gemeinsam suchen wir dann nach den Ursachen.

Ist eine mögliche Ursache für Übergewicht und Allergien, dass die Tiere immer öfter in Wohnungen leben?
Rühaak: Das kann man so pauschal nicht sagen. Ein Wohnungshund kann mehr Auslauf als ein Hofhund haben. Jede Rasse muss auch ganz anders ausgelastet werden. Ich bin auch nicht der Meinung, dass Treppensteigen pauschal schlecht für Hunde ist. Bei Hunden, die sich noch im Wachstum befinden, ist diesbezüglich aber Vorsicht geboten. Und natürlich ist es für ein altes Tier, das an Arthrose leidet, irgendwann nicht mehr machbar, täglich in den vierten Stock zu laufen.

Ist Übergewicht bei Haustieren besonders bei Hunden ein Problem?
Rühaak: Übergewicht stellen wir hauptsächlich bei Hunden und Katzen fest. Davor sind aber auch andere Arten nicht gefeit. Ich habe schon Wellensittiche gesehen, die so dick waren, dass sie nicht mehr auf die Stange hochkamen. Und auch für Nager wie Hamster gibt es mittlerweile Drops und Stangen, welche diese eigentlich gar nicht benötigen. Oder nehmen Sie Kaninchen. Die sind eigentlich keine Körnerfresser. Gutes Heu, Gemüse und etwas Grünzeug reicht ihnen vollkommen.

Erkranken Haustiere auch an psychischen Problemen, wie etwa Depressionen?
Rühaak: Ob Tiere Depressionen kriegen können ist fraglich. Bei nichtartgerechter Haltung kann es aber auf jeden Fall zu Verhaltensstörungen kommen. Wellensittiche etwa, die alleine im Käfig gehalten werden, beginnen irgendwann damit, sich die Federn auszurupfen. In der Natur leben sie in großen Schwärmen. Das kann ein Mensch nicht ersetzen.

Was raten Sie bei Verhaltensauffälligkeiten?
Rühaak: Das hängt vom Tier ab. Bei Hunden etwa ist es oft lediglich eine Frage der Erziehung. Hundehalter, deren Tiere Verhaltensauffälligkeiten zeigen, verweisen wir daher an Hundetrainer. Die erstellen für die Tiere einen Therapieplan. Es gibt aber auch Tierärzte, die sich auf solche Probleme spezialisiert haben.

(mz)

Martina Rühaak (links) untersucht viele Hunde, so zum Beispiel auch den Schäferhund Helgon von Jana Harnisch.
Martina Rühaak (links) untersucht viele Hunde, so zum Beispiel auch den Schäferhund Helgon von Jana Harnisch.
Peter Lisker