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Stolpersteinverlegung Stolpersteinverlegung: Ein ungeklärtes Weißenfelser Schicksal

Von Birger zentner 11.09.2014, 18:47
Judith Bodniuk (2. von rechts) mit ihrem Mann Aron und Sohn Shay (rechts) auf den Spuren ihrer Großeltern in Weißenfels. Die Gäste aus Haifa sind hier im Gespräch mit der Familie Eichardt, die heute das Haus in der Merseburger Straße bewohnt.
Judith Bodniuk (2. von rechts) mit ihrem Mann Aron und Sohn Shay (rechts) auf den Spuren ihrer Großeltern in Weißenfels. Die Gäste aus Haifa sind hier im Gespräch mit der Familie Eichardt, die heute das Haus in der Merseburger Straße bewohnt. Peter Lisker Lizenz

Weissenfels - Immer wieder überkommen Judith Bodniuk die Emotionen. Dann fließen auch Tränen der Rührung. Für die 71-Jährige aus der israelischen Stadt Haifa ist es eine Mischung aus Trauer und Freude. Trauer, weil sie ihre Großeltern Rosa und Jacob Hofmann nie kennengelernt hat, aber um ihr schreckliches Schicksal weiß; Freude, weil ihrer jetzt mit zwei Stolpersteinen vor der Merseburger Straße 49 gedacht wird und sie als Enkelin erstmals auch das Haus von innen gesehen hat.

„Ich war schon einmal 1991 hier, konnte da aber nur das Haus von außen sehen“, erzählt Judith Bodniuk, die zusammen mit ihrem Mann Aron und Sohn Shay der Einladung des Weißenfelser Simon-Rau-Zentrums zum Legen der Stolpersteine gefolgt ist. Der Künstler Kurt Demnig hat die beiden Steine mit den Messingplatten in dieser Woche im Fußweg vor dem Haus eingelassen.

Brief kam nie an

Das Schicksal von Rosa und Jacob Hofmann, die bis zu ihrer Flucht aus Weißenfels vor den Nazis einen Viehhandel betrieben haben, ist jedoch nicht restlos geklärt. Enrico Kabisch vom Simon-Rau-Zentrum hat recherchiert. Demnach sollten sie per Schiff nach Shanghai kommen, gingen aber mit 300 anderen Juden in Italien von Bord. „Sie wollten über Libyen in das britische Mandatsgebiet, das heute Israel ist, gelangen“, berichtet Kabisch. In der libyschen Hafenstadt Bengasi seien sie aufgegriffen und nach Neapel gebracht worden, wo sie verhaftet und ins Konzentrationslager Ferramonti gebracht wurden.

Dort verliert sich 1940 ihre Spur. Kabisch: „Ich habe noch eine Notiz gefunden, dass es dort Kämpfe zwischen SS-Truppen und möglicherweise Partisanen gegeben hat, dabei könnten sie umgekommen sein.“ Diese Ungewissheit stimmt Judith Bodniuk auch heute noch zusätzlich traurig. „Der Brief an sie über meine Geburt hat sie offenbar nie erreicht.“

Auch der Vater war in Weißenfels

Diesen Brief hat ihr 1910 in Weißenfels geborener Vater geschrieben, dem 1938 die Ankunft in Haifa geglückt war. Dort lernte er dann auch seine künftige Frau kennen, die aus Immenhausen bei Kassel ein Jahr früher ins heutige Israel gekommen war. Sie ist übrigens mittlerweile 104 Jahre alt und in einem Pflegeheim, erzählt Judith Bodniuk. Sie hat später als Sekretärin gearbeitet, ihr acht Jahre älterer Mann, der aus dem polnischen Torun stammt, als Busfahrer.

Es sei gut, dass sie diese Reise nach Weißenfels gemacht habe und sie sei dankbar, dass es heute hier wie in anderen Städten Menschen gibt, die an das Leid der Juden erinnern, das diese von den Nazis erfahren haben. Übrigens hat auch schon ihr Vater die Reise unternommen. Sein Schulkamerad Benjamin Halevi, der einer der Richter im Eichmann-Prozess war, hatte ihn angerufen und gesagt, er sei 1977 in Weißenfels gewesen und „du kannst auch fahren“. Was der Vater Anfang der 1980er Jahre auch getan habe. (mz)

Zwei Stolpersteine wurden in der Merseburger Straße für Rosa und Jacob Hofmann gesetzt.
Zwei Stolpersteine wurden in der Merseburger Straße für Rosa und Jacob Hofmann gesetzt.
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