Sex im Alter Sex im Alter: Wie Alten- und Pflegeheime in der Region Weißenfels mit dem Thema umgehen

Hohenmölsen - „Sex im Alter ist vollkommen okay“, sagt Schwester Stefanie Freund, die in der Tagespflege von Heike Goryla in Lützen arbeitet. Sie würde schon spüren, dass vor allem die alten Männer mal die Nähe der jungen Schwestern suchen würden. „Natürlich haben wir solche Zuckerzähne in der Einrichtung“, sagt die 28-Jährige und fügt hinzu: „Sie wollen streicheln oder kuscheln. Manche fassen auch mal nach dem Hintern. Da ist bei mir aber eine Grenze.“
Und was ist mit Sex auf Rezept für Pflegebedürftige und Hochbetagte? Der Vorstoß von Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, hat zuletzt bundesweit für Diskussionen gesorgt. Scharfenberg hatte sich dafür ausgesprochen, die sogenannte Sexualassistenz für pflegebedürftige und behinderte Menschen staatlich zu fördern. Ob staatlich finanziert oder nicht - wie gehen Alten- und Pflegeheime mit dem Thema „Sexualität“ um? Besteht überhaupt Bedarf an sexuellen Dienstleistungen?
Schwester Stefanie aus Lützen hätte kein Problem, Prostituierte für die Senioren zu organisieren
Eine Antwort hat Schwester Stefanie aus Lützen schon gegeben. Aber wie weit kann man gehen? Prostituierte für die Senioren zu organisieren, damit habe sie persönlich kein Problem. Wenn eine Anfrage käme, würde sie die Damen allerdings zu den Senioren in deren Zuhause bestellen und nicht in die Räume der Tagespflege.
„Als ich noch in Senioreneinrichtungen in der Zeitzer Region gearbeitet habe, war es gang und gäbe dass Damenbesuch zu einem Heimbewohner kam“, schildert Cornelia Reimann, die nun in Hohenmölsen die Residenz am Wasserturm leitet. Dort habe es bislang noch keine Anfrage nach Sex auf Bestellung gegeben. „Und wenn ja, hätte ich damit kein Problem“, erklärt auch Reimann. Dass die Liebesdienste vielleicht sogar auf Rezept abgerechnet werden sollten, da habe sie schon eine andere Meinung. „Nein, das würde ich nicht begrüßen“, sagt die Heimleiterin unmissverständlich.
Heimleiterin aus Hohenmölsen: Im Alter lässt definitiv der Geschmackssinn nach
Die Heimleiterin aus Hohenmölsen und die Schwester von der Lützener Tagespflege stehen mit ihrer offenen Meinung ganz und gar nicht allein da. „Im Alter lässt definitiv der Geschmackssinn nach. Vieles andere aber nicht, darunter auch das Begehren nach Sexualität“, weiß Thomas Gilow, der in Weißenfels die Avendi Senioren Service GmbH, Wohnpark am Töpferdamm leitet. „Die Menschen, die bei uns wohnen, geben doch ihre Rechte nicht an der Rezeption ab. Haben sie ein sexuelles Verlangen und wir könnten helfen, dann würden wir das versuchen. Wir sind dazu da, die Lebensqualität unserer Bewohner zu erhalten.“ Gefragt habe noch niemand, aber Gilow zeigt sich offen für solche „intimen Gespräche“.
Die Sexualassistenz ist nach Angaben des Bundesverbands sexuelle Dienstleistungen e.V. (BSD) eine Form der Prostitution. Laut BSD ist die Sexualassistenz ein Angebot für behinderte, alte oder kranke Menschen. Häufig lebten diese in großer Abhängigkeit und mit vielen Einschränkungen, sodass für sie keine andere Möglichkeit besteht, um Sexualität mit einem anderen Menschen erfahren zu können. (cra)
Auch im DRK-Altenheim „Drei Villen“ in Lützen ist das Thema Sexualität im Alter und im Heim kein Tabuthema. „Bestellungen gab es jedoch noch keine“, ist von der Leiterin Cornelia Guhra zu erfahren. Man finde sich eher unter den Bewohnern. Zwei Pärchen gebe es zwischen 80 und 90 Jahren. Die würden Händchen halten und die Freizeit miteinander verbringen.
Im Seniorenlandhaus Kretzschau bei Zeitz hat man mit dem Thema „Sexualassistenz“ bisher keine Erfahrungen gemacht. Geschäftsführer Roberto Eckardt vermutet, dass das mit der Herkunft und der gesellschaftlichen Prägung der Bewohner zusammenhängt, die überwiegend aus dem ländlichen Raum stammen. „Menschen, die in Großstädten gelebt und dort schon Umgang mit Prostitution hatten, sind da vielleicht aufgeschlossener“, schätzt Eckardt. (mz)